Der mutmaßliche Attentäter von Dresden war den Sicherheitsbehörden bestens bekannt. Sie gingen davon aus, dass er erneut Straftaten begehen werde.
Dominique Bielmaier/Daniel Krüger, tagesspiegel.de
Der Mord geschah Anfang Oktober in der Innenstadt von Dresden, dort, wo die meisten Touristen unterwegs sind. Nahe Schloss und Frauenkirche. Warum es die beiden Männer traf, haben Polizei und Staatsanwaltschaft noch nicht aufklären können. Etwa drei Stunden später, die Tat war gerade öffentlich bekannt geworden, musste sich Abdullah A. H. H. wieder auf den Weg in die Innenstadt machen.
Sein Weg führte zur Polizeidirektion an der Schießgasse, nur wenig entfernt von dem Ort, an dem er am Abend zuvor die zwei Touristen schwer verletzt hatte. Der 20-Jährige hatte die Auflage, sich regelmäßig bei den Beamten zu melden, unter anderem montags um 10 Uhr. Auch vor der Tat am Sonntag war er dort, ebenfalls um 10 Uhr. So steht es in den Auflagen, die der Syrer mit auf den Weg bekommen hatte, als er am 29. September die Jugendhaftanstalt Regis-Breitingen verlassen durfte.
Nur fünf Tage danach soll er hinter dem Kulturpalast die zwei Touristen angegriffen haben. (…)
Abdullah A. H. H. kam 2015 als Flüchtling nach Deutschland. Aufenthaltsstatus: geduldet. Seit dem Frühjahr 2016 habe sich der Syrer aus Aleppo immer mehr radikalisiert, warf ihm die Staatsanwaltschaft bereits bei einem Prozess im September 2018 vor. H. hatte sich damit beschäftigt, wie man einen Sprengstoffgürtel baut. Bei Facebook verwendete er Symbole der Terrormiliz „Islamischer Staat“. Er nannte sich eine „schlafende Zelle“ und interessierte sich für Schriften wie die „Rechtsleitende Kunde für Selbstmordattentäter“. Im November 2018 wurde er vom 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Dresden zu zwei Jahren und neun Monaten Jugendstrafe verurteilt.
Ende September wurde Abdullah A. H. H. aus dem Gefängnis entlassen und konnte sich wieder frei bewegen. Auch in Dresden, wo er schon zuvor gelebt hatte. Dabei war der Tatverdächtige offiziellen Angaben zufolge bereits während der Haft mehrmals aufgefallen. Er sei mehrmals Thema in Fallkonferenzen gewesen, sagte der Chef des Landeskriminalamtes (LKA), Petric Kleine, am Donnerstag. Der Verdächtige hatte Mitarbeiter der JVA angegriffen. So sei im Juli die Gefahr, dass der Mann erneut Straftaten begehen könnte, von Experten als hoch eingeschätzt worden.
(Aus dem Artikel „‚Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit‘“, der auf tagesspiegel.de erschienen ist.)