Kein anderes Land in Nordafrika war so stark von der Nazi-Besatzung betroffen – was natürlich besonders für die jüdische Gemeinde Tunesiens gilt.
Simon Yaish, Israel Hayom
Wenn man die Worte „Nazi-Besatzung“ hört, denkt man nicht sofort an Afrika. Das nationalsozialistische Regime erreichte jedoch den Norden des Kontinents, was schwerwiegende Auswirkungen auf Tunesien und insbesondere auf seine jüdische Gemeinde hatte. Während der sechsmonatigen Nazi-Besatzung wurden Tausende von tunesischen Juden in Arbeitslager geschickt und verloren ihr Leben durch Krankheiten oder durch Bombenangriffe der Alliierten, während sie für die Deutschen arbeiten mussten.
„Kein anderes Land in Nordafrika war so stark von der deutschen Besatzung betroffen [wie Tunesien], das zwischen November 1942 und Mai 1943 besetzt war“, sagte Professor Haim Saadoun, ein leitendes Fakultätsmitglied der Open University, gegenüber Israel Hayom. Saadoun ist auch Direktor des „Dokumentationszentrums der nordafrikanischen Juden während des Zweiten Weltkriegs“, das am Ben-Zvi-Institut eingerichtet wurde, um die Ereignisse des Holocaust im Maghreb zu dokumentieren.
Als Teil seiner Arbeit im Dokumentationszentrum möchte Saadoun das Bewusstsein für die Nazi-Gräuel in Tunesien schärfen. Sein Vater überlebte den Holocaust in Sfax, einer Stadt südöstlich von Tunis, und teilte seine Überlebensgeschichte nach vielen Jahren des Schweigens mit seinem Sohn. (…)
Die SS-Männer, die zusammen mit der deutschen Armee in dem nordafrikanischen Land eintrafen, waren, wie üblich, für den Umgang mit der lokalen jüdischen Bevölkerung zuständig. Der SS-Kommandant Walter Rauff, der auf die Vernichtung der osteuropäischen Juden in mobilen Gaskammern spezialisiert war, hatte die Befehlsgewalt. Rauff und seine Männer führten eine ähnliche Politik wie in Europa durch und richteten einen „Judenrat“ ein, durch den sie die Juden vor Ort kontrollierten.
„Die jüdische Gemeinde musste den Deutschen mindestens 5.000 junge Männer im Alter von 17-50 Jahren liefern, die als Arbeitskräfte in der deutschen Armee eingesetzt wurden“, sagt Saadoun. „Die Deutschen brauchten die Arbeitskräfte aus verschiedenen Gründen, und einige Juden wurden in Arbeitslagern festgehalten. Einige dieser Lager befanden sich an der Kriegsfront, und die Juden dort lebten unter harten Bedingungen und mussten schwere körperliche Arbeit verrichten.“
„Es gab 24 solcher Lager. Wir wissen nicht genau, wie viele Juden dort interniert waren, aber es waren Tausende. Die Deutschen haben in Tunesien keine Ausrottungspolitik betrieben. Es gab einzelne Fälle, in denen Juden getötet wurden, aber es war nicht systematisch. Viele starben jedoch in den Arbeitslagern”, erklärt Saadoun. (…)
„In einigen Städten in Tunesien mussten die Juden gelbe Aufnäher tragen, zum Beispiel in Sfax. Ihr Eigentum wie etwa Gebäude in jüdischem Besitz, wertvolle persönliche Habe und vieles mehr wurde von den Deutschen beschlagnahmt. Das war das erste Mal, dass die tunesischen Juden mit solch großen Schwierigkeiten konfrontiert wurden. So etwas hatten sie noch nie erlebt. Sie wussten nicht, wie lange es andauern würde. Es war eine schreckliche Zeit für sie“, erklärt Saadoun.
(Aus dem Artikel „The forgotten tragedy of Tunisian Jewry“, der bei Israel Hayom erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.)