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Türkei: Staat will Gold der Bürger

Juwelier in Ankara. (© imago images/Xinhua)
Juwelier in Ankara. (© imago images/Xinhua)

Bisherige Maßnahmen haben den Währungsverfall nicht bremsen können. Jetzt fordert die Türkei ihre Bürger auf, Gold in die Landeswährung umzutauschen.

Im Kampf gegen rasende Inflation und Währungsschwäche will die Türkei ihre Bürger dazu ermuntern, ihr »Gold unter der Matratze« hervorzuholen und in die Landeswährung Lira zu tauschen. Das sagte Finanzminister Nureddin Nebati am 8. Februar bei einer Pressekonferenz in London. Türkische Zeitungen wie die Hürriyet sowie die Londoner Financial Times berichteten darüber.

Die »Matratze« ist eine Metapher für jeglichen privaten Goldbesitz, ob in Bankschließfächern oder in der eigenen Wohnung. Laut dem Bericht von Hürriyet schätzt die türkische Regierung die Ersparnisse, die Türken in Gold halten, auf 5.000 Tonnen. Beim aktuellen Goldkurs beliefe sich der Marktwert des Goldes auf etwa 260 Mrd. Euro. Sollte die Zahl stimmen, besäßen die türkischen Bürger Goldvorräte, die, vergliche man sie mit dem Goldbesitz von Zentralbanken, gleich nach denen der USA auf Platz zwei kämen – noch vor den Goldreserven der Deutschen Bundesbank (3.400 Tonnen) und denen des Internationalen Währungsfonds (2.800 Tonnen).

In der Türkei soll es 30.000 Umtauschstellen geben, zum größten Teil wohl Juweliere, bei denen die Bürger ihr Gold gegen Lira eintauschen können. Das gesammelte Gold werde zu einer von fünf staatlichen Schmelzen gebracht, in Barren geschmolzen und anschließend zu den Reserven der türkischen Notenbank hinzugefügt.

Werden nun also 5.000 Tonnen Schmuck, Münzen etc. zu Barren geschmolzen? Wohl kaum. Abgesehen davon, dass es sich nur um eine Schätzung handelt, dürften viele türkische Besitzer von Goldschmuck nicht vorhaben, sich jemals davon zu trennen, sondern werden ihn irgendwann an ihre Kinder vererben. Und auch wer Goldmünzen oder -barren besitzt, wird wohl kaum zu bewegen sein, sie in Lira zu tauschen: Schließlich hatte er ja Gründe, warum er sein Vermögen außerhalb des Bank- und Währungssystems aufbewahrt – und die aktuelle wirtschaftliche Misere dürfte ihn nur in der Auffassung bestärken, richtig gehandelt zu haben.

Gold war in der Türkei schon zu Zeiten des Osmanischen Reichs populär. Ein wesentlicher Grund für das Sammeln von Gold war, dass die Untertanen damals eine Vermögensteuer zahlen mussten, deren Höhe davon abhing, was sie besaßen, wenn der Steuereintreiber kam. Gold konnte im Boden vergraben werden, um es vor dem Zugriff des Staates zu schützen. Wer in der Türkei Gold besitzt, tut das sicherlich auch heute noch oft aus einem ähnlichen Motiv: aus Misstrauen gegenüber dem Staat.

Erdogan findet keinen Weg aus der selbstverschuldeten Krise

Die offizielle Inflationsrate in der Türkei betrug im Januar 48,7 Prozent. Dafür gibt es zwar auch externe Ursachen – wie etwa steigende Öl- und Erdgaspreise –, der Hauptgrund, weswegen die Türkei viel schwerer getroffen ist als andere Länder, ist aber seit Jahren derselbe: Die türkische Notenbank ist der verlängerte Arm von Präsident Recep Tayyip Erdogan und hält auf dessen Wunsch die Leitzinsen niedrig. Frühere Notenbankgouverneure, die durch Anhebung der Zinsen die Inflation bekämpfen wollten, wurden von Erdogan gefeuert. Inmitten der Währungskrise hat die Notenbank den maßgeblichen Zinssatz für sehr kurzfristige Notenbankkredite an Banken seit September 2021 um fünf Prozentpunkte auf derzeit 14 Prozent gesenkt.

Liegen die Zinsen unter der Inflationsrate, wie das in der Türkei der Fall ist, ist eine Abwärtsspirale der Währung die zwangsläufige Folge: Denn dann lohnt es sich nicht, in dieser Währung zu sparen, wohl aber, sich in dieser Währung zu verschulden, um das geborgte Geld in Sachwerten oder ausländischer Währung anzulegen – oder eben in Gold. Später wird man den Kredit dann in entwertetem Geld zurückzahlen. Das ist ein einträgliches Geschäft. Einen Verlust würde man nur machen, wenn die türkische Lira wider Erwarten zu neuem Leben erwachen und an Wert gewinnen würde.

Der türkische Staat fördert derzeit mit seiner Geldpolitik also aktiv die Flucht aus der Währung. Daran soll sich nach dem Willen Erdogans auch nichts ändern. Stattdessen: Appelle an die patriotischen Gefühle seiner Landsleute.

Schon früher hatte die türkische Regierung die Bürger dazu aufgerufen, ihre Ersparnisse in Lira zu tauschen. Warum sollten sie es jetzt tun? Die Regierung glaubt, sich Ende letzten Jahres etwas Kluges ausgedacht zu haben: spezielle Konten, die vor Geldentwertung geschützt sein sollen. Fällt die Lira gegenüber dem Euro, dem US-Dollar oder einem Korb ausländischer Währungen, erhalten die Sparer den Verlust am Ende jeden Jahres erstattet.

Die Idee ähnelt Systemen mit festen Wechselkursen, wie es sie in den 1990er Jahren in Lateinamerika und Südostasien und bis vor einigen Jahren auch im Libanon gegeben hat. Solche Systeme funktionieren am besten, wenn sie nicht benötigt werden – und versagen in der Krise: Hat die Notenbank keine Reserven mehr, kann sie den Umtausch zum zugesagten Kurs auch nicht mehr vornehmen. Als dem Libanon 2019 die Dollars ausgingen, konnten die Bürger zunächst nur noch einen kleinen Teil ihrer Dollarguthaben zum offiziellen Umtauschkurs abheben, später dann gar nichts mehr. In der Türkei müssen die Besitzer vermeintlich »inflationsgeschützter« Konten befürchten, dass es bei dem zu erwartenden fortdauernden Wertschwund der Lira für den Staat schnell zu teuer werden wird, sein Versprechen eines Inflationsausgleichs zu erfüllen – und das auch nicht mehr tun.

Statt also ihr Gold in Lira zu tauschen, sind die türkischen Bürger besser beraten, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie ihr Gold noch besser verstecken können. Denn wenn der Staat an das Gold der Bürger will, aber mit gutem Zureden nicht weiterkommt, wird er in einem nächsten Schritt vielleicht die Peitsche holen und jeglichen privaten Goldbesitz für illegal erklären.

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