„Vor 15 Jahren, im März 2003, begann die militärische Intervention der Vereinigten Staaten im Irak. Sie führte zu Krieg und Chaos. In Syrien haben die Vereinigten Staaten 2011 dagegen nicht interveniert, als das Regime zu wackeln begann. Auch dies führte zu Krieg und Chaos. Die Medien haben die letzten anderthalb Jahrzehnte des bewaffneten Konflikts in der Levante ausschließlich als Folge des Scheiterns der US-amerikanischen Außenpolitik in der Region bewertet. Doch die Herangehensweise an Syrien war dem Vorgehen im Irak diametral entgegengesetzt. Dass der Ausgang dennoch der gleiche war, deutet darauf hin, dass in beiden Ländern etwas Grundlegenderes vorgeht, mit dem die Journalisten und Historiker sich erst noch auseinandersetzen müssen. Dabei handelt es sich um den Baathismus.
Das toxische Gemisch aus arabischem Nationalismus und Sozialismus à la Ostblock war in Syrien und im Irak von den 1960er Jahren an Jahrzehnte lang an der Macht. Die in der arabischen Welt einzigartigen Regime der Assad-Familie in Syrien und Saddam Husseins im Irak gründeten auf ihm. Der brutale Hobbessche Alptraum, der die Länder zwischen dem Mittelmeer und der iranischen Hochebene zu Beginn des 21. Jahrhunderts verwüstet hat, hat weniger mit George W. Bush und Barack Obama, sondern in erster Linie mit dem Baathismus zu tun. Je abstrakter und totalitärer die Ideologie, desto mehr Blut wird in der Regel nach deren Abwicklung vergossen. Das liegt daran, dass solche Ideologien, wenn der Führer gestürzt wird, keine vermittelnden Gesellschaftsschichten zwischen der Spitze des Regimes und dem Stamm bzw. der Großfamilie hinterlassen, die das Land zusammenhalten könnten.
Drei Jahre vor 9/11 interviewte ich 1998 in Beirut den bekannt Intellektuellen Elias Khoury. Mit Blick auf Syrien und den Irak erklärte er mir, dass ‚es diesen Regimen gelungen ist, nicht nur ihre Gesellschaften, sondern auch alle möglichen Alternativen zu ihrer eigenen Herrschaft zu zerstören. Da keine Alternative überlebensfähig ist, mag es nur die Wahl zwischen totaler Kontrolle und totalem Chaos geben.’ Khourys Weitsicht beruhte auf dem Wissen, dass Hafez al-Assad und Saddam Hussein ihre Jahrzehnte an der Macht genutzt hatten, um ausgedehnte Moukhabarat [Geheimdienst]-Strukturen zu entwickeln, die nur als Staaten maskiert waren. Ihre Völker waren Untertanen, nicht Bürger. Ethnische und sektiererische Spannungen wurden nicht durch positive wirtschaftliche und politische Maßnahmen abgemindert, sondern unterdrückt und so warteten sie nur darauf zu explodieren. Unter den Schutzschildern der Tyrannei herrschte totale Leere. Dass die Schaffung lebendiger, säkularer, über die ethnischen und sektiererischen Spannungen hinausgreifender Identitäten im Irak und in Syrien total gescheitert ist, liegt an der Baathistischen Ideologie. Ihr Würgegriff hat sich als tödlicher erwiesen, als der der gewöhnlichen bürgerlichen Diktaturen in Ägypten, Tunesien und anderen arabischen Ländern.“ (Robert D. Kaplan: „Baathism Caused the Chaos in Iraq and Syria“)