Im Westjordanland ermorden Terroristen eine siebzehnjährige Israelin. Eine Siedlerin sei sie gewesen, behaupten palästinensische Medien daraufhin. Einige deutsche Medien übernehmen diese Falschinformation. Das ist kein Zufall.
Rina Shnerb lebte in Lod, einer israelischen Stadt mit rund 75.000 Einwohnern, wenige Kilometer südlich vom Flughafen Ben Gurion. Sie wurde nur siebzehn Jahre alt, denn vor wenigen Tagen löschten Terroristen ihr Leben bei einem Anschlag aus. Rina war mit ihrem 46-jährigen Vater Eitan und ihrem 19-jährigen Bruder Dvir an der beliebten Ein-Bubin-Quelle in der Nähe von Dolev unterwegs, als eine ferngezündete Bombe explodierte. Die Jugendliche starb, ihr Vater und ihr Bruder wurden schwer verletzt.
Die Quelle und die israelische Siedlung Dolev liegen im Westjordanland, einige Kilometer nordwestlich von Jerusalem. Eine „Siedlerin“ sei das Mädchen gewesen und eine „Soldatin“, behaupteten deshalb palästinensische Medien, die auf diese Weise die tödliche Terrorattacke rechtfertigten: Rina Shnerb war kein harmloser Teenager, sollte das heißen, sondern eine Besatzerin, die auch noch in der israelischen Armee diente und deshalb ein legitimes Ziel darstellte.
Wie bei solchen Anschlägen üblich, feierten palästinensische Organisationen auch diesen Terrorangriff. Die PFLP etwa sprach von einer „heroischen Operation“ und vom „effektivsten Weg“, die „Siedlerinvasoren“ zu vertreiben. Die Hamas pries „den Variantenreichtum“ von „Kampf und Widerstand“ gegen die „Besatzung“, der „Waffen, Messer, Bomben und das Überfahren mit Autos“ umfasse. Der Islamische Jihad bezeichnete die mörderische Attacke als „natürliche Antwort auf die Verbrechen, die von den israelischen Besatzungstruppen und Siedlerbanden gegen unser Volk, unser Land und unsere Heiligtümer begangen werden“. Und Mahmud Abbas, der nicht mehr demokratisch legitimierte Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, sagte zum Anschlag: gar nichts. Er lehnte es ab, die terroristische Ermordung von Rina Shnerb zu verurteilen.
Sind diese immer gleichen Reaktionen schon widerwärtig genug, so kommt auch noch hinzu, dass die Behauptungen palästinensischer Medien über das Opfer schlicht falsch sind. Lod, der Geburts- und Wohnort von Rina Shnerb, ist keine israelische Siedlung in der Westbank, sondern eine Stadt im israelischen Kernland. Zudem war Rina keine Soldatin, denn dafür war sie noch zu jung.
Mag sein, dass diese Medien es nicht besser wussten, ihnen die Falschinformationen jedoch zupass kamen, weil sie die Unwahrheit von der bewaffneten Besatzerin zu stützen schienen. Womöglich haben sie sie aber auch selbst erfunden oder sind einfach der absurden Logik gefolgt, nach der ganz Israel eine illegale Siedlung ist und kein Existenzrecht hat. Die palästinensische Nachrichtenagentur Ma’an berief sich auf „israelische Medien“, doch die hatten Rina Shnerb weder als Siedlerin noch als Soldatin bezeichnet.
Wäre der Mord an einer „Siedlerin“ etwa weniger verwerflich?
„Wenn Fehler in einer Meldung besser zum Narrativ passen als die umständliche und widersprüchliche Realität, setzt sich bei[m Thema] Israel oft das Narrativ gegen die Fakten durch. Die Tatsachen werden gleichsam vom Narrativ überschrieben“, twitterte der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen, Volker Beck. Er bezog sich dabei allerdings nicht auf die palästinensische Berichterstattung, sondern auf die deutsche.
In dieser nämlich tauchte die Falschbehauptung, die Ermordete sei die Bewohnerin einer israelischen Siedlung gewesen, ebenfalls auf: in der Süddeutschen Zeitung beispielsweise und beim Deutschlandfunk, der eine Agenturmeldung übernahm. Beide berichtigten ihren Fehler später und wiesen zudem auf die Korrektur hin. Aus der „Siedlerfamilie“ (SZ) wurde die „Familie aus Israel“, aus der „Siedlerin“ (DLF) die „Israelin“.
Dass es überhaupt zu dem Fehler kam, verweist auf ein grundsätzliches Problem: Warum hält man es auch in deutschen Medien für unbedingt erwähnenswert, dass ein Mordopfer (angeblich) aus einer israelischen Ortschaft in der Westbank stammt? Hat es dann eine Mitschuld an seiner Ermordung? Ist der Mord weniger verwerflich, vielleicht sogar verständlich? War das Opfer ein legitimes Ziel?
Das würde zwar vermutlich kaum ein Journalist ernsthaft bejahen, aber letztlich ist genau das die inhärente Logik dieser Hervorhebung. „Siedler“ oder „Siedlerin“, „Siedlerfamilie“, „Siedlerkinder“ – das soll klingen wie „Besatzer“, „Landräuber“ und „Unterdrücker“. Jedwede Form von Gewalt gegen sie erscheint dann als mindestens nachvollziehbar, wenn nicht gar als rechtmäßig.
Der palästinensischen Propaganda auf den Leim gegangen
Damit aber geht man der palästinensischen Propaganda auf den Leim, die genau diesen Standpunkt vertritt, um Terror zu rechtfertigen. Und die zusätzlich falsche Angaben verbreitet, um ihre Propaganda zu untermauern. So wurde aus einer Jugendlichen aus dem israelischen Kernland, die bei einem touristischen Ausflug von einer Bombe zerfetzt wurde, eine „Siedlerin“, die im Westjordanland nichts zu suchen haben soll.
Und deutsche Medien übernahmen diese Propaganda, der sie offenbar mehr glaubten als israelischen Medienberichten. Eben weil, wie Volker Beck schrieb, der Fehler besser zum antiisraelischen „Narrativ“ passte als die Realität, setzte sich das „Narrativ“ einmal mehr gegen die Wirklichkeit durch.
So funktioniert die Dämonisierung Israels und damit der israelbezogene Antisemitismus, der sich genauso scheinrational gibt wie jede andere Form des Antisemitismus auch: Ob es nun die angebliche Verwendung des Blutes christlicher Kinder beim Backen der Matze ist, das angebliche Beherrschen von Politik, Banken und Presse oder eben die angebliche Unterwerfung des Nahen Ostens, insbesondere der Palästinenser, durch Landraub und Krieg… Anlässe, sein Ressentiment gegen Juden als berechtigte Kritik oder gar als alternativlose Notwehr auszugeben, fabriziert sich der Antisemit seit jeher mit großem Aufwand.
Das ist ein zu heftiger Vorwand gegenüber seriösen Medien? Nun, Falschinformationen wie jene zu Rina Shnerb und die Hervorhebung einer vermeintlich unverzichtbaren Eigenschaft zum Zwecke der Stigmatisierung bringt nur in Umlauf, wer den Israelis alles zutraut. Daran, dass das geschieht, sind jedoch nicht die Israelis schuld.