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Die Islamisten und der Koran

Eines der am öftesten und seit den Anschlägen von Paris wieder vermehrt zu hörende Argumente in der Diskussionen über den Islamischen Staat lautet, der IS habe nichts mit dem Islam zu tun. Mögen die Ideologen des Terrors ihre Taten auch noch so oft mit Verweisen auf den Koran zu legitimieren versuchen, mit islamischer Theologie und Geschichte habe all das nichts gemein. Fuat Sanac etwa, der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, klagte am vergangenen Freitag: „Wir können 1000 Mal sagen, dass diese Verrückten nichts mit dem Islam zu tun haben, dennoch müssen wir uns andauernd verteidigen und rechtfertigen.“ (Presse, 20. Nov. 2015) Könnte es vielleicht daran liegen, dass die Behauptung eben auch beim 1001. Mal nicht richtiger wird? Matthias Küntzel bringt auf den Punkt, warum Aussagen wie von Sanac absurd sind: „Das maßgebliche Buch, das die übergreifende Ideologie all dieser Kräfte [d. h. Islamischer Staat, Iran, Hisbollah, Hamas etc. Anm. MENA] entfaltet, ist der Koran. Nicht jeder Muslim, der sich auf den Koran bezieht, ist Islamist. Aber jeder Islamist bezieht sich auf den Koran.“

Mormon

Bernard Haykel, Professor für Nahost-Studien an der Princeton University, kritisierte die gebetsmühlenhaft vorgetragene Argumentation, die IS-Gewalt stehe nicht auf dem Boden des Islam, kürzlich in einem Presse-Interview als bemerkenswerte Realitätsverleugnung. Konfrontiert mit der These, der islamistische Terror habe nichts mit Religion zu tun, führte er aus:

„Die Leute können denken, was sie denken wollen. Aber der IS begründet seine Handlungen mit Bezügen auf kanonische islamische Texte und auf die belegte islamische Geschichte. Wenn jemand sagen möchte, dass das nichts mit dem Islam zu tun hat, ist das eine Meinung; eine interessante Meinung. Ich glaube nicht, dass der IS ihr zustimmen würde. … Der IS ist eine politische Bewegung mit einer religiösen ideologischen Einfassung. Er vertritt nicht die muslimische Mehrheitsmeinung, aber das allein bedeutet nicht, dass er nicht in einer religiösen Erzählung, in religiösen Texten und in religiöser Geschichte wurzelt.“

Ednan Aslan, Professor für islamische Religionspädagogik an der Universität Wien, kann dem nur zustimmen: „Die Anschläge waren für mich keine Überraschung, denn Gewalt steht nicht im Widerspruch zur islamischen Theologie. Diese gängige, klassische Theologie will diese Gewalt. Zu sagen, das alles habe mit dem Islam nichts zu tun und diese Terroristen seien keine Muslime, ist nicht wahr.“ (Salzburger Nachrichten, 18. Nov. 2015)

Dass Gewalt und Frömmlertum der Religion per se fremd seien, wie es viele derer behaupten, die sich angesichts der Anschläge von Paris erst einmal um das Ansehen des Islam Sorgen machen, ist angesichts der Weltgeschichte eine mehr als erstaunliche Aussage. Aus dem Satz, dass alle Islamisten Moslems sind, folgt eben nicht, dass alle Moslems Islamisten seien. Nur wer diese Differenzierung nicht zu machen gewillt ist, weil er die Religion prinzipiell für sakrosankt erklären will, muss die Ausflucht bemühen, Islamisten hätten nichts mit dem Islam zu tun und ihre Bezugnahme auf den Koran und den Propheten sei lediglich vordergründiger Natur.

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