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Die iranischen Juden in Zeiten des Protetsts

„Sowie die Nachrichten von den Protesten in den sozialen Medien zu zirkulieren begannen, begann ich mich um einen direkten Kontakt zu meinen jüdischen Freunden im Iran zu bemühen. Ich suchte auf unseren üblichen Kanälen nach ihnen, verschlüsselt und hinter VPNs versteckt. Als ich einen von ihnen endlich erreichte, fielen mir zunächst die Worte eines Gebets ein. Ich versicherte ihm, wir seien, der geographischen Entfernung und verschiedenen Firewalls zum Trotz, miteinander verbunden. Doch sobald ich auf ‚Senden’ gedrückt hatte, wurde mir klar, wie nutz- und hilflos meine Worte waren, jetzt das es ums Ganze ging.

Mein Freund berichtete mir, sie seien sicher. Das Regime wisse, dass Juden sich an diese Protesten nicht beteiligen, dass sie sich niemals auf einen Konflikt oder eine Auseinandersetzung einließen und sich an keiner Revolution, keinem Aufstand gegen den Ayatollah beteiligen würden. Für einen Außenseiter mag das nach Feigheit oder gar nach Zustimmung [zum Regime] klingen. Doch wenn man weiß, was die Juden unter diesem Regime durchgemacht haben, leuchtet diese Reaktion ein. Es gibt keine Alternative.

Was ich über die iranischen Juden gelernt habe ist, dass ihre Freiheit an Bedingungen geknüpft ist. Sie leben ein einigermaßen sicheres Leben, doch innerhalb eines goldenen Käfigs, in dem Minderheiten verwahrt werden, um den Nachweis antreten zu können, man sei eine tolerante Gesellschaft. Dabei sind sie der Unterdrückung und den Bedingungen eines unberechenbaren Regimes ausgesetzt. In mancher Hinsicht ist das Leben der Juden im Iran sicherer als das nichtjüdischer Iraner. Doch hängt diese Sicherheit von einem Abkommen ab, von dem alle Beteiligten wissen, dass es jederzeit hinfällig werden könnte. (…)

Bedenkt man, dass die Sicherheitslage der jüdischen Bevölkerung des Iran so prekär ist und dass sie eine unterdrückte Minderheit innerhalb einer unterdrückten Mehrheit darstellt, ist es verständlich, dass sie sich an den Protesten nicht beteiligen wird. Über ihre Sehnsucht nach Freiheit und ihre Gegnerschaft zum Regime sagt das gar nichts aus. Um Freude oder Erleichterung verspüren zu können, haben sie allzu oft erlebt, wie Funken der Hoffnung wieder ausgetreten wurden.

Wie es in einem post-islamischen Staat um sie bestellt sein würde, ist unklar. Ein derartiger Staat könnte ihnen durchaus gefährlich werden. Im Moment werden sie als Alibi, als scheinbares Symbol einer in Wirklichkeit nicht existierenden religiösen und gesellschaftlichen Freiheit gebraucht, insofern sind sie für das Regime von Nutzen.

Vor vierzig Jahren, als die letzte Revolution alles veränderte, verließen mindestens 70.000 Juden den Iran, nachdem man sie beschuldigt hatte, ein verräterisches Bündnis mit dem Schah eingegangen zu sein. Wessen mag man sie beschuldigen, falls der Ayatollah gestürzt wird? Wird eine neue Führung weise genug sein einzusehen, dass der Schutz, den die iranischen Juden in der Islamischen Republik genossen, einer Erpressung gleichkam, dass es sich um eine Freiheit in Gefangenschaft handelte? Oder werden die iranischen Juden wiederum um eines Bündnisses willen verteufelt werden, das sie niemals willentlich eingegangen sind?“ (Annika: Hernroth-Rothstein: „Iranian Jews in a time of protest“)

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