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Die Eskalation entlang des Gazastreifens – Waffenstillstand und wie weiter?

Die Eskalation entlang des Gazastreifens – Waffenstillstand und wie weiter?Vergangenes Wochenende wurden rund 700 Raketen aus dem Gazastreifen nach Israel abgefeuert. Obwohl der Iron Dome einen Großteil der Raketen, die auf bevölkerte Regionen abzielten, abgefangen hat, kamen dennoch vier Israelis ums Leben und Dutzende wurden verletzt. Im Gegenzug hat Israel hunderte Stützpunkte der Hamas und des Islamischen Dschihad im Gazastreifen angegriffen, wodurch 23 PalästinenserInnen ums Leben kamen, darunter zwei schwangere Frauen, sowie ebenfalls dutzende Palästinenser verletzt wurden. Schulen wurden in großen Teilen des Südens in Israel für Sonntag abgesagt.

Obwohl diese Gewaltepisoden zwischen Israel und der Hamas zu allgemeinem Bedauern keine ungewöhnlichen Ereignisse sind, kommt diese Auseinandersetzung zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Hamas besonders viele Konzessionen von Seiten Israels erwartet. Die Hamas ist sich dessen bewusst, dass das Timing für Israel besonders empfindlich ist, da nicht nur der Gedenktag für die gefallenen Israelischen Soldaten und Opfer des Terrorismus (Jom haSikaron) sowie der Tag der Unabhängigkeit auf diese Woche fallen, sondern auch der Eurovision Song Contest ab 14. Mai in Tel Aviv stattfindet.

Unter diesen Umständen erhofft sich die Hamas weitreichende Zugeständnisse von Seiten Israels in Bezug auf die Aufhebung bzw. Lockerung der Blockade, die 2007 als Reaktion auf die Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen verhängt wurde. In den vergangenen Monaten haben Israel und die Hamas, mit Hilfe Ägyptens, über einen langfristigen Waffenstillstand verhandelt, in Zuge dessen Israel zustimmte, den Transport von Waren in den Gazastreifen zu erleichtern und großräumige Infrastrukturprojekte zu erlauben. Der Hamas ging die Umsetzung dieses Waffenstillstandes zu langsam, wodurch sie die derzeitige Eskalation rechtfertigt.

Premierminister Benjamin Netanjahu hat Sonntagmorgen angekündigt, dass Israel den Raketenbeschuss weiterhin mit „massiven Anschlägen gegen Terrorelemente im Gazastreifen“ erwidern wird. Dementsprechend griff Israel im Laufe des Sonntags 320 Stützpunkte der Hamas und des Islamischen Dschihad an, darunter unterirdische Tunnel, Waffenproduktionsstätten und Raketenstartplätze. Netanjahu kam jedoch in den vergangenen Jahren immer wieder unter Kritik dafür, den Gemeinden im Süden Israels nicht ausreichend Schutz bieten zu können. Vor den Wahlen am 9. April haben dutzende Bewohner des Südens am Rothschild Boulevard in Tel Aviv aus Protest gegen Netanjahus Politik Zelte aufgeschlagen um eine einfache, jedoch klare Nachricht zu senden: „Uns reicht’s!“

Netanjahus Kritiker warfen ihm auch diesmal vor, die Situation nicht ausreichend im Griff zu haben. Oppositionsführer und früherer Generalstabschef der israelischen Armee, Benny Gantz, betonte in einem Interview mit Fernsehsender Reshet 13, dass Israel im Gazastreifen kompromisslos handeln muss, um die, laut ihm, verlorene Macht der Abschreckung wiederzuerlangen. Knesset-Abgeordneter der Blau-Weißen Fraktion, Ofer Shelah, warf Netanjahu vor, die Gemeinden des Südens im Stich zu lassen.

Den Raketenbeschuss dieses Wochenende bezog die Hamas auch auf den Eurovision Songcontest, der ab Mitte Mai in Tel Aviv stattfinden soll: „Der Eurovision Songcontest darf nicht in Tel Aviv stattfinden, so lange in Gaza keine Linderung der Blockade stattgefunden hat (…) Es kann nicht sein das sie in Tel Aviv singen und Spaß haben, während wir hier leiden“. Ohne Zweifel erhofft sich die Hamas mit einer Eskalation zu diesem Zeitpunkt besonders viele Zugeständnisse von Seiten Israels, da nun die Augen der internationalen Gemeinschaft insbesondere auf letztere gerichtet sind.

Waffenstillstand in den frühen Morgenstunden

Die Eskalation entlang des Gazastreifens – Waffenstillstand und wie weiter?In der Nacht von Sonntag auf Montag einigten sich Israel und die Hamas zuletzt auf einen Waffenstillstand mit Hilfe der Vermittlung Ägypten. Dieser ist mit 4:30 früh in Kraft getreten und verpflichtet Israel, die zuletzt vereinbarten Bedingungen der Lockerung der Blockade umzusetzen. Israel hatte dieses Übereinkommen zwar Montagfrüh noch nicht bestätigt, hat jedoch alle Einschränkungen für die Bevölkerung im Grenzgebiet mit Gaza aufgehoben.

Was dieser Waffenstillstand zeigt ist, dass weder Israel noch die Hamas derzeit ein Interesse daran haben, Krieg zu führen. Die Hamas wählte den Zeitpunkt dieser Eskalation strategisch, da Israel so kurz vor dem Eurovision Songcontest kaum eine weitgreifende Gewaltwelle zugelassen hätte und offener für eine Kompromissfindung war. Zugespitzt könnte man sagen, dass die Hamas mit dieser Eskalation schlicht und einfach die Einhaltung eines bereits bestehenden Waffenstillstandsabkommens erreicht hat, was jedoch sowohl Israelis und Palästinenser mit ihrem Leben bezahlen mussten.

Die Frage, die sich stellt, ist, ob man diese Ausschreitungen verhindern hätte können, da im Endeffekt nur der davor bestehende Status-Quo wiederhergestellt wurde. Stimmen aus dem israelischen Militärestablishment hatten bereits letzte Woche gewarnt, dass eine Eskalation wahrscheinlich sei, sollte Israel keine Konzessionen gegenüber der Hamas machen. Während man Israel hier Untätigkeit vorwerfen könnte, oder argumentieren könnte, dass Israel eine Chance verpasst hat, den Waffenstillstand aufrechtzuerhalten, darf man nicht in die Falle tappen, skrupellose Gewalt gegen Zivilisten von Seiten einer anerkannten Terrororganisation zu rechtfertigen.

Bis zum nächsten Mal

Die Eskalation entlang des Gazastreifens – Waffenstillstand und wie weiter?Ein Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas ist ohnehin bestenfalls eine mittelfristige Lösung. Wie es nach solchen Eskalationen meistens der Fall ist, stimmt Israel einer Linderung der Blockade im Gegenzug für eine Waffenruhe zu. Eine nachhaltige politische Lösung, welche zukünftige Eskalationen vermeiden würde, ist dabei jedoch nicht einmal annährend auf dem Tisch. Ein Grund dafür ist nicht zuletzt der Konflikt zwischen der Hamas und Fatah, der zu einer faktischen Teilung der Palästinensischen Autonomiebehörde geführt hat, womit für Israel kein einheitlicher Verhandlungspartner auf palästinensischer Seite vorhanden ist. Jedwede Vereinbarung mit einer der beiden Seiten würde mit hoher Wahrscheinlichkeit von der anderen abgelehnt werden.

Nicht zu vernachlässigen ist außerdem die Tatsache, dass Hamas schlicht und einfach nicht an einer nachhaltigen Lösung interessiert ist. Hamas sowie andere militante Gruppierungen im Gazastreifen hegen einen tiefsitzenden Hass gegenüber Israel und solange der jüdische Staat existiert, werden diese Gruppen seine Bekämpfung mit allen Mitteln anstreben. Dies zeigt sich darin, dass sich die Hamas in der Vergangenheit nie als vertrauenswürdiger Partner erwiesen hat und humanitäre Hilfe immer wieder für Terrorzwecke ausgenutzt hat. Die prekäre humanitäre Lage der eigenen Bevölkerung ist dabei keineswegs eine Motivation, Frieden mit Israel anzustreben – oder auch nur den Bau einer Hochspannungsleitung durch den verhassten jüdischen Staat zu akzeptieren.

Wie sich dieses Wochenende gezeigt hat, versuchen Hamas & Co. Konzessionen mit brutalen Raketenbeschüssen zu erzielen. Solange der Gazastreifen von einer militanten Terrororganisation kontrolliert wird, deren einzige Machtlegitimation das periodische Kräftemessen mit Israel ist, werden nicht nur die dramatische humanitäre Situation der lokalen Bevölkerung, sondern auch weitere gewalttätige Auseinandersetzungen mit Israel in der Zukunft Schlagzeilen in internationalen Medien machen. Wer den Gordischen Knoten, der sich aus diesen Umständen ergibt, durchschlagen wird können, ist zu diesem Zeitpunkt unklar.

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