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Die Beziehungen zu menschenverachtenden Regimen neu aufstellen

Sehr geehrter Herr Koller,

zu Recht kritisieren Sie, dass das Auswechseln des Vizegeneralsekretärs des König-Abdullah-Zentrums nichts am menschenverachtenden Charakter des saudi-arabischen Regimes ändert. Besser, so meinen Sie, wäre es, die „zivilisierte Welt“ würde ihre Beziehungen zu derartigen Ländern „neu aufstellen“. Wie der Blick auf ein anderes Land in der Region zeigt, findet genau das gerade statt.

Der Abschluss des Wiener Abkommens, das dem iranischen Regime bei Beibehaltung von dessen kompletter nuklearer Infrastruktur dank der Aufhebung der Wirtschaftssanktionen Dutzende Milliarden Dollar in die Kassen spülen wird, hat nichts daran geändert, dass im Iran religiöse Minderheiten wie die Bahai systematisch verfolgt werden; dass er jegliche Opposition im eigenen Land, wie nach den Präsidentschaftswahlen 2009, notfalls mit brutaler Gewalt unterdrückt; dass die ohnehin schon erschreckende Zahl an Hinrichtungen sich unter dem vermeintlich moderaten Präsidenten Rohani noch einmal drastisch erhöht hat (87 Menschen wurden im vergangenen Jahr in Saudi-Arabien exekutiert, rund 800 waren es dagegen im Iran); dass der Iran nach wie vor der wichtigste staatliche Terrorunterstützer weltweit ist; dass das iranische Regime tatkräftig die Länder der Region unterminiert und bereits in vier arabischen Hauptstädten (Beirut, Damaskus, Bagdad und Sana) das Sagen hat; und dass dieses Regime nach wie vor zur Vernichtung Israels aufruft – erst kürzlich hat der oberste geistliche Führer Khamenei ein über 400 Seiten starkes Buch veröffentlicht, in dem er detailliert darlegt, wie die Auslöschung des jüdischen Staates vonstatten zu gehen habe.

Nichtsdestotrotz kann Bundespräsident Fischer es gar nicht abwarten, den Mullahs in Teheran als erster westlicher Staatschef seit langer Zeit die Aufwartung zu machen, hat ein wahrer Wettlauf westlicher Firmen um lukrative Geschäfte mit dem Iran eingesetzt, ist der Glaube weitverbreitet, ausgerechnet das iranische Regime könne ein Partner im Kampf gegen den Terror sein, und wird allerorten darüber gejubelt, dass der Iran mit dem Wiener Abkommen endlich aus der Schmuddelecke der Weltpolitik geholt worden sei, obwohl sich am Charakter der theokratischen Diktatur nicht das Geringste geändert hat. Wie Sie sehen, ist die „zivilisierte Welt“ also gerade im Begriff, ihre Beziehungen zu diesem menschenverachtenden Regime neu aufzustellen. Allerdings beschleicht mich die Vermutung, dass Sie ihre Forderung anders gemeint haben könnten…

Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Florian Markl
Medienbeobachtungsstelle Naher Osten (MENA)

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