Von Florian Markl
Am 21. Februar 1970 explodierte in einer Maschine der Swiss Air eine Bombe; das Flugzeug stürzte ab, alle 47 Menschen an Bord kamen ums Leben. Wie die Neue Zürcher Zeitung unlängst berichtete, gehörte das Attentat zu einer Reihe von Anschlägen, mit der palästinensische Terroristen politische Unterstützung durch die Schweiz erzwingen wollten – und die, wie jetzt aufgedeckt wurde, zum Abschluss eines geheimen „Stillhalteabkommen“ führte. Völlig in Vergessenheit geraten ist, dass am selben Tag auch ein österreichisches Flugzeug Ziel eines Bombenanschlages wurde. Nur großem Glück war zu verdanken, dass eine ähnliche Katastrophe wie im schweizerischen Würenlingen ausblieb.
Flug OS 402
Austrian Airlines-Fluges OS 402 befand sich zum Zeitpunkt der Explosion auf dem Weg von Frankfurt nach Wien. An Bord befanden sich 33 Passagiere sowie fünf Besatzungsmitglieder. Die Bombe befand sich im Laderaum des Flugzeuges in einem Postsack, der in Wien in einen Flug nach Israel umgeladen werden sollte. Der Sprengsatz war an ein Barometer angeschlossen und explodierte, als OS 402 eine Flughöhe von knapp 3000 Metern erreichte. Den Piloten gelang nach einer Umkehr die Notlandung am Frankfurter Flughafen.
Die herbeigeeilten Rettungs- und Sicherheitskräfte stellten fest, dass die Explosion ein fünfzig mal achtzig Zentimeter großes Loch in den Rumpf der Maschine gesprengt hatte. Eine sofort eingeleitete gründliche Durchsuchung förderte keine weiteren Sprengsätze zutage. Da die Passagierkabine und der Laderaum gut voneinander isoliert waren, wurde den Passagieren erst nach der Notlandung bewusst, was vorgefallen war.
Titelseite der Kronen Zeitung, 22. Februar 1970
Ein Augenzeuge schilderte der Arbeiter Zeitung, wie er die Explosion erlebt hatte: „Es war eigentlich gar nicht so schlimm. Wir hörten plötzlich einen lauten Knall und sahen dünne Rauchschwaden durch die Kabine ziehen. Die Hostess erklärte unmittelbar darauf über die Bordsprechanlage, dass ein technischer Schaden aufgetreten sei … Wir nahmen das ohne besondere Aufregung zur Kenntnis. Erst nach dem Aussteigen in Frankfurt erfuhren wir, was eigentlich passiert war.“
Noch am selben Tag meldete sich in Beirut ein Sprecher der „Popular Front for the Liberation of Palestine – General Command“ zu Wort und übernahm im Namen der PFLP-GC die Verantwortung für die Anschläge. Neben dem eigenen Bekenntnis zur Tat wurde insbesondere die im Vergleich zu anderen Anschlägen technisch weitaus ausgereiftere Bauart der Bomben als Beleg für die Verantwortung der Gruppierung unter Führung von Ahmed Jibril gesehen.
Ermittlungen, aber keine Prozesse
Die polizeilichen Ermittlungen in Deutschland ergaben, dass das Paket mit der Bombe an Bord des AUA-Fluges in einem Postamt in Frankfurt als „Wertpaket“ aufgegeben worden war. Es sollte einen Wecker enthalten und war an ein Geschäft in Jerusalem adressiert. Die Untersuchungsbehörden hielten es für wahrscheinlich, dass der Anschlag gar nicht das österreichische Flugzeug treffen hätte sollen, denn am gleichen Tag ging auch noch eine El Al-Maschine von Frankfurt nach Tel Aviv. Die Attentäter wären demnach davon ausgegangen, dass die Post nach Israel sich darin befinden würde, und hätten darauf gehofft, ein israelisches Flugzeug in die Luft zu sprengen.
Die beiden Männer, die das Paket in Frankfurt aufgegeben hatten, konnten von der Polizei schnell identifiziert werden. Wie sich herausstellte, hatte einer der beiden, der 29jährige jordanische Staatsbürger Sofian Radi Quaddoumi, einige Zeit in Deutschland und zu Beginn der sechziger Jahre auch ein Jahr lang in Wien gelebt. Seiner ehemaligen Vermieterin zufolge hatte er hier Deutsch studiert und sich darüber hinaus als „politischer Fanatiker“ hervorgetan.
Nachdem bekannt wurde, dass der zweite Verdächtige, der ebenfalls mit jordanischem Pass reisende Mousa Jawher, unmittelbar nach Aufgabe der Paketbombe nach Kairo geflogen war, konzentrierte sich die Fahndung ganz auf Quaddoumi, von dem vermutet wurde, dass er in einem Auto in Deutschland oder Österreich unterwegs war. Beim Wiener Sicherheitsbüro meldeten sich mehrere Personen, die Quaddoumi in Wien gesehen haben wollten. Es handelte sich jedoch um Gerüchte, die keiner Überprüfung standhielten. Tags darauf soll er in Deutschland gesichtet worden sein, was die Kronen Zeitung zu einer Überschrift motivierte, die zwar reißerisch klang („Attentäter hat keine Chance“), sich aber als falsch herausstellte. Wieder ein paar Tage später kursierte die Meldung, Quaddoumi könnte sich bei seiner Frau befinden, über deren Aufenthaltsort aber nicht mehr bekannt war, als dass sie in Österreich leben sollte.
Allen Fahndungsanstrengungen zum Trotz konnte Quaddoumi nicht gefasst werden. Stattdessen wurden in Frankfurt zwei Männer festgenommen, die der Mittäterschaft beim Anschlag auf das AUA-Flugzeug verdächtigt wurden. Bei einem der beiden handelte es sich vermutlich um den Mitbewohner aus Quaddoumis Zeit in Wien. Er soll den Höhenmesser gekauft haben, der die Zündung der Bombe ausgelöst hatte, und auch auf andere Weise an den Vorbereitungen des Anschlags beteiligt gewesen sein. Dennoch scheint es weder in Österreich noch in Deutschland jemals zu einem Prozess oder gar einer Verurteilung gekommen zu sein.
In Vergessenheit geraten
Dass der Anschlag auf OS 402 hierzulande beinahe völlig in Vergessenheit geraten ist, ist sicherlich vor allem darauf zurückzuführen, dass die Bombenexplosion die AUA-Maschine nicht zum Absturz brachte, was mit großer Wahrscheinlichkeit den Tod aller 38 Personen an Bord zur Folge gehabt hätte. Bei aller Alarmiertheit konnte sich so ein Gefühl des Gerade-noch-einmal-davongekommen-Seins einstellen. Diese wurde zusätzlich durch die oben beschriebene Vermutung genährt, dass es sich bei der ganzen Sache um eine Verwechslung gehandelt habe und eigentlich das „falsche“ Flugzeug getroffen worden sei.
Die Hoffnung, gewissermaßen nur irrtümlich ins Fadenkreuz geraten zu sein, erwies sich alsbald als unbegründet. Der Versuch, den AUA-Flug zum Absturz zu bringen, war nur die erste direkte Konfrontation Österreichs mit palästinensischem Terrorismus, der in den kommenden Jahren noch etliche weitere folgten – von aus Österreich versendeten Briefbomben über die Geiselnahme in Marchegg im 1973, den OPEC-Anschlag 1975 und den Synagogen-Anschlag 1978 bis zu den mörderischen Attentaten der Abu-Nidal-Gruppe in den 1980er Jahren.