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Die arabische Welt beginnt, ihre Juden wieder willkommen zu heißen

Hanukkah 2020: Eine Menorah in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten
Eine Hannukha-Menorah in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Dezember 2020 (Quelle: Chabad Lubavitch / CC BY 2.0)

In jüngster Zeit gibt es in etlichen arabischen Staaten Bestrebungen, die Beziehungen zu ihren ehemaligen jüdischen Bewohnern und deren Nachkommen zu normalisieren.

Es mag überraschen, wo einige der jüdischen Familien gestrandet sind, die im Verlauf des Jahres 2021 von den mit dem Iran verbündeten Huthi-Milizen aus dem Jemen vertrieben worden sind.

Yusuf Hamdi und seine Familie, die in einer gemeinsamen Aktion der Vereinten Nationen, den USA, Katars und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) gerettet worden waren, reisten nicht wie ursprünglich geplant nach Israel weiter, sondern wurden zu den ersten jemenitischen Juden, die sich in den VAE niederließen.

Es waren die VAE selbst, die der Familie eine Reihe von Anreizen bot, um sie zum Bleiben zu überreden: eine mietfreie Villa, ein luxuriöses Auto und einen monatlichen Scheck. All das ist Teil der Bemühungen der Emirate, eine neue jüdische Gemeinde auf seinem Territorium aufzubauen.

Seit die Regierung der VAE das Jahr 2019 zum »Jahr der Toleranz« erklärt und die Existenz einer jüdischen Gemeinde anerkannt hat, sind ein neues koscheres Restaurant sowie ein jüdisches Gemeindezentrum entstanden. Die Eröffnung einer staatlich finanzierten Synagoge soll noch in diesem Jahr erfolgen.

»Die Juden sind zurück im Nahen Osten«, meint der irakische Jude Edwin Shuker, der nach Großbritannien geflüchtet war und sich vergangenes Jahr entschlossen hat, sich in Dubai niederzulassen. Diese Entwicklung betrifft nicht nur die Golfemirate – auch Länder wie Marokko entdecken ihr jüdisches Erbe neu und heißen die Rückkehr von Juden willkommen.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass der (pan-)arabische Nationalismus an Attraktivität verloren hat, womit auch der israelisch-palästinensische Konflikt in den Hintergrund getreten ist und in der Region nicht mehr als Priorität angesehen wird. Dazu wird der Experte für Syriens jüdische Diaspora, Kamal Alam, von der Wochenzeitung The Economist folgendermaßen zitiert:

»Die arabische Welt hat zu viele Probleme, als dass sie sich immer noch um Palästina kümmern würde. Stattdessen blickt sie neidvoll auf Israel als Modell, wie man auch ohne Öl ein Land erfolgreich führen kann.«

Nachdem die arabischen Herrscher nach der Gründung Israels ihre jüdischen Bewohner verfolgt und vertrieben hatten, setzte in den vergangenen Jahren ein Sinneswandel ein. Statt in Israel einen Gegner zu sehen, wird das Land vielmehr als potenzieller Handels- und Wirtschaftspartner und als Verbündeter gegen die Bedrohung durch den Iran wahrgenommen.

Selbst in Ländern wie Ägypten mit seiner Muslimbruderschaft oder im wahhabitischen Saudi-Arabien werden konservativen Klerikern, die von den überkommenen antisemitischen Predigten nicht lassen können, vermehrt Beschränkungen auferlegt. Und auch im Irak fand kürzlich eine – wenn auch angefeindete – Konferenz statt, auf der offen für einen Frieden mit Israel geworben wurde.

Antisemitische Darstellungen werden seit Neuestem aus Schulbüchern entfernt; verständnisvolle Darstellungen von Juden tauchen auf einmal in arabischen Filmen und Fernsehsendungen auf; Dokumentationen beschäftigen sich mit den jüdischen Wurzeln in der Region; ja, sogar Institute für jüdische Geschichte an Universitäten werden gegründet.

Der stattfindende Wandel ist so groß, dass es in der arabischen Welt kaum Proteste gab, als Bahrain, Marokko, der Sudan und die VAE im Rahmen des Abraham-Abkommens ihre Beziehungen mit Israel normalisierten.

Und Saudi-Arabien hat zwar noch nicht offiziell Frieden mit dem jüdischen Staat geschlossen, nimmt aber gemeinsam mit ihm an Militärübungen teil und lässt den israelischen Präsidenten seinen Luftraum benützen.

Diese Entwicklung geht Hand in Hand mit dem Modernisierungsprojekt des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, der das Land für Wirtschaftsinvestitionen und den Tourismus öffnen möchte.

Zum Unwillen konservativer Kleriker finanziert der De-facto-Herrscher des Landes sogar archäologische Grabungen an ehemals jüdischen Stätten, um sein Land für jüdische Touristen attraktiv zu machen. Ein Israeli durfte kürzlich sogar ein Luxushotel in der saudischen Oasenstadt al-ʿUla eröffnen.

All das veranlasste den saudischen Bestsellerautor Sultan al-Mousa, der einen Roman über die jüdische Revolte gegen das Römische Imperium verfasst hatte, zu den im Economist zitierten positiven Worten:

»Bald stehen die Saudis den Juden näher als den Palästinensern und Libanesen.«

Auch die Regierung von Abdel-Fattah al-Sisi in Ägypten setzt jüdische Friedhöfe instand und hat die einstmals größte Synagoge im Nahen Osten renoviert. Während auch hier die Frage gestellt wird, wie ernst solche Aktionen gemeint sind und ob sie nicht vielmehr das westliche Ausland im Auge haben, ist die Motivation anderswo völlig eindeutig.

So beginnt Syriens Diktator Bashar al-Assad nämlich damit, Synagogen zu renovieren. Diese Anstrengungen sind als Teil seines Versuchs anzusehen, syrische Juden in New York anzusprechen und sie dadurch zu motivieren, die Rückkehr seines Regimes auf die internationale Bühne zu unterstützen. David Lesch von der Trinity University in Texas charakterisiert diese Versuche mit folgenden Worten:

»Syrien sucht Kontakt mit seinen jüdischen Exilanten, um so sein Image als Schutzmacht für verfolgte Minderheiten aufzupolieren. Das Regime sucht den Anschluss an Gemeinschaften, die ihm, zu einer Zeit, in der es keinerlei Einfluss in Washington hat, möglicherweise ein politisches Druckmittel in die Hand geben könnten.«

Auch auf Israel und die dort lebenden Juden mit Wurzeln in arabischen Ländern (Mizrahim) hat diese Entwicklung ihren Einfluss. Mittlerweile reisen viele von ihnen für einen Wochenendausflug nach Dubai. Doch auch »die israelische Kultur erlebt eine Arabisierung«, wie es Liel Maghen ausdrückt, der Leiter des Centre for Regional Initiatives in Jerusalem.

Aber die Angst, dass Juden in einem Backlash der Bevölkerung gegen die immer noch autoritären Herrscher der arabischen Staaten erneut zu Opfern werden könnten, ist noch immer real und keineswegs ausgeräumt.

Die stattfindende Entwicklung in Ländern wie Marokko deutet jedoch an, dass die Verbesserung der Beziehungen nicht bloß temporär, sondern langfristig andauern könnte. Juden mit marokkanischer Herkunft ist es mittlerweile möglich, ihre Staatsbürgerschaft zurückzuerhalten, was Rabbi Avraham Moyal zu den Freudenworten veranlasste: »Wir haben das Tabu gebrochen.«

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