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Die Antisemiten rufen nicht mehr „dreckiger Jude“, sondern „dreckiger Zionist“

Die Antisemiten rufen nicht mehr „dreckiger Jude“, sondern „dreckiger Zionist“
Der Philosoph Alain Finkielkraut wird von Gelbwesten antisemitisch attackiert.

„Als der französische Philosoph Alain Finkielkraut vergangene Woche von einigen französischen Gelbwesten angegriffen wurde, schwiegen viele Linke. Vor allem jene, die sich öffentlich als Fürsprecher der Gelbwesten hervorgetan hatten oder sich gar an die Spitze der Bewegung setzen wollten, sagten nichts oder warnten vor einer Instrumentalisierung des Antisemitismus. Thomas Guénolé, Politikwissenschaftler und Mitglied in Jean Luc Mélenchons linker Partei La France Insoumise wurde konkreter: Alain Finkielkraut habe jahrelang Hass in Frankreich verbreitet und in Anbetracht dessen werde er nicht so weit gehen, ihn zu bemitleiden. (…)

Nun, die Angreifer haben nicht ‚Reaktionärer‘ oder ‚Rassist‘ oder ‚Scheißkapitalist‘ oder so was gerufen, also etwas, was sich auf eine tatsächliche oder nur vermeintliche politische Gesinnung Finkielkrauts bezogen hätte, sondern sie riefen etwas ganz anderes: ‚Dreckiger Zionist‘, ‚Geh zurück nach Tel Aviv!‘, ‚Das Volk wird dich bestrafen‘, ‚Frankreich gehört uns‘. (…)

Die neuen Antisemiten rufen nicht mehr ‚dreckiger Jude‘, sondern ‚dreckiger Zionist‘, und die individuell wie geopolitisch souveränitätsfixierte Linke will gar zu oft sogar das noch als legitime anti­imperialistische oder antikoloniale Israelkritik verstanden wissen, der sie wie einem Hobby mit viel Leidenschaft nachgeht. Umso mehr, seitdem die neue Rechte den Trick anwendet, israelsolidarisch zu sein, bloß um noch heftiger ihrem 19.-Jahrhundert-Antisemitismus frönen zu können.

Diesem Trick sitzt auch die US-amerikanische Philosophin ­Judith Butler auf, die repräsentativ ist für eine Linke, die überall Rassismus und nirgends Antisemitismus wittert. In dem gerade erschienenen, sehr lesenswerten Sammelband ‚Neuer Antisemitismus‘ (Suhrkamp), herausgegeben von Doron Rabinovici, Natan Sznaider und Christian Heilbronn, erneuert Judith Butler, die bekanntlich Hamas und Hisbollah für linke Organisationen hält, ihre Israelkritik als quasi befreierischen Akt sowie ihr Engagement für die BDS-Kampagne, die nicht auf die Bürger, sondern die Institutionen ziele, wie Butler die Leser*in aufklärt. Das wäre dann die historisch erste Boykottaktion dieser Art, hoffentlich hat Butler wenigstens ein paar Assistenten, die notie­ren, wenn mal wieder irgendwo israelische Künstler*innen und Wissenschaftler*innen ausgeladen werden.

Butlers Text ist von politischer Dummheit, ahistorischer Neigung und moralischem Vokabular geprägt. (…) Geht es um Israel, greift die Dekonstruktivistin Butler gar zu den Kategorien Volk, Rasse und Wahrheit. Nur die israelische Entmilitarisierung und Entkolonisierung würden aus dem ‚Albtraum‘ in Nahost herausführen, dabei kommt in ihrem Albtraum der Antisemitismus der arabischen Welt nicht einmal vor, zumindest ist davon nicht mit einem Wort die Rede.

Wer so viel apolitische Moral im Gepäck hat, subsumiert alle Ungerechtigkeit unter ‚weiße Vorherrschaft‘ und kann andererseits den Antisemitismus lediglich als ‚bösartige Form von Rassismus‘ definieren.“ (Tania Martini: „Das strafende Volk“)

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