Der ORF über die Suche nach verschleppten Israelis: Einseitiger als üblich

Sehr geehrte ZiB24 -Redaktion,

bei dem am Dienstag von Oliver Dötzl gestalteten ZIB24-Beitrag über die Suche nach den drei bei Hebron entführten israelischen Jugendlichen kann von Ausgewogenheit, Objektivität und Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht keine Rede sein. So hat Dötzl völlig einseitig massive palästinensische Vorwürfe wiedergegeben, ohne auch nur einem israelischen Vertreter die Möglichkeit einzuräumen, zu den Anschuldigungen Stellung zu nehmen oder die israelische Position darzulegen. Damit aber nicht genug: Weil der in Rede stehende Beitrag noch weit einseitiger war, als dies bei der Berichterstattung über Israel leider ohnehin oft der Fall ist, und er darüber hinaus von Verzerrungen, Auslassungen und faktischen Fehlern nur so strotzte, erlauben wir uns, Punkt für Punkt darauf einzugehen.

„Israelis und Palästinenser schlittern in den nächsten Konflikt. Um Hebron suchen 3000 israelische Soldaten nach drei vermissten Siedlern und stellen fast 800.000 Menschen unter Hausarrest.“

Nun „schlittern“ Israelis und Palästinenser nicht aus heiterem Himmel in den nächsten Konflikt, sondern die momentane Situation ist das Ergebnis der von der islamistischen Terrorgruppe Hamas immer wieder gepriesenen und in der Vergangenheit bereits erprobten Strategie, Israelis zu entführen, um palästinensische Gefangene freizupressen. Die durch das israelische Militär durchgeführte Suche ist die unmittelbare Antwort auf diese Entführung und dient hoffentlich dazu, die israelischen Jugendlichen wiederzufinden und ihre Verschleppung vom Westjordanland in den Gazastreifen zu verhindern.

Während Lisa Gadenstätter in der Anmoderation noch von „verschwundenen Jugendlichen“ und „Religionsschülern“ sprach, mutierten die drei Entführungsopfer in Dötzls Beitrag zu „vermissten Siedlern“. Zieht man in Betracht, welch pejorativen Beigeschmack der Begriff Siedler hierzulande besitzt, insinuiert Dötzl mit dieser Formulierung, dass die Entführung zwar vielleicht unschön, aber irgendwie doch verständlich sei – wenn nicht gar die Opfer selbst ein Teil der Schuld treffe, weil sie als  „Siedler“ im Westjordanland ohnehin eigentlich nichts zu suchen gehabt hätten. Wen interessiert es da noch, dass zwei der drei Entführten gar nicht in der Westbank, sondern diesseits der sogenannten „Grünen Linie“ in Israel leben und die Bezeichnung „Siedler“ auf sie gar nicht zutrifft?

Wie Dötzl selbst sagte, konzentrierten sich die Suchaktionen der israelischen Armee auf den Raum Hebron. Doch weder leben in diesem Gebiet 800.000 Menschen, noch stehen diese Menschen unter „Hausarrest“: Das ist einfach eine Erfindung Dötzls.

„Die Zugänge zur Stadt sind blockiert, Häuser werden scheinbar wahllos durchsucht, fast 400 Palästinenser bisher verhaftet. [Assad Abu Nassar, LKW-Fahrer, Hebron:] ‚Für uns in Hebron ist das furchtbar. Wir sind diese Form der kollektiven Bestrafung nicht gewohnt. Heute haben sie mich nicht einmal aus der Stadt gelassen.‘“

Die Suche nach den Jugendlichen hat mit Sicherheit Auswirkungen auf die Bewegungsfreiheit der palästinensischen Bevölkerung in den betroffenen Gebieten im Allgemeinen und den Autoverkehr im Besonderen: Es soll verhindert werden, dass die Entführten aus dem Westjordanland in andere Gegenden, den Gazastreifen beispielsweise, verschleppt werden. Die Unannehmlichkeiten, die solche Einschränkungen bedeuten, sind jedoch keineswegs gleichbedeutend mit „kollektiver Bestrafung“, welche, wie Rechtsexperten darlegen, erst dann vorliegen würde, wenn Polizei- oder Militäraktionen allein mit der Absicht durchgeführt würden, die Zivilbevölkerung zu schikanieren. „Rounding up suspects, or potential witnesses, is not punishment, but rather rudimentary investigative process”, führt etwa der Professor für Internationales Recht Eugene Kontorovich aus. „Especially when the crime is thought to be committed by a complex terror organization, the number of potential witnesses is high. There is no evidence whatsoever that the Palestinians are being rounded up just to get back at Palestinians, without any regard to their having potentially useful information.”

Die israelische Armee geht im Zuge ihrer Suchaktion gezielt gegen die terroristische Infrastruktur der Hamas vor. Bei den rund 400 Palästinensern, die bislang festgenommen wurden, handelt es sich nicht, wie die Formulierung Dötzls es nahelegt, um wahllos herausgegriffene Unschuldige, sondern zum Großteil um Hamas-Aktivisten – darunter 50 jener Terroristen, die 2011 durch die Geiselnahme Gilad Shalits seitens der Hamas freigepresst und von Mahmud Abbas als Helden begrüßt und gefeiert wurden.

„Furchtbar die Situation auch für die Eltern der Schüler, eine der Mütter bittet heute die UNO um Hilfe. [Rachel Frenkel, Mutter eines Vermissten]: ‚Hat nicht jedes Kind das Recht, sicher von der Schule nach Hause zu kommen? Wir wollen unsere Kinder wieder zu Hause haben und sie umarmen.‘ Den Umarmer spielt vorerst Israels Premier Netanjahu: Trost für die Eltern, Peitsche für die Hamas. Nicht wenige vermuten, Netanjahu geht es nicht so sehr um die Teenager, als vielmehr um politisches Kleingeld.“

Wenn Premier Netanjahu versucht, den Angehörigen der Verschleppten Trost zu spenden, könnte das Empathie und Mitgefühl auslösen. Bei Dötzl ist das offenbar anders. Er stellt es so dar, als ob die Entführung Netanjahu durchaus gelegen käme, um sich als starker Mann und „Hardliner“ profilieren zu können. Nicht nur ist diese Mutmaßung Dötzls nicht weit entfernt von den Verschwörungstheorien des Außenministers der Palästinensischen Autonomiebehörde, der Israel beschuldigte, die Entführung bloß vorgetäuscht zu haben, um die Palästinenser in einem schlechten Licht dastehen zu lassen und sich selbst als Opfer statt als Aggressor zu präsentieren. „Nicht wenigen“ scheint es laut Dötzl plausibel, dass der Premier des jüdischen Staates aus dem Leid der Entführten und ihrer Familien „politisches Kleingeld“ schlagen wolle. Dass diese „nicht wenigen“ entlang des antisemitischen Klischees argumentieren, dass die Juden noch von ihrer Verfolgung profitierten – 42% der österreichischen Bevölkerung sind etwa der Meinung, „die Juden“ würden die Erinnerung an den Holocaust für ihre Zwecke ausnutzen –, ist eine Sache. Eine andere ist, was für eine seltsame Vorstellung von israelischer Politik dahintersteckt, wenn Dötzl davon ausgeht, dass die Entführung minderjähriger israelischer Schüler sowie das bisherige Scheitern der Armee, sie zu finden und ihre Entführer dingfest zu machen, dazu angetan sein sollen, das „Starke-Mann-Image“ des Premiers zu befördern?

„Die Armee in Hebron, Luftschläge im Gazastreifen, einmal mehr kann sich der Regierungschef als Hardliner präsentieren, einen Keil zwischen die neue Einheitsregierung, zwischen Hamas und Fatah treiben, auch wenn die mit dem Fall nichts zu tun haben will. [Mahmud Abbas, Palästinenserpräsident:] ‚Israel benutzt diese vermeintliche Entführung, um unsere Städte zu zerstören. Aber wir hoffen, die Kinder werden bald gefunden. Wir töten niemanden kaltblütig.‘“

Die israelischen Luftangriffe auf Ziele im Gazastreifen standen in keinem direkten Zusammenhang mit der Suchaktion im Westjordanland, sondern waren eine Reaktion auf Raketenangriffe aus dem Gazastreifen – über 200 Raketen wurden allein dieses Jahr bereits auf Israel abgefeuert. (Mit gravierenden Folgen nicht nur für die israelische Zivilbevölkerung sondern auch für die Palästinenser: Just bei einem der Raketenangriffe der letzten Tage, die Dötzl in seinem Bericht verschweigt, wurde ein dreijähriges Kind in Gaza von einer fehlgeleiteten Rakete palästinensischer Terroristen getötet, ohne dass dies von österreichischen Medien zur Kenntnis genommen worden wäre.)

Bei der von Dötzl wiedergegebenen Behauptung von Mahmud Abbas, dass Israel gerade palästinensische Städte „zerstören“ würde, handelt es sich um eine reine Lüge. Natürlich spricht nichts dagegen, über derartig haltlose palästinensische Anschuldigungen zu berichten. Wer diese aber nicht mit der Realität konfrontiert, macht sich zum Sprachrohr der palästinensischen Propaganda und erweist seinem Publikum einen schlechten Dienst.

Bemerkenswert ist auch die auffällige Unausgewogenheit, die Dötzls Darstellung charakterisiert: Während er Netanjahu als herzlosen Machtpolitiker beschreibt, der bloß persönlichen Vorteil aus dem Leid der Eltern schlagen wolle, wird Abbas als ein um Frieden bemühter Führer präsentiert, dem nichts mehr am Herzen liege, als die Unversehrtheit der vermissten israelischen Kinder. Nun ist es durchaus so, dass Abbas die Entführung kritisiert hat, wofür ihm Netanjahu auch seine Anerkennung ausgesprochen hat. Doch ist es genau jener Abbas, der sich in Dötzls Bericht Sorgen um die verschleppten Israelis macht, der sich ansonsten geradezu darin überschlägt, Terroristen mit Blut an den Händen als Volkshelden zu feiern und deren Morde an Israelis als Glanzstücke des palästinensischen Freiheitskampfes zu preisen. Seine Begrüßung der gegen Gilad Shalit ausgetauschten Gewalttäter war bei weitem nicht das einzige Beispiel dafür: Auch die Freilassung palästinensischer Terroristen im Zuge der jüngst gescheiterten Friedensverhandlungen mit Israel nutzte Abbas dazu, um die Fortsetzung des Kampfes zu proklamieren, bis auch noch der letzte palästinensische Terrorist aus israelischen Gefängnissen entlassen sei. Dem palästinensischen Autor Mudar Zahran ist nur zuzustimmen, wenn er über diese Heuchelei schreibt: „Ironically, the PA is claiming no responsibility for the kidnappings, however you cannot be running TV, newspapers and social media encouraging terror and the murdering of Jews and then claim that you are innocent when acts of terror happen.“

Wenn Dötzl Abbas mit der Aussage: „Wir töten niemanden kaltblütig“ zu Wort kommen lässt, so hätte er vielleicht auch darauf hinweisen können, dass es die Palästinensische Autonomiebehörde ist, die kaltblütigen Mördern von Israelis eine staatliche Rente bezahlt und Plätze, Schulen und öffentliche Einrichtungen nach ihnen benennt. Unter den von Israel im letzten Jahr Freigelassenen, denen solche Ehren zuteilwurden, war unter anderem jener Mann, der einen 67jährigen Holocaust-Überlebenden mit einer Axt erschlagen hat. Und nur vier Tage nach der Entführung der israelischen Teenager veröffentlichte Abbas‘ Fatah auf ihrer offiziellen Facebookseite ein Video, in dem sie den Israelis ankündigte: „Stop and consider, sons of Zion, that death is near … All you’ll get from us is death. Stop and consider a thousand times that a revolution sparks with a flame. Fatah is like a rock, whose soldiers love to fight.“

„Doch im Westjordanland kocht der Zorn bereits: Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und den israelischen Besatzern. Ein Volk unter Generalverdacht: das führt zu Gewalt. Ohnehin plagt sich die Armee bisher ohne Erfolg auf der Suche durch umkämpftes Gelände. Erneut scheint sich nur eines zu beweisen. Geht es um den Machterhalt, geht es mit den Friedensbemühungen bergab.“

In der Abschlusssequenz des Berichts führt Dötzl nun die haltlose Behauptung an, dass Israel einen „Generalverdacht“ ausspreche, macht sich also den zuvor vom interviewten palästinensischen LKW-Fahrer vorgebrachten Vorwurf einer „kollektiven Bestrafung“ zu eigen und äußert so Verständnis für die gegen israelische Sicherheitskräfte ausgeübte Gewalt: Wer verstünde es schließlich nicht, wenn sich ein Volk gegen ein ebenso willkürliches wie gezielt diskriminierendes Vorgehen einer gewalttätigen Besatzungsmacht zur Wehr setzte? Die Realität sieht freilich anders aus: Das Vorgehen der israelischen Armee richtet sich keineswegs gegen ein ganzes „Volk unter Generalverdacht“, sondern zielt, bei allen Unannehmlichkeiten, die dies für die Zivilbevölkerung mit sich bringt, auf das Terrornetzwerk der Hamas – was von jedem begrüßt werden müsste, dem etwas an einem israelisch-palästinensischen Frieden gelegen ist.

Mit den von Dötzl angesprochenen „Friedensbemühungen“ ging es nicht erst jetzt bergab, sondern diese waren spätestens ad acta gelegt worden, als die Fatah die Bildung einer Einheitsregierung mit der islamistischen Terrororganisation Hamas beschloss. Was Dötzl mit der abschließenden Bemerkung über den „Machterhalt“ sagen wollte, kann wahrscheinlich nur er erklären. Vielleicht ging es ja nur darum, seinen Bericht mit einer tiefgründig und irgendwie kritisch klingenden Floskel zu beschließen. Es war jedenfalls ein würdiger Abschluss für einen äußerst fragwürdigen Beitrag.

Mit freundlichen Grüßen;
Mag. Alexander Gruber
Medienbeobachtungsstelle Naher Osten (MENA)

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