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Der iranische Botschafter lädt zu einem Tanzabend in Jerusalem

Kunstprojekt: Iranische Botschaft Jerusalem (Quelle: Facebook)

Noch nie in der Geschichte gab es eine Botschaft in Teheran oder in Tel Aviv, die das jeweils andere Land repräsentierte. Auch wenn der Iran Israel nie offiziell als politischen Partner anerkannte, bestand zu Zeiten Reza Shah Pahlavis ein reger diplomatischer Austausch zwischen den beiden Ländern. Dieser setzte jedoch mit der Islamischen Revolution unter Ayatollah Khomeini aus.

Seit 1979 wurden alle Beziehungen auf wirtschaftlicher, diplomatischer und kultureller Ebene abgebrochen, wodurch es sowohl für Israelis als auch für Iraner unmöglich ist, das jeweils andere Land zu bereisen. Aufgrund des stark ausgeprägten, institutionalisierten Antisemitismus, der seitdem integraler Teil der iranischen Staatsdoktrin ist, ist es auch für Israelis mit Doppelstaatsbürgerschaft zu gefährlich, in den Iran zu fahren. Die Grenzen sind somit geschlossen und jede Art des Dialogs und Austausches verhindert. Dies bedeutet auch, dass es für zahlreiche Jüdinnen und Juden, die ihr Heimatland im Zuge der Revolution verlassen mussten, unmöglich ist, wieder zurückzukehren. Somit zerbrachen durch die islamische Revolution nicht nur politische, sondern auch emotionale und persönliche Verbindungen.

Im Dezember 2015 wurden jedoch die iranische und die israelische Flagge nebeneinander gehisst und die erste „iranische Botschaft“ in Jerusalem eröffnet. Das Projekt wurde von einer Gruppe in Israels Hauptstadt lebender Künstler ins Leben gerufen: Das Hamabul-Kollektiv setzt sich aus sozialkritischen Kunstschaffenden zusammen und versucht mit Hilfe von performativer Kunst auf sozio-politische Missstände in der Gesellschaft aufmerksam zu machen. Seine iranische Botschaft will es dabei als Symbol für eine Möglichkeit des Austausches und des Dialogs verstanden wissen, wie Pinkas Matan erklärte, ein Filmemacher und Mitglied des Kollektivs, der sich selbst zum iranischen Botschafter in Israel ernannte: „In dieser Botschaft werden wir einen Dialog zwischen unseren Völkern führen, der nicht von den Massenmedien und Regierungen dominiert wird. Wir wollen das Wesen einer Botschaft verändern, indem wir die Kultur vertreten und nicht die Regierungen.“

Matan steht in Solidarität mit den Protestierenden im Iran und denen, die täglich durch politischen Widerstand ihr Leben riskieren. Vor allem sind es Frauen, die im Iran von sozialer Ungleichheit betroffen sind und durch die Revolution unter den Schleier gezwungen wurden. Auf Initiative der im Exil lebenden Journalistin und Aktivistin Masih Alinejad wurde eine Kampagne ins Leben gerufen, die Frauen im Iran zum Widerstand motiviert und dazu, ihr Kopftuch an öffentlichen Orten abzunehmen und Selfies davon im Internet zu veröffentlichen. Zahlreiche dieser Frauen wurden festgenommen, gefoltert und zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Der iranische Botschafter lädt zu einem Tanzabend in JerusalemUm an all jene mutigen Frauen zu erinnern, lud der selbsternannte Botschafter letzten Dienstag zu einem persischen Tanzabend ein, der von drei Tänzerinnen gestaltet wurde. Nach einer Rede Matans, eröffnete eine junge Iranerin den Abend. Soma Mos studiert im Zuge eines Stipendiums in Tel Aviv „Gaga“ – eine experimentelle Tanzrichtung, die in Israel von Ohad Naharin entwickelt wurde. Die freie Art des Tanzes hilft, emotionale Spannungen zu lösen und selbst erlebte Traumata verstehen zu lernen. Im Iran ist Tanz wie jegliche nichtreligiöse Art von Kunst verboten, wodurch eine lebendige Untergrundbewegung entstand. Partys, Drogen und Techno-Raves finden in Teheran genauso statt wie in Tel Aviv, nur dass sie im Iran illegal sind und mit enormen Strafen geahndet werden. Das Internet ist zensuriert und so fand die Iranerin erst nach ihrer Flucht in Berlin heraus, dass die Art, wie sie hinter verschlossener Zimmertüre zu tanzen gewohnt war, einen Namen trägt: Gaga – erfunden in Israel. Heute lebt Soma Mos in Tel Aviv ihren Traum als Tänzerin in Freiheit.

Iris Dalesh und Mor Geffen hingegen zeigten in ihren Beiträgen die traditionelle Art des persischen Tanzes. Mor legt in ihrer Arbeit einen stärkeren Fokus auf die Vermischung persischer Tanzkultur mit beispielsweise indischem Tanz und entwickelte so eine einzigartige Fusion mehrerer Stilrichtungen. Iris versucht indessen, den klassischen persischen Tanz in Israel zu verbreiten, um so die persische Kultur für die israelische Gesellschaft sichtbar zu machen, die durch das iranische Bedrohungsszenario in den Hintergrund gerät. Bei der Frage an das Publikum, was mit dem Iran assoziiert wird, lautete denn auch die erste Antwort verständlicherweise „Terror“. Gegen diese Angst eine Utopie des Friedens und der Freiheit zu schaffen, ist das erklärte Ziel von Hamabuls „iranischer Botschaft“ in Jerusalem. Um diese Utopie auch Wirklichkeit werden lassen, müsste es jedoch zu einem Regime Change in Teheran kommen.

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