Der Iran-Deal im US-Wahlkampf

Von Florian Markl

clinton-trumpNach acht Jahren im Amt steht die Obama-Administration vor einem außenpolitischen Trümmerhaufen. Die völlige Strategielosigkeit im Syrien-Konflikt ist nur das sichtbarste Zeichen eines Scheiterns, dessen Konsequenzen im Nahen Osten noch jahrzehntelang spürbar sein werden. Um diese desaströse Bilanz ein wenig aufzubessern, verweisen die Demokraten unter der ehemaligen Außenministerin Hillary Clinton gerne auf das einzige, das sie glauben, als Erfolg verkaufen zu können: den Iran-Deal vom Juli 2015. Was sie darüber behaupten, stellt allerdings unter Beweis, dass Donald Trump keineswegs der einzige Kandidat ist, der mit der Wahrheit eine eher offene Beziehung führt.


„The Nuclear“

Im ersten Fernsehduell der Spitzenkandidaten wurde der Iran-Deal vom republikanischen Herausforderer als eines der schlechtesten Abkommen bezeichnet, das in der Geschichte von welchem Land auch immer jemals unterzeichnet worden sei. „Der Deal mit dem Iran wird zu nuklearen Problemen führen. Sie brauchen sich nur zehn Jahre zurücklehnen und müssen gar nicht viel machen. Und sie werden am Ende nuklear werden.“ „The Nuclear“ sei das „größte Problem der Welt“.

Hillary Clinton gab sich demgegenüber selbstbewusst. Sie habe hart an dem Sanktions-Regime gearbeitet, das den Iran zurück an den Verhandlungstisch gezwungen habe. Dort sei ein Abkommen vereinbart worden, das dem iranischen Atomprogramm einen „Deckel“ aufgesetzt habe – und all das, „ohne einen einzigen Schuss abzufeuern“.

Dass dieser „Deckel“ sich nur auf einige Aspekte des Atomprogramms im engeren Sinne bezieht – das iranische Raketenprogramm etwa bleibt völlig unberührt –, der „Deckel“ darüber hinaus mit einem Ablaufdatum versehen wurde und es danach kaum mehr Handhabe geben wird, um die nukleare Aufrüstung des iranischen Regimes verhindern zu können, ließ Clinton lieber unerwähnt. In diesem Punkt hatte Trump mit seiner Kritik Recht, auch wenn die für ihn typische, an die sprachliche Kompetenz und inhaltliche Stringenz eines Achtjährigen erinnernde Ausdrucksweise dafür sorgte, seine an sich richtigen Einwände weitgehend zu entkräften.


Tim Kaines Verteidigung des Deals

Clinton verteidigte zwar den Iran-Deal, enthielt sich dabei aber grober Unwahrheiten. Das kann von ihrem Running Mate, dem Senatsabgeordneten und ehemaligen Gouverneur von Virginia, Tim Kaine, nicht behauptet werden. Er stach in der Debatte der Vize-Präsidentschaftskandidaten am Dienstag nicht nur durch seinen aggressiven, beinahe an Trump erinnernden Diskussionsstil hervor, sondern nicht zuletzt auch durch seine falschen Behauptungen über den Iran-Deal.

pence-kaineIn mehreren Anläufen versuchte er, das Abkommen als großen außenpolitischen Erfolg der Obama-Administration zu präsentieren, zu dem Hillary Clinton als Außenministerin einen großen Beitrag geleistet habe. Damit nicht genug, behauptete er zuerst, Clinton habe „harte Verhandlungen mit anderen Nationen auf der ganzen Welt geführt, um das iranische Nuklearwaffenprogramm zu eliminieren, ohne einen Schuss abzufeuern“. Das klang zwar ähnlich wie das, was Clinton in ihrer Debatte mit Trump gesagt hatte, doch es gab einen wesentlichen Unterschied: Kaine sprach nicht wie sie von einer „Deckelung“ des Atomprogramms, sondern verstieg sich zu der Behauptung, dieses sei „gestoppt“ beziehungsweise „eliminiert“ worden, was auch von der Spitze des israelischen Militärs so gesehen werde.


Grobe Irreführung

Nichts davon ist zutreffend: Das iranische Atomprogramm ist weit davon entfernt, durch den Iran-Deal „gestoppt“ worden zu sein, und auch von einer „Eliminierung“ des Atomwaffenprogramms kann keine Rede sein – im besten Fall kann von einer Verzögerung von zehn bis fünfzehn Jahren gesprochen werden, nach der das iranische Regime freilich weit besser und deutlich gestärkt dastehen wird, als es das vor Abschluss des Atomabkommens war. Kaines Bezug auf den israelischen Generalstabschef Eisenkot war zudem, wie Mena Watch-Gastautorin Emily Landau feststellte, eine schwerwiegend verzerrende Darstellung von dessen tatsächlichen Aussagen. Eisenkot erkenne an,

„dass der Deal Israel fünf Jahre einer strategischen Atempause verschafft, weil der Iran alle Vorteile der Sanktionsaufhebung auskosten will. Aber er betonte auch, dass Israel weiterhin besorgt darüber ist, was in 15 Jahren geschehen wird, da sich an den iranischen Atomwaffen-Ambitionen, die eng mit seinen regionalen Interessen verbunden sind, nichts geändert hat.“

Die falsche Wiedergabe von Eisenkots Stellungnahme ist Landau zufolge nur der letzte einer Reihe von Versuchen, den Iran-Deal unter irreführenden Bezügen auf israelische Stimmen der amerikanischen Bevölkerung schmackhaft zu machen. The Algemeiner zitiert den Vertreter einer amerikanisch-jüdischen Organisation, der Landaus Einschätzung zustimmt:

„Das spricht Bände. Der wirkliche Deal, wie er nun einmal ist, kann nicht verteidigt werden, weswegen Leute, die es trotzdem versuchen, dabei enden, die Öffentlichkeit über den Deal selbst und über diejenigen, die ihn angeblich befürworten, in die Irre zu führen.“

Kein Wunder, dass die Fact-Checker von abc NEWS Kaines Behauptungen über das Atomabkommen und dessen angebliche Wirkung schlicht als „falsch“ charakterisieren.

Kaine folgte darin der Obama-Administration, die bisher keinerlei Skrupel zeigte, der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen, um das Abkommen mit dem iranischen Regime zu preisen, das dessen Atomprogramm nicht „gestoppt“, und schon gar nicht „eliminiert“ hat. Dass ein irrlichternder, narzisstischer Charakter wie Donald Trump tatsächlich Präsidentschaftskandidat werden konnte, ist erschreckend. Dass jemand wie Tim Kaine, der eklatante Unwahrheiten über den Iran-Deal verbreitet, Vize-Präsident unter Hillary Clinton werden könnte, sollte aber ebenso Grund zur Sorge sein.

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