Wassermangel: Irak trocknet aus

Zur Landflucht gezwungen: Dorf im kurdischen Nordirak
Zur Landflucht gezwungen: Dorf im kurdischen Nordirak (Quelle: Thomas von der Osten-Sacken)

Ausgerechnet dem Irak, einst das Wasserreservoir der Region und unter dem Namen Zweistromland bekannt, könnte in wenigen Jahren das Wasser ausgehen.

In einem ihrer letzten Klimaberichte warnte die UNO nachdrücklich, dass von den globalen Veränderungen ganz besonders Ostafrika und die MENA-Region betroffen seien: Sollte nicht in Kürze der globale CO2-Ausstoß drastisch reduziert werden, hätten die beiden Regionen mit ganz besonders verheerenden Folgen zu kämpfen.

Schon jetzt sind diese Veränderungen deutlich zu sehen und zu spüren: Bereits im April wurde etwa der Irak von mehreren Staubstürmen heimgesucht. In der Hauptstadt Bagdad war die Luft so schlecht, dass unzählige Menschen wegen Atemnot hospitalisiert werden mussten und einige sogar starben. Tagelang war der Flugverkehr lahmgelegt.

Derweil herrschten im Land Temperaturen, wie sie früher zu Sommerbeginn üblich waren. Im nordirakischen Sulaymaniyah stieg Mitte April das Thermometer auf fast 35 Grad Celsius, bislang auch blieb der für diese Jahreszeit übliche Frühjahrsregen aus. Experten zufolge erwärmen sich der Irak und Iran bis zu siebenmal schneller als andere Regionen der Welt.

Zu den Folgen des globalen Klimawandels kommen Dutzende hausgemachte Probleme hinzu: Wasser- und Energieverschwendung, die mit der rasanten Urbanisierung einhergehen, und exzessives Abpumpen des Grundwassers. Ausgerechnet dem Irak, einst Wasserreservoir der Region und auch unter dem Namen Zweistromland bekannt, könnte schon in wenigen Jahren das Wasser ganz ausgehen. Alarmierende Meldungen kamen gerade von den zuständigen Regierungsstellen:

»Ein hochrangiger Berater des irakischen Ministeriums für Wasserressourcen warnte am Donnerstag davor, dass die Wasserreserven des Landes seit dem letzten Jahr um die Hälfte zurückgegangen sind, was auf eine Kombination aus Dürre, fehlenden Regenfällen und sinkenden Flusspegeln zurückzuführen ist.

Die Wasserreserven sind im Vergleich zum letzten Jahr um etwa 50 Prozent gesunken, was auf die geringen Niederschläge und die aus den Nachbarländern eintreffenden Mengen zurückzuführen ist‹, sagte der Berater des Ministeriums für Wasserressourcen, Aoun Diab, gegenüber AFP und nannte als Grund für die besorgniserregende Situation die aufeinanderfolgenden Dürrejahre 2020, 2021 und 2022.

Die Wasserstände der Flüsse Euphrat und Tigris, die sich der Irak, Syrien und die Türkei teilen, sind in den letzten Jahren erheblich gesunken. Ein Bericht des irakischen Ministeriums für Wasserressourcen, der Ende letzten Jahres veröffentlicht wurde, warnte eindringlich vor den Gefahren einer Klimaerwärmung für das Land und sagte voraus, dass die beiden wichtigsten Flüsse des Iraks bis 2040 völlig ausgetrocknet sein werden, wenn nicht dringend etwas gegen den Rückgang der Wasserstände unternommen wird.«

Konfliktmultiplikator Wassermangel

Je knapper das Wasser wird, je heftiger entwickeln sich die Auseinandersetzungen über seine Kontrolle. Vor allem die Türkei hält mit ihrem Staudammsystem immer mehr Wasser aus Euphrat und Tigris zurück, aber auch der notorisch wasserarme Iran leitet inzwischen ganze Flüsse um und baut eigene Dämme.

»Die Türkei kontrolliert mehr als 90 Prozent des Wassers, das in den Euphrat fließt, und 44 Prozent des Wassers, das in den Tigris fließt. (…) Seit Dezember 2020 haben die türkischen Staudämme den Durchfluss des Euphrat in Nachbarländer wie den Irak um 60 Prozent reduziert, was auch in Syrien zu Nahrungsmittel- und Stromknappheit geführt hat. Dadurch hat sich die Wasserkrise im Irak verschärft, die dazu führen könnte, dass mindestens sieben Millionen Menschen keinen Zugang mehr zu Wasser haben.

Ebenso haben flussaufwärts gelegene Staudämme im Iran die Nebenflüsse des Tigris schrumpfen lassen, sodass der Diyala-Fluss im Nordosten des Iraks nicht mehr fließt. Der Hamrin-See, die wichtigste Wasserquelle für die irakische Provinz Diyala, die an den Iran grenzt, hat fast 70 Prozent seines Wassers verloren, was die Provinz in eine humanitäre und ökologische Katastrophe stürzt.«

Weniger Regen und schrumpfende Wasservorräte haben auch verheerende Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion im Irak: Immer mehr Felder werden aufgegeben, und jene, die sie bearbeitet haben, ziehen in die Städte und vergrößern meist das Heer der Arbeitslosen. Die landwirtschaftliche Produktion sinkt seit Jahren und das ausgerechnet in Zeiten, in denen der Nahe Osten von ausfallenden Weizenlieferungen aus der Ukraine und Russland mit am schwersten betroffen ist. Schon im letzten Oktober ordnete wegen des chronischen Wassermangels das irakische Landwirtschaftsministerium eine Fünfzig-Prozent-Reduktion des Anbaus der Winterernte an.

Für diesen Sommer werden erneut Rekordtemperaturen erwartet. In Städten wie Bagdad und Basra könnten im Juli und August die Höchsttemperaturen um bis zu zehn Grad höher liegen als noch vor zwanzig Jahren.

Es müsste also umgehend gehandelt werden, sollten nicht bald die schlimmsten Szenarien eintreten, vor denen seit Jahren gewarnt wird: An Untersuchungen und Expertisen, was getan werden müsste, fehlt es nämlich keineswegs. Immerhin gilt der Irak zu den fünf vom Klimawandel am meisten bedrohten Ländern.

Inzwischen hat sich zwar auch in der Bevölkerung herumgesprochen, welche Gefahren drohen und es gibt zaghafte Initiativen, um Wasser zu sparen und weniger verschwenderisch mit Ressourcen umzugehen. Reichen wird das allerdings nicht, schließlich liegen die Ursachen für die Misere nicht im Irak oder der Region allein.

Dabei fungieren die absehbaren ökologischen Katastrophen, wie Ranj Alaaldin in einem Papier für Brokkings zu Recht feststellt, »als ein Konflikt- und Risikomultiplikator und nicht einfach nur als ein weiteres Problem, das der wachsenden Liste der Probleme in der Region hinzugefügt werden sollte. Als Multiplikator bergen sie das Potenzial für eine Erschütterung, die einer Region, die ohnehin schon von sozioökonomischen Krisen, sozialen Unruhen, gewalttätigem Extremismus und Terrorismus heimgesucht wird, nochmals unsägliches Leid zufügen wird«.

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