Wie der ORF die Wirklichkeit verschleiert

Von Florian Markl

Eine von palästinensischen Attentätern getötete Israelin veranlasste orf.at erneut zu einer jener Gegenüberstellungen von Opferzahlen, bei denen die Verantwortung für die Gewalt verschleiert und ins Gegenteil verkehrt wird: „Binnen knapp vier Monaten sind bei einer Anschlagswelle 26 Israelis ums Leben gekommen. Im selben Zeitraum wurden 160 Palästinenser getötet.“ Schon die Wortwahl stellt die Realität auf den Kopf: Israelis seien irgendwie „ums Leben gekommen“, Palästinenser dagegen aktiv „getötet“ worden.


Verschleierung der Realität

Verschleiert wurde in der Formulierung wie so oft, dass es sich bei der „Anschlagswelle“ der vergangenen Monate um eine höchst einseitige Angelegenheit handelt. Zahlen des israelischen Außenministeriums zufolge (Stand: 20. Jänner 2016) verübten palästinensische Terroristen seit Beginn der aktuellen Terror-Eskalation nicht weniger als 110 Messerangriffe, 38 Schussattacken und 22 Anschläge, bei denen Fahrzeuge absichtlich in Menschengruppen gesteuert wurden. Laut Magen David Adom, dem israelischen Pendent zum Roten Kreuz, wurden dabei insgesamt 30 Menschen getötet und fast 300 verletzt – fast alle israelische Juden.

Im gleichen Zeitraum gab es dagegen keine Anschläge von Israelis auf Palästinenser. Bei den erwähnten palästinensischen Toten handelte es sich in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle um Attentäter, die in Abwehr ihrer blutigen Attacken erschossen wurden; die übrigen starben im Zuge von Auseinandersetzungen nach Angriffen auf israelische Soldaten im Westjordanland. Kein einziger Palästinenser wurde von israelischen Terroristen ermordet.

Mit der bloßen Gegenüberstellung von Opferzahlen werden nicht nur die palästinensischen Täter unkenntlich gemacht und Seite an Seite mit ihren israelischen Opfern gestellt, sondern es wird auch die fundamentale Realität ausgeblendet, dass in den vergangenen Monaten kein einziger Mensch hätte sterben oder verletzt werden müssen, wenn palästinensische Terroristen nicht tagtäglich Anschläge auf Juden unternommen hätten.


Praktisch zum Erliegen gekommen

Die orf.at-Meldung taugte aber nicht nur als Beleg für die leider nur allzu übliche Art und Weise, in der mit Zahlenangaben die Realität entstellt werden kann, sondern sie enthielt darüber hinaus auch eine hochinteressante Passage. Der israelischen Aktivistengruppe „Frieden Jetzt“ zufolge soll die Regierung die Genehmigung für den Bau von rund 150 Wohnungen in mehreren Siedlungen genehmigt haben. „Laut der Organisation beendet Israel damit einen informellen 18-monatigen Baustopp in den besetzten Gebieten.“

Diese fast nebenbei gemachte Bemerkung sollte bei vielen Lesern für nicht geringe Verwunderung gesorgt haben. Denn mit keinem Wort war in österreichischen Medien im Laufe der vergangenen eineinhalb Jahre über den de facto Baustopp in israelischen Siedlungen im Westjordanland berichtet worden. Obwohl der Siedlungsausbau unter Netanjahu auf weit geringerem Niveau abgelaufen war, als unter früheren Regierungschefs, und im Jahr 2015 praktisch zum Erliegen gekommen ist, änderte sich nichts an dem medialen Dauerfeuer, mit dem der von der rechten israelischen Regierung angeblich ‚massiv vorangetriebene Siedlungsbau‘ skandalisiert wurde. (Sehen Sie dazu den entsprechenden Abschnitt in unserem Dossier: „ORF betreibt Propaganda gegen Israel“)

Beim Neujahrempfang für das Diplomatische Corps in Wien hatte es sich Bundespräsident Heinz Fischer nicht nehmen lassen, wie schon in den Jahren zuvor den israelischen Siedlungsbau erneut an den Pranger zu stellen. Auch ihm war in seiner Hervorhebung israelischer Siedlungen als dem angeblichen Haupthindernis für den Frieden der „informelle Baustopp“ offenbar völlig entgangen, der jetzt von orf.at wenigstens einmal erwähnt wurde.

Nicht unbemerkt bleiben sollte, dass die palästinensische Führung trotz des de facto Siedlungsbaustopps im Westjordanland keineswegs bereit war, die Verhandlungen über einen Frieden mit Israel wieder aufzunehmen. Das sollte man sich vor Augen halten, wenn es das nächste Mal – in sicher nicht allzu ferner Zukunft – wieder heißen wird, es sei den Palästinensern unmöglich, an der Verhandlungstisch zurückzukehren, solange die israelische Regierung den Siedlungsbau ‚forciere‘.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!