Seit in Teheran erneut ein am iranischen Atomprogramm beteiligter Wissenschaftler bei der Explosion einer an seinem Auto angebrachten Bombe ums Leben kam, laufen die Spekulationen über die möglichen Hintergründe und Verantwortlichen der Attentate auf Hochtouren. Nicht nur iranische Offizielle geben sich überzeugt, dass es nur den einen üblichen Verdächtigen gibt: den israelischen Auslandsgeheimdienst. Dass Vertreter des antisemitischen Regimes in Teheran, die ohnehin an eine „zionistische Weltverschwörung“ glauben, den Mossad für unheimlich mächtig halten, versteht sich von selbst. Aber auch österreichische Journalisten loben die Durchsetzungsfähigkeit des israelischen Geheimdienstes – selbst wenn die von ihnen selbst angehführten Beispiele eigentlich eher für das Gegenteil sprechen.
So widmete sich der Kurier gestern dem Mossad unter dem Titel: „Der effiziente Geheimdienst“. Der Mossad sei demnach „einer der schlagkräftigsten und effizientesten“ Geheimdienste der Welt. Darauf folgte eine Liste der „spektakulären Coups“ der letzten Jahrzehnte, die, anders als der Kurier es darzustellen versucht, kritisch betrachtet nicht gerade ein Ruhmesblatt für Israels Schlapphüte darstellt. Sehen wir uns die angeführten Beispiele genauer an.
„1960 Agenten spüren den deutschen Kriegsverbrecher Adolf Eichmann in Argentinien auf.“ Das stimmt zweifelsohne, doch konnte die Operation erst über die Bühne gehen, nachdem die Israelis von einem deutschen Staatsanwalt auf den Aufenthaltsort Eichmanns aufmerksam gemacht worden waren. Zuvor erwies sich die geballte Macht der israelischen Geheimdienste als völlig unfähig, den Organisator der Vernichtung der europäischen Juden ausfindig zu machen.
„1972 Nachdem ein palästinensisches Terror-Kommando in München elf Sportler der israelischen Olympia-Mannschaft als Geiseln genommen hat, schickt der Mossad eine Sondereinheit. Deren Auftrag: Die Liquidierung der Attentäter. Insgesamt 29 Palästinenser, deren Beteiligung an der Geiselnahme aber teilweise umstritten ist, werden getötet.“ Getötet wurde im Sommer 1973 aber vor allem auch ein im norwegischen Lillehammer als Kellner arbeitender Marokkaner, der mit dem Anschlag in München nicht das Geringste zu tun hatte. Die Mossad-Agenten hatten den Mann nicht nur mit Ali Hassan Salameh verwechselt, einen der Hintermänner des Olympia-Attentats, sondern stellten sich, sehr zur Peinlichkeit Israels, darüber hinaus auch noch so dilettantisch an, das sechs Mitglieder des Liquidationskommandos festgenommen, vor Gericht gestellt und verurteilt wurden.
„1976 Nach der Entführung eines Passagierflugzeugs der Air France ins ugandische Entebbe befreien Mossad-Agenten und israelische Spezialkräfte die Geiseln.“ Die Befreiung der Geiseln war in der Tat ein großer Erfolg, allerdings hatte der Mossad damit nur am Rande (vor allem in der Vorbereitung) zu tun – der Einsatz erfolgte durch israelische Spezialeinheiten.
„1995 Agenten erschießen auf Malta den Mitbegründer des Islamischen Dschihad, den Arzt Fathi Schakaki.“ Auch wenn der Mossad sich nie offiziell zu derartigen Aktionen bekennt, dürfte diese Information stimmen.
„1997 In Jordanien scheitert ein Gift-Anschlag auf den Chef der radikal-islamischen Hamas, Khalid Mashal.“ Wie der Kurier selbst schreibt, scheiterte der Attentatsversuch; Hamas-Chef Mashal erfreut sich heute bester Gesundheit, die den Anschlag durchführenden Agenten wurden festgenommen, Israel musste weitreichende Zugeständnisse machen, um sie wieder freizubekommen und die Sache war ein internationaler Skandal – alles in Allem also wahrlich kein Ruhmesblatt geheimdienstlicher Arbeit.
„2010 In einem Hotelzimmer in Dubai wird Hamas-Führer Mahmud al-Mabhuh ermordet – alles deutet auf den Mossad hin.“ Und weil die Spuren allzu deutlich in eine Richtung wiesen, folgte für Israel eine Reihe von Unannehmlichkeiten: mit den westlichen Ländern, deren Pässe das Einsatzkommando für die Aktion gefälscht wurden, sowie mit Polen, wo ein Verdächtiger festgenommen wurde, der an der Beschaffung eines falschen deutschen Passes mitgewirkt haben soll.
Sechs Fälle präsentierte der Kurier also, die beweisen sollten, wie „effizient“ und „schlagkräftig“ der Mossad sein soll – urteilen Sie selbst, ob die ausgewählten Beispiele das belegen können.
Während der Kurier aber immerhin noch versucht, seine Behauptungen über den Mossad mit Fakten zu untermauern, bemüht sich die Kronen Zeitung nicht einmal, ihre auf den israelischen Geheimdienst projizierten Allmachtfantasien irgendwie zu belegen: „Israels Geheimdienst kontrolliert Iran“, heißt es hier bar jeder Evidenz aus der Feder von Kurt Seinitz. Als würde die jahrelange Auseinandersetzung über die iranischen nuklearen Ambitionen nicht gerade das Gegenteil zeigen, behauptet er: „Der israelische Geheimdienst hat den Iran fest im Griff“, und: „Israel und die USA sind über alle Interna im Iran und den wahren Stand des Atomprogramms bestens informiert“. Seinitz tut seinen Lesern mit derartigen Behauptungen freilich keinen Gefallen. Sie sind nicht nur einfach falsch, sondern verdecken eines der größten Probleme der Auseinandersetzung des Westens mit dem Iran: Würden die USA oder Israel tatsächlich so genau Bescheid wissen, würde einer gefährlichsten Faktoren keine Rolle spielen – die Unsicherheit darüber, wie weit der Iran mit seinem Atomwaffenprogramm schon gekommen ist und wie viel Zeit noch für andere Optionen bleibt als den hochriskanten Einsatz militärischer Gewalt.