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Dem Libanon geht das Geld aus

Selbst libanesische Abgeordnete wie Cynthia Zarazir kommen kaum noch an ihre Ersparnisse
Selbst libanesische Abgeordnete wie Cynthia Zarazir kommen kaum noch an ihre Ersparnisse (© Imago Images / NurPhoto)

Im Libanon ist es kaum mehr möglich, zu seinem Geld zu kommen. Durch die massive Finanzkrise verweigern viele Banken ihren Kunden die Auszahlung ihrer Ersparnisse, sodass diese zu ungewöhnlichen Mitteln greifen.

Die libanesische Abgeordnete Cynthia Zarazir, die im Mai ins Parlament gewählt wurde, reiht sich in die wachsende Zahl verärgerten Sparer ein, die – teilweise bewaffnet – libanesische Banken gezwungen haben, Teile ihrer Ersparnisse freizugeben. Angesichts der beispiellosen Finanzkrise, die das Land erschüttert, wurden informelle Kapitalkontrollen eingeführt, die private Ersparnisse einfrieren bzw. an das stark von der Inflation gebeutelte libanesische Pfund binden.

Zarazir wollte, begleitet von ihrem Rechtsbeistand , in ihrer Bankfiliale in einem nördlichen Vorort von Beirut, 8.500 Dollar abheben, um die Kosten für eine Operation zu bezahlen, die von ihrer Krankenversicherung nicht übernommen werden, sagte ihr Anwalt Fouad Debs. Doch es dauerte Stunden, bis sie endlich ihr Erspartes ausgehändigt bekommen hatte, so Debs gegenüber der offiziellen Nationalen Nachrichtenagentur.

Mehrere Aktivisten hatten sich vor der Bank versammelt, um Zarazir zu unterstützen, deren Notlage jene von vielen Libanesen widerspiegelt, die durch die seit Beginn des Finanzcrashs im Jahr 2019 verschärften Bankbeschränkungen um ihre Ersparnisse gebracht wurden. Kommerzielle Kreditgeber haben die meisten Fremdwährungstransaktionen faktisch verboten und zwingen die Kunden, ihre Ersparnisse in libanesischem Pfund abzuheben, das auf dem Schwarzmarkt mehr als 95 Prozent seines Wertes gegenüber dem Dollar verloren hat.

Einem pensionierten Angehörigen der libanesischen Streitkräfte für innere Sicherheit ging es nicht besser als der Abgeordneten. Er wollte sich in einer Bank in einem südlichen Vorort von Beirut48.000 Dollar an Ersparnissen und 270 Millionen Pfund aus seiner Pension auszahlen lassen. »Nach Verhandlungen mit dem Management der Bank gelang es ihm, seine gesamten Einlagen in libanesischen Pfund und dreitausend Dollar« seiner eigentlich eingefrorenen Dollar-Ersparnisse zu erhalten, sagte Ibrahim Abdullah, ein Sprecher der Depositor Union advocacy group.

Währenddessen versammelten sich Dutzende Demonstranten vor dem Hauptsitz der Zentralbank in Beirut, um, umringt von einem starken Truppenaufgebot, das die Bank sichert, Zugang zu ihrem Geld zu fordern. »Wir sind gekommen, um unsere Rechte einzufordern«, sagte einer der Demonstranten und fügte hinzu: »Wir sind keine Bettler, wir wollen nur unser Geld.«

Am Dienstag hielt der pensionierte Diplomat und Honorarkonsul in Irland, Georges Siam, einen ganztägigen Sitzstreik in einer Bank in einem Beiruter Vorort ab, um seine Ersparnisse zurückzuerhalten, bevor er schließlich einen Kompromiss erzielen konnte. Fast zeitgleich fanden mindestens zwei weitere bewaffnete Banküberfälle in verschiedenen Filialen statt. Unter anderem überfiel ein pensionierter Polizist eine Bank im Ostlibanon, um eine Geldüberweisung an seinen Sohn in der Ukraine zu fordern.

Nach einer Reihe von Raubüberfällen waren die libanesischen Banken am 16. September für eine Woche geschlossen worden. Inzwischen wurden sie unter strengen Sicherheitsvorkehrungen wieder geöffnet.

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