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Das Tabu des arabischen Sklavenhandels und Rassismus

Von Thomas von der Osten-Sacken

Das Tabu des arabischen Sklavenhandels und Rassismus
Quelle: U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 2nd Class Jesse B. Awalt

Die Bilder von Sklavenmärkten in Libyen, auf denen Flüchtlinge aus dem subsaharischen Afrika feilgeboten werden, sind inzwischen um die Welt gegangen. Die Händler sind teilweise Milizionäre irgendwelcher Brigaden, die gleichzeitig von Europa, vor allem Italien, finanziert werden, um Flüchtlinge vor der Weiterfahrt übers Meer gen Norden abzuhalten. So verdienen sie doppelt: Als Helfershelfer der Europäer und als Sklavenhändler.

Ohne europäische Grenzabschottung würde es diesen barbarischen Sklavenhandel so nicht geben. Zugleich steht er in einer unseligen arabischen Tradition – denn auf die Idee, Flüchtlinge zu versklaven, muss man erst mal kommen. Nun haben Rassismus und Sklaverei in der arabischen Welt aber eine lange und blutige Geschichte, die bislang so gut wie gar nicht aufgearbeitet worden ist. Über Jahrhunderte waren es arabische Sklavenhändler, die Ost- und Westafrika entvölkerten und ihren Konkurrenten aus Europa in nichts nachstanden. Wer mehr über dieses dunkle Kapitel erfahren möchte, dem sei das Buch „Der verschleierte Völkermord: Die Geschichte des muslimischen Sklavenhandels in Afrika“ von Tidiane N’Diaye wärmstens empfohlen.


Der arabische Sklavenhandel

Dankenswerterweise weisen nun auch deutschsprachige Medien auf diese Tatsache hin, neigt man sonst doch gerne dazu, Araber als die armen Opfer von Kolonialismus und Imperialismus darzustellen. Von einem „in der libyschen Gesellschaft tief verwurzelter Rassismus“ etwa schreiben  Dominik Peters und Christoph Sydow im jüngsten Spiegel, und fahren fort:

„Die Ursprünge reichen zurück bis in den arabischen Sklavenhandel, der im 7. Jahrhundert begann. Schon damals wurden Menschen aus Westafrika verschleppt, durch die Sahara getrieben, auf Märkten in Nordafrika verkauft und anschließend in alle Teile des islamischen Reichs gebracht. Der Sklavenhandel war über Jahrhunderte eine der wichtigsten Einnahmequellen für Libyen. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts schaffte der osmanische Sultan die Sklaverei ab.

Aus dieser historischen Erfahrung heraus hat sich bei der arabischstämmigen Bevölkerung in Libyen ein Überlegenheitsgefühl gegenüber dunkelhäutigen Afrikanern festgesetzt. Bis heute ist es in dem Land üblich, einen schwarzen Mann als ‚Abid‘, Sklave, zu bezeichnen.“

Nur, fragt man sich, warum müssen sie im nächsten Satz dann gleich den gestürzten libyschen Staatschef loben:

„Selbst Diktator Gaddafi, der Libyen 40 Jahre lang mit harter Hand regierte, gelang es nicht, den Hass seiner Landsleute auf schwarze Menschen im Zaum zu halten. Er hatte bis zu zwei Millionen afrikanische Gastarbeiter ins Land geholt.“

Inzwischen dürfte doch hinlänglich bekannt sein, was für ein grauenhaftes Regime er in Libyen über vierzig Jahre errichtet hatte, eine Diktatur, die auf Folter, Angst und Entrechtung fußte. Woher kommt diese Bewunderung für abgehalfterte arabische Despoten und Diktatoren in Deutschland, die auch lange nach deren gewaltsamem Abschied von dieser Welt noch ungebrochen weiterlebt?


Der Rassist Gaddafi

Das Tabu des arabischen Sklavenhandels und Rassismus
Protest gegen Besuch Gaddafis in Dublin 2011. Quelle: William Murphy

Hat Gaddafi etwa, ganz der gute Erziehungsdiktator, den man so gerne in ihm zu sehen pflegt, den Rassismus seiner Landsleute in irgendeiner Weise bekämpft? Ja, er hing zeitweilig irgendwelchen panafrikanischen Einheitsphantasien an, aber dies waren eher Versuche, seine eigene Machtbasis auszubauen. Sein Verhältnis zum subsaharischen Afrika glich eher dem zu seinem berühmten Amazonenkorps, das ja angeblich dazu diente, in Libyen die Befreiung der Frau voran zu treiben. Inzwischen aber ist bekannt, dass Gaddafi und seine Clique systematisch Mädchen und Frauen auf alle erdenkliche Art und Weise in eigens dafür eingerichteten Sexkellern missbraucht haben:

Gaddafi hielt in kleinen Räumen oder Appartments im Keller seiner Residenz einen Harem. Diese Frauen, die vor ihm in Unterwäsche auftreten mussten, konnten zu jeder Tages- und Nachtzeit zu ihm gerufen warden. Sie wurden vergewaltigt, verprügelt und schlimmsten Formen der sexuellen Erniedrigung unterworfen. Für Gaddafi war Vergewaltigung eine Waffe (…), eine Form, andere zu dominieren – Frauen, weil es einfach war, aber auch Männer, indem er deren Frauen und Töchter in Besitz nahm.”

Und nicht anders verhielt es sich mit Menschen aus dem subsaharischen Afrika. Im Jahr 2010 (!), also bevor der sogenannte arabische Frühling auch in Libyen ausbrach, schrieb der äthiopische Schriftsteller Hama Tuma in einem Essay über Gaddafi und den arabischen Rassismus:

„Arabischer Rassismus gegenüber Afrikanern war zu lange ein Tabuthema angesichts des Umstands, dass es politisch unkorrekt ist, das Offensichtliche auszusprechen: Dass Araber, die meisten von ihnen Muslime, durch und durch rassistisch eingestellt sind und Afrikaner, egal ob Muslime oder Christen, als minderwertig betrachten. (…)

Im Laufe der Jahre wurde Libyen des Rassismus beschuldigt und ihm vorgeworfen, die Verprügelung und Tötung afikanischer Migranten hervorgerufen zu haben. Gaddafis panafrikanische Anwandlungen haben daher immer fragwürdig und hohl gewirkt, und seine jüngste Aussage in Europa – als er die Afrikaner ignorante und barbarische Invasoren nannte – hat ihn ein für alle Mal zum arabischen Rassisten gestempelt.

Gaddafi, der Rassist, war für lange Zeit auch Gaddafi, der Diktator, der seine Gegner in- und außerhalb seines Landes töten ließ, Kerle wie Fode Sankoh in Sierra Leone finanziert hat und sich in die inneren Angelegenheiten von Staaten wie Somalia, Äthiopien Liberia usw. einmischte.

Während seines Rom-Besuchs wollte Gaddafi von der EU 5 Milliarden Euro haben, um Schwarzafrikaner daran zu hindern, nach Europa einzufallen und den Kontinent in ein „zweites Afrika“ zu verwandeln, was für ihn einen Kontinent des Hungerns und ignoranter schwarzer Barbaren bedeutet.

Gaddafi ist nicht lustig. Er ist ein erbärmlicher rassistischer Araber, der vom Rest Afrikas gemieden werden sollte.“

Genau das war Gaddafi: Ein armseliger Rassist, Diktator und Vergewaltiger, der Libyen vierzig Jahre lang ruiniert hat. Jene lachenden, feisten Milizionäre, die jetzt Menschen als Waren feilbieten, sind nicht 2011 vom Himmel gefallen, sondern in Gaddafis Libyen aufgewachsen. Deshalb ist es so grundfalsch zu glauben, unter diesen Diktatoren sei es doch besser gewesen, oder sie hätten solche Typen gar gebändigt. Denn das Gegenteil ist der Fall, ob in Libyen, dem Irak oder in Syrien. Oft sind es ehemalige Geheimdienstler oder Polizisten, die sich als besonders barbarisch erweisen und ihr Handwerk noch in den Folterkellen des Regimes erlernt haben.


G
escheiterter Staat

Aber vielleicht möchte man einfach auch nicht wahrhaben, wie übel es um die Region bestellt ist: Libyen ist ein failed state, in dem islamistische und andere Milizen die Gewalt ausüben, mit Unterstützung Europas Sklavenmärkte betreiben und auch sonst Menschenrechte mit Füßen treten. Libyen war schon ein failed state unter der Herrschaft Gaddafis, der ebenfalls lukrative Deals mit den Europäern abschloss, um ihnen die Flüchtlinge aus dem subsaharischen Afrika vom Hals zu halten. Es wird Jahrzehnte dauern, um zerstörte Staaten und Gesellschaften, zu denen Libyen gehört, wieder aufzubauen. Und zudem besteht arabische Geschichte keineswegs nur aus Cordoba und Granada, sondern ist eine imperialistische Geschichte, zu der Sklavenhandel, Massenmord und blutige Unterdrückung ebenso gehören, nur wird dieser Teil gerne verleugnet und ausgeblendet. Noch immer gefallen sich viel zu viele Araber in der Rolle der ewigen Opfer, die seit den Kreuzzügen nur unter europäischem Imperialismus und Kolonialismus gelitten hätten.

Deshalb fehlt einmal mehr auch der Aufschrei aus der arabischen Welt, obwohl es das zweite Mal innerhalb weniger Jahre ist, dass in arabischen Städten ganz offen Sklavenhandel betrieben wird – das gab es zuletzt nämlich in Mosul und Raqqa, wo der Islamische Staat Ezidinnen als Sexsklavinnen feilbot. Das aber verkleinert die Mitschuld und Mitverantwortung der Europäer in keinster Weise, die in den vergangenen Jahren aktiv daran beteiligt waren, dass es in Libyen überhaupt zu solchen Szenen kommen könnte.

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