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Das antisemitische Verschwörungsdenken

Das antisemitische Verschwörungsdenken
Die Tree of Life Synagogue in Pittsburgh.

„Auch als Neonazis letztes Jahr in Charlottesville ‚Juden werden uns nicht ersetzen‘ skandierten, sprach Trump deren Antisemitismus nicht an und denunzierte ihn nicht. Bekanntlich erklärte er, manche von ihnen seien ‚sehr gute Menschen‘. Allerdings war der Präsident nicht der einzige, der sich dem Antisemitismus nicht stellte. Die absurde Vorstellung, dass die kleine jüdische Minderheit in diesem Land den Wunsch verspüre bzw. bestrebt oder fähig sei, irgend jemanden zu ‚ersetzen’, zog im Gegensatz zu dem Rassismus, der in Charlottesville zur Schau gestellt wurde, kaum Aufmerksamkeit auf sich.

Dass der Schütze [von Pittsburgh] sich auf ‚alle‘ Juden bezog, spiegelt deutlich die verschwörungstheoretische Haltung wider, die für den Antisemitismus entscheidend ist. Er ordnet sich damit in eine lange Reihe der Feinde des Judentums und des jüdischen Volks ein. Was sie alle miteinander verband und verbindet, ist die Überzeugung, dass wir Juden, obwohl es nur so wenige von uns gibt, ein einzigartig mächtiges und bösartiges Volk seien. Diese Verschmelzung von Macht und Bösartigkeit spielte lange in der Auslegung der Passionsgeschichte im Neuen Testament, die seit fast 2000 Jahren von allen größeren christlichen Konfessionen immer wieder aufs Neue erzählt worden ist, eine wichtige Rolle. (…)

Der nationalsozialistische Antisemitismus, der in Hitlers Deutschland aus dem Radio tönte und auf den ersten Seiten der Zeitungen prangte, war eine säkularisierte Form der alten, religiös begründeten Furcht. In der antisemitischen Vorstellung der Nazis wurden die Juden zu einem politischen Akteur namens ‚Weltjudentum‘. (…)

Anderen Manifestationen des Antisemitismus wurde durch Hitlers Tod jedoch kein Ende gesetzt. Er lebte fort in den kommunistischen Angriffen auf die angebliche Verschwörung der Zionisten mit dem ‚amerikanischen Monopolkapitalismus‘ während der antikosmopolitischen Säuberungen der frühen 1950er Jahre; in der Denunzierung des angeblich übermächtigen Israels, das als Instrument des amerikanischen Imperialismus fungiere, durch die Neue Linke nach dem Sechstagekrieg von 1967; in der Behauptung der PLO, Israel sei ein Apartheidstaat und begehe einen systematischen Massenmord. Er lebte fort in den radikalen Islamisten in Teheran, in den Autoren der Hamas-Charta von 1988 und den Mördern, die am 11. September 2001 im Auftrag von al-Qaida das ‚Bündnis der Juden und Kreuzritter‘ angriffen. Dieser Anschlag verschmolz den Hass gegen die Vereinigten Staaten mit dem gegen die Juden. Für jede dieser Formen des Antisemitismus, obwohl sie an unterschiedlichen Enden des politischen Spektrums zu finden sind, sind verschwörungstheoretische Vorstellungen entscheidend. Sie sind es, die den Einsatz von Gewalt gegen den angeblich mächtigen Juden, der von dem bösartigen Zionisten nicht zu unterscheiden sei, begründen.“ (Jeffrey Herf, Autor der drei herausragenden Studien „The Jewish Enemy. Nazi Propaganda During World War II and the Holocaust“, „Nazi Propaganda for the Arab World“ und „Undeclared Wars with Israel: East Germany and the West German Far Left, 1967–1989“ in der Washington Post: „Trump doesn’t understand how anti-Semitism works. Neither do most Americans“)

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