Das Vorgehen der US-Regierung gegen die antisemitischen Aktionen nach dem 7. Oktober 2023 an Amerikas renommiertesten Hochschulen führte nun zum Rücktritt der Interimspräsidentin der Columbia University.
Im Streit um den Entzug von Bundesmitteln wegen Antisemitismus an der amerikanischen Columbia University ist Katrina Armstrong als Interimspräsidentin zurückgetreten. Die Co-Vorsitzende des Universitätsrats, Claire Shipman, wurde zur kommissarischen Präsidentin ernannt. Armstrong übernimmt die Leitung des Irving Medical Center der Universität.
Katrina Armstrong war nur knapp acht Monate als Nachfolgerin von Präsidentin Minouche Shafik im Amt, die zurücktrat, nachdem sie für ihren Umgang mit den antisemitischen Zeltlagern und Kundgebungen auf dem Campus kritisiert worden war. Auslöser für Armstrongs Rücktritt war nun die Kürzung der Bundeszuschüsse für die Universität durch die US-Regierung. Diese hatte 400 Millionen Dollar, die für Columbia bestimmt gewesen waren, auf Eis gelegt, und zwar »aufgrund der anhaltenden Untätigkeit der Universität angesichts der anhaltenden Schikanen jüdischer Studenten«, wie es in einer Pressemitteilung hieß.
»Seit dem 7. Oktober 2023 sind jüdische Studenten auf ihrem Campus unerbittlicher Gewalt, Einschüchterung und antisemitischen Schikanen ausgesetzt und werden dabei von jenen ignoriert, die sie eigentlich schützen sollten«, sagte Bildungsministerin Linda McMahon. »Universitäten müssen alle bundesstaatlichen Antidiskriminierungsgesetze einhalten, um Bundesmittel zu erhalten. Die Columbia University hat diese Verpflichtung gegenüber jüdischen Studenten auf ihrem Campus viel zu lange vernachlässigt. Heute zeigen wir der Columbia University und anderen Universitäten, dass wir ihre erschreckende Untätigkeit nicht länger tolerieren werden.« Auch droht die Regierung, dies sei »lediglich die erste Mittelkürzung«, weitere würden »voraussichtlich folgen«.
Vermummung ja oder nein?
Am 21. März hatte es zunächst so ausgesehen, als hätten sich Universitätsleitung und Regierung geeinigt. So beschloss Columbia die Einführung neuer Regeln für Proteste auf dem Campus. Proteste in akademischen Gebäuden wären hinfort generell nicht mehr erlaubt; mehrere Dutzend Beamte des öffentlichen Sicherheitsdienstes würden befugt sein, Festnahmen vorzunehmen. Gerüchteweise sollte auch die Gesichtsvermummung nicht mehr erlaubt sein.
Wie die New York Times zitierte, wertete ein Regierungsvertreter die Maßnahmen als »positives Zeichen«, während am Montag darauf fünfzig Professoren auf dem Campus gegen die »zu versöhnliche Reaktion« der Universitätsleitung demonstrierten. Am Wochenende davor hatte Armstrong sich mit 75 besorgten Fakultätsmitgliedern getroffen, um Unterstützung zu gewinnen, vor den Gefahren für die Universität zu warnen und Bedenken herunterzuspielen, dass die Vereinbarung mit der Regierung vom Freitag ihre akademische Unabhängigkeit untergrabe, wie das Wall Street Journal berichtete.
Die Fähigkeit der Regierung, Geld als Druckmittel einzusetzen, sei insbesondere für die Studenten und die Universität ein große Risiko, sagte Armstrong laut einem Protokoll der Treffen, das der Zeitung vorliegt. »Ich denke, wir müssen dieses wirklich kritische Risiko verstehen.«
Wie das Wall Street Journal weiter berichtete, äußerten einige Fakultätsmitglieder ihre Sorge, Armstrong würde die Vereinbarungen von Columbia herunterspielen und dem Kollegium eine andere Botschaft vermitteln als der Regierung. So soll Armstrong etwa der Regierung ein Vermummungsverbot auf dem Universitätsgelände zugesagt haben, während sie dies hinter verschlossenen Türen verneint haben soll. Just an dem Tag, als dieser Eindruck eines doppelten Spiels entstand, zogen wieder Dutzende Vermummte durch das Gelände, meldete die New York Post.
Die 21-jährige Studentin Eden Yadegar, die das letzte Jahr ihres Nahoststudiums auf der Columbia absolviert, zeigte sich gegenüber der New York Post besorgt: »Sie protestieren gegen das Maskenverbot. Sie widersetzen sich dem, was sie als Maskenverbot wahrnehmen. Es gibt gar kein Maskenverbot. Es ist erschreckend zu sehen, was in den letzten achtzehn Monaten passiert ist. Ich mache mir Sorgen um die Zukunft der Hochschulbildung. Es ist wirklich beunruhigend, was passiert ist – die Entweihung unserer Gemeinschaft.«
In einer Stellungnahme gegenüber der Post stellte ein Sprecher der Universität klar, es handle sich bei den neuen Maskenregeln nicht um ein völliges Verbot, sondern um »strenge neue Auflagen, die Regelbrechern ihre Anonymität nehmen sollen«. Teilnehmer an Demonstrationen, einschließlich Personen mit Mund-Nasen-Bedeckung, müssten auf Verlangen eines Universitätsbeamten ihren Universitätsausweis vorzeigen. »Mund-Nasen-Bedeckungen, die dazu dienen, die eigene Identität zu verbergen und gleichzeitig gegen Universitätsregeln, -richtlinien oder Gesetze zu verstoßen, sind auf dem Campus nicht gestattet«, so der Sprecher. Wer sich weigere, sich auszuweisen, müsse mit Hausverbot oder anderen Disziplinarmaßnahmen rechnen.
Kompletter Betrug
Katrina Armstrongs Ankündigung sei »ein kompletter Betrug«, sagte Matthew Schweber, Mitglied der Jewish Alumni Association der Columbia University, gegenüber der New York Post: »Es ist ein Versuch, die Trump-Regierung zu beschwichtigen, ohne substanzielle Änderungen umzusetzen. Sie spricht mit gespaltener Zunge: Sie behauptet gegenüber der Öffentlichkeit, es gäbe ein Maskenverbot, und der Fakultät sagt sie, es gäbe keins. Dieser Betrug sollte ihre Entlassung nach sich ziehen.«
Der drohenden Entlassung kam Katrina Armstrong durch ihren Rücktritt zuvor. Dass die neue Präsidentin sich entschieden für den Schutz jüdischer Studenten einsetzen wird, scheint jedoch fraglich. So soll sie die Anhörungen im Repräsentantenhaus zu Antisemitismus an amerikanischen Hochschulen als »Unsinn« bezeichnet haben.
In einer Textnachricht vom 28. Dezember 2023 schrieb Claire Shipman demnach an die damalige Universitätspräsidentin Minouche Shafik, dass sie glaube, Columbia werde von dem »Unsinn auf dem Capitol Hill« verschont bleiben. Shipman bezog sich dabei auf Anhörungen im Dezember 2023, bei denen die Präsidenten der Harvard University, der University of Pennsylvania und des MIT aussagten und zu Protokoll gaben, es sei »vom Kontext abhängig«, ob Aufrufe zum Genozid an Juden gegen die Universitätsregeln bezüglich Mobbing und Belästigung fielen.
Shipmans Textnachricht wurde laut der New York Post in einem 325 Seiten umfassenden Bericht des republikanischen Ausschusses für Bildung und Arbeitskräfte des Repräsentantenhauses vom Oktober veröffentlicht, der auch geleakte Nachrichten zwischen Universitätsvertretern enthielt. In derselben Nachricht schlug Shipman vor, Gruppen, die wie Students for Justice in Palestine und Jewish Voice for Peace wegen antisemitischer Aktionen suspendiert worden waren, wieder zuzulassen, »um der Sache den Wind aus den Segeln zu nehmen«.
Untragbar
Elise Stefanik, republikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus und Leiterin der Anhörungen zum Antisemitismus an den Universitäten, prognostiziert, dass auch Shipman nicht lange im Amt bleiben wird. In einem Interview auf Fox News sagte sie: »Wir haben den Rücktritt von sechs hochrangigen Universitätspräsidenten erlebt, zwei davon von der Columbia University, weil diese Universitätspräsidenten keine moralisch starke Führung gezeigt haben.« Sie hätten es versäumt, sicherzustellen, dass sie ihre eigenen Regeln befolgen. »Sie haben es versäumt, jüdische Studierende zu schützen, und wir werden weiterhin ein Schlaglicht darauf werfen. Aber die Tatsache, dass wir bereits die dritte Präsidentin der Columbia University haben, und diese, seien wir ehrlich … wird auch nicht von Dauer sein.«
Stefanik verwies darauf, dass Shipman die Kongressanhörung zum Thema Antisemitismus im Dezember 2023 als »Unsinn im US-Kongress« bezeichnet habe. »Das hat die jüngste Präsidentin der Columbia University gesagt. Deshalb ist ihre Position unhaltbar. Und ich denke, es wird nur eine Frage von Wochen sein, bis auch sie zum Rücktritt gezwungen wird. Sie verstehen es immer noch nicht. Die Fakultät versteht es nicht. Diese radikalen, linksradikalen Studenten verstehen es nicht«, fuhr sie fort.
Elise Stefanik war von Präsident Donald Trump zur neuen US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen erkoren worden, bleibt aber nun nach dem Willen des Präsidenten in Washington, um die nur hauchdünne Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus nicht zu gefährden. Im Interview versprach sie, sich weiterhin dafür einzusetzen, »die Hochschulen zur Verantwortung zu ziehen, mich für einen verantwortungsvollen Umgang mit US-Steuergeldern einzusetzen und den Verfall und die Plage des Antisemitismus in den Hochschulen zu bekämpfen«.