Die Columbia University geht gegen einige antisemitische Straftäter vor. Ein Beitrag von tagesschau.de wirft ihr hingegen vor, den »Protest« von Studenten unterdrücken zu wollen.
Die Gefahr durch Hamas-Unterstützer und andere Antisemiten ist real – auch in den Vereinigten Staaten, wo rund sieben Millionen Juden leben und somit die zweitgrößte jüdische Gemeinschaft der Welt nach Israel. Im Mai wurden zwei Mitarbeiter der israelischen Botschaft vor dem Jüdischen Museum in Washington erschossen. Im Juni griff ein Mann in Boulder, Colorado, eine Gruppe von Menschen mit Molotowcocktails an, die friedlich für die von der Hamas entführten Geiseln demonstrierten. Der Verdächtige rief am Tatort »Freiheit für Palästina«, teilten die Behörden mit.
Aus Sicht der ARD sind aber die Antisemiten die wahren Opfer: Weil die traditionell eher linke Columbia University seit Kurzem entschieden gegen einige antisemitische Straftäter unter den Studenten vorgeht, die über ein Jahr lang den Campus terrorisiert hatten, wirft ein Beitrag von tagesschau.de ihr vor, den »Protest« von Studenten unterdrücken zu wollen.
Fake News und Propaganda zugunsten von Hamas-Unterstützern – so muss man den Artikel beschreiben, der letzte Woche auf der ARD-Website erschien. Die irreführende, grob falsche Überschrift lautete »Columbia University bestraft Studenten für Proteste«. Im Vorspann wird behauptet, »Studenten der Columbia University« seien »wegen der Teilnahme an pro-palästinensischen Protesten hart bestraft« worden, nachdem die US-Regierung der Universität zuvor »Zuschüsse in Millionenhöhe gestrichen« habe. Im ARD-Haupttext wird die falsche Behauptung wiederholt:
»Die renommierte Columbia University in New York City hat nach eigenen Angaben Studierende bestraft, die sich an pro-palästinensischen Protesten beteiligt hatten. Laut einer studentischen Aktivistengruppe werden fast 80 Studierende mit Ausschlüssen oder sogar dem Entzug von Abschlüssen bestraft.«
Der Fake-News-Charakter wird dadurch verstärkt, dass tagesschau.de – eine vom NDR verantwortete Website – sogar behauptete, die Columbia University habe selbst gesagt (»nach eigenen Angaben«), Studenten wegen deren Beteiligung an »pro-palästinensischen Protesten« bestraft zu haben.
Dies ist eine Tatsachenbehauptung, die sich leicht als falsch identifizieren lässt, wenn man liest, was die Columbia University in ihrer Pressemitteilung, auf die sich der Nachrichtentext bezieht, wirklich sagt. Darin heißt es, das Justizgremium der Universität habe »im Zusammenhang mit zwei Vorfällen« Sanktionen verhängt. Die Vorfälle werden benannt: Es geht um die Besetzung der Butler-Bibliothek im heurigen Mai und das illegale Zelten während des Alumni-Wochenendes im Frühjahr 2024.
Aus der Erklärung der Universität geht nicht hervor, wie viele Studenten diszipliniert wurden. Die New York Times schreibt unter Berufung auf eine anonyme Quelle mit Kenntnis der Angelegenheit, dass etwas mehr als siebzig Studenten sanktioniert worden seien. Von diesen würden ungefähr sechzig suspendiert, wobei die meisten Suspensionen zwei Jahre dauerten. Eine Handvoll Studenten werde ausgeschlossen. Weniger als zehn Personen erhielten eine Bewährungsstrafe, eine leichtere Strafe für Ersttäter und diejenigen, die kooperiert hätten, als Sicherheitsbeamte sie aufforderten, sich auszuweisen. Bei mindestens einer Person wurde der Abschluss widerrufen, was eine schwere Strafe sei, die nur Wiederholungstäter ereile.
Die betreffenden Studenten wurden bestraft, weil sie nachweislich schwere Regelverstöße begangen hatten, die auch Straftaten sind – und nicht etwa, weil sie an Protesten teilgenommen hätten. So aber funktioniert das Framing von tagesschau.de: Die Störer seien für »Protest« bestraft worden; dahinter stecke US-Präsident Donald Trump, der solchen Protest angeblich unterdrücken wolle. Die Regelverstöße und Straftaten werden von tagesschau.de nur beiläufig und vage erwähnt. Im fünften Absatz des Beitrags heißt es lapidar: »Konkret geht es bei den jetzt bestraften Studierenden um die Teilnahme an einer Demonstration in der Hauptbibliothek der Universität und die Teilnahme an einem Zeltlager.«
Zahlreiche Verletzte
Diese Schilderung klingt harmlos. Was dort passiert ist, bleibt im Dunkeln. Wir fassen es zusammen: Am 7. Mai 2024 waren rund achtzig Vermummte in einen Teil der Hauptbibliothek auf dem Campus der Columbia University eingedrungen. Die New York Times berichtete, die »Demonstranten, die Masken und Kufiyas [Palästinensertücher] trugen«, seien kurz nach fünfzehn Uhr durch ein Sicherheitstor eingedrungen, hätten Transparente im Hauptraum des zweiten Stocks der Butler Library aufgehängt und den Raum symbolisch in »The Basel Al-Aaraj Popular University« umbenannt.
Basel Al-Aaraj, der Anführer einer palästinensischen Terrorzelle, wurde am 6. März 2017 von israelischen Polizeikräften, die ihn verhaften wollten, getötet, nachdem er das Feuer auf sie eröffnet hatte. Wie die New York Times weiter berichtete, hinderte das Sicherheitspersonal der Universität die Störer daran, das Gebäude zu verlassen – es sei denn, sie würden zuvor ihre Ausweise zeigen, was sie aber verweigerten. Das verursachte einen stundenlangen Konflikt.
Außerhalb der Bibliothek versammelte sich eine Menschenmenge, die Zeitung schreibt von einer »chaotischen Szene«. Gegen neunzehn Uhr rief die Verwaltung der Universität die Polizei. Diese nahm etwa achtzig Personen fest und ermöglichte unbeteiligten Studenten, die zum Lernen in die Bibliothek gekommen waren, nach vier langen Stunden endlich das Verlassen der Bibliothek. Der Zeitungsbericht erwähnt »zahlreiche Verletzte«, darunter zwei Sicherheitsbeamte. Ursache der meisten Verletzungen war offenbar, dass eine Menschenmenge versuchte, sich Zugang zum Gebäude zu verschaffen, wodurch Personen gequetscht wurden.
Ein Fernsehbericht von CBS New York zeigte das Ausmaß des Chaos. Auch Vandalismus gab es – ein Kennzeichen dieser Art von »Protest« (an der Universität Amsterdam beliefen sich die Kosten für die Beseitigung der von Anti-Israel-Demonstranten verursachten Schäden bis November 2024 bereits auf über vier Millionen Euro). Eine Studentin schilderte, die Täter seien von vier Seiten in das Bibliotheksgebäude eingedrungen, was auf geplantes Handeln hindeute. Dies alles geschah im Hauptlesesaal der Universität in den letzten Wochen vor den Prüfungen.
Über hundert Festnahmen
Der andere Komplex von Vorfällen, derentwegen an der Columbia nun Täter bestraft wurden, sind die Campus-Besetzungen vom Frühjahr 2024. Im April errichteten Israelhasser ein Protestcamp mit rund fünfzig Zelten auf dem Westrasen und später auf dem Südrasen der Universität. Sie erhoben die Forderung, dass die Columbia alle Kontakte nach Israel beenden müsse. Am 18. April sah sich die damalige Columbia-Präsidentin Minouche Shafik gezwungen, die Polizei zu Hilfe zu rufen. Es gab über hundert Verhaftungen, eine mehrtägige Schließung des Campus und Fernunterricht bis zum 29. April.
Am 29. April stürmten Vermummte die Hamilton Hall auf dem Campus, verbarrikadierten sich und schlugen Fensterscheiben ein. Im Zuge dieser Besetzung wurden zwei Reinigungskräfte, Mario Torres und Lester Wilson, als Geiseln genommen, von einigen der Randalierer angegriffen und als »Jew lover« (»Judenliebhaber«) beschimpft. So steht es in einer Klage, die sie gegen ihren Arbeitgeber, die Universität, im letzten Oktober eingereicht haben. Mittlerweile hat es zwischen den Parteien eine Einigung in Form einer (nicht bezifferten) Entschädigung gegeben.
»Ich werde zwanzig Leute hierherbringen, um dich alle zu machen«, soll einer der Teilnehmer des »Protests« zu Torres gesagt haben. In der Klageschrift heißt es: »Torres zog einen Feuerlöscher, der in Reichweite des Arms lag, von der Wand, um sich zu verteidigen, und antwortete: ›Ich werde genau hier sein.‹« Torres wurde wiederholt von den Randalierern auf den Rücken geschlagen, bevor er entkam, während Wilson gestoßen und mit Möbelstücken traktiert wurde. Schließlich intervenierte die Polizei und räumte das Gebäude, es gab über hundert Festnahmen.
Vom Abend des 29. April bis in die frühen Morgenstunden des 30. April waren Torres und Wilson in dem Gebäude gefangen. Ein Foto zeigt Torres bei einem Zweikampf mit einem Vermummten. Bei dem vermeintlichen »Studenten« handelt es sich Presseberichten zufolge um einen vierzigjährigen Rechtsanwalt namens James Carlson, der ein Stadthaus in Brooklyn im Wert von 2,3 Millionen Dollar besitzt.
Laut NBC News ist Carlson schon häufiger mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Im September 2024 wurde er angeklagt, weil er jemandem eine Israelfahne entwendet und sie in Brand gesteckt haben soll. »Die mutmaßliche Tat dieses Angeklagten ging über den rechtlichen und friedlichen Protest hinaus. Die Begehung der Brandstiftung in einem überfüllten Protest gefährdet die Sicherheit anderer, und diese Art von Verhalten wird nicht toleriert«, kommentierte Manhattans Staatsanwalt Alvin Bragg.
Carlson ist einer von mehr als einem Viertel der im Hamilton Hall Protest festgenommenen Menschen, die laut Polizei keine Verbindung zur Columbia haben, also weder Mitarbeiter noch Studenten sind. Von Ende Mai bis Juni 2024 gab es ein drittes Camp anlässlich des Alumni-Treffens Ende Mai. Mehrfach musste der Hochschulbetrieb unterbrochen werden.
Hakenkreuze entfernen
Noch vor ihrer traumatisierenden Erfahrung in der Hamilton Hall waren Torres und Wilson rassistischen und antisemitischen Graffiti auf dem Campus ausgesetzt gewesen. Laut seiner Klageschrift nahm Wilson die Hakenkreuze »als Symbole der weißen Vorherrschaft« wahr. »Als afroamerikanischer Mann fand er die Bilder zutiefst verstörend. Er meldete sie seinen Vorgesetzten, die ihn anwiesen, die Graffiti zu entfernen.«
»Egal, wie oft Wilson die Hakenkreuze entfernte, Individuen ersetzten sie immer wieder durch neue. Torres, der Latino ist, zählte Dutzende von Hakenkreuzen, die er gezwungen war, zu entfernen, und wurde im Laufe der Zeit wütend, als er die hasserfüllten Graffiti in der Hamilton Hall immer wieder sah. Er war besonders beunruhigt darüber, dass Columbia keine aktiven Maßnahmen gegen die Täter ergriff, da die Universität Sicherheitselektronik hat und ein elektronischer Ausweis nötig ist, um in die Halle zu gelangen …
Sie waren so beleidigend und Columbias Untätigkeit war so frustrierend, dass er schließlich begann, Kreide wegzuwerfen, die in den Seminarräumen hinterlassen worden war, damit Vandalen nichts zu schreiben hätten.«
Daraufhin, so die Klageschrift, wurde er von seinem Vorgesetzten gerügt. Einmal meldete Torres einen Vermummten, der durch die Hamilton Hall lief, dabei »Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein« brüllte und Hakenkreuze an die Wände schmierte. Daraufhin wurde Torres belehrt, dass der Täter nur »seine Rechte gemäß dem Ersten Verfassungszusatz ausübe« und »nichts dagegen getan werden könne«.
Über die Besetzung der Hamilton Hall sagte Torres, wenn er zur Arbeit gehe, rechne er nicht damit, auf einen wütenden, mit Seilen, Panzerband, Masken und Handschuhen bewaffneten Mob zu treffen. »Ich bin ausgeflippt. Zu diesem Zeitpunkt denke ich an meine Familie. Wie sollte ich rauskommen? Durch das Fenster?«
Stundenlange Todesangst
Wilson putzte eine Toilette, als er »im Flur Geschrei hörte«. Er trat auf den Gang und sah »zwei oder drei maskierte Personen«, die Stühle bewegten, mit denen später die Türen verbarrikadiert wurden. Die Klage gibt an, dass sich Wilson geweigert habe, das Gebäude zu verlassen und verlangte, die Vermummten hätten zu gehen. Daraufhin hätten maskierte Personen begonnen, ihn zu schubsen und Möbel gegen in ihn zu rammen. Als beide Männer versuchten, aus dem Gebäude zu fliehen, stellten sie fest, dass alle Ausgänge mit schweren Möbeln, darunter Tische und Verkaufsautomaten, verbarrikadiert und Türen und Fenster mit Kabelbindern und Fahrradketten verschlossen worden waren.
In dieser Nacht fürchteten beide Männer um ihr Leben. In den Tagen nach der Besetzung sagte Wilson dem Nachrichtenportal The Free Press, er habe gedacht, er hätte dort »getötet werden können«.
Die beiden Reinigungsleute haben auch eine Klage gegen die vierzig »Demonstranten« eingereicht, denen sie Geiselnahme, Körperverletzung und eine Verschwörung gegen ihre Bürgerrechte vorwerfen. Die mit Masken und Kapuzen Vermummten ähnelten dem Ku Klux Klan, heißt es in der Klageschrift. Sie gehörten oft zu den extremistischen Gruppen Students for Justice in Palestine (SJP) oder Jewish Voice for Peace (JVP) und seien »Teil eines breiten, antisemitischen Pro-Hamas-Netzwerks von Organisationen, Gruppen und Zellen, die durch ein weitgehend nicht nachvollziehbares, klandestines Kommunikationssystem verbunden« seien. »Sie fördern und betreiben gewalttätige und illegale Taktiken und sind motiviert durch gehässige Diskriminierung von Juden und Unterstützern von Juden.«
»Zurück nach Polen!«
Was jüdische Studenten an der Columbia erleben mussten, ist in Zeugenaussagen in einem offiziellen Bericht der Universität dokumentiert. Betroffene berichteten, ihnen seien Davidsterne vom Hals gerissen, sie gegen Wände gedrückt oder ihnen gesagt worden: »Wir wollen hier keine Zionisten«, »Geht zurück nach Polen!«, »Jeder Tag wird für euch der 7. Oktober sein«. Sie würden bespuckt, als »Völkermörder« beschimpft und müssten mit dem Anblick von Hakenkreuzen auf dem Campus leben.
In der aktuellen Pressemitteilung der Columbia University – die von der ARD verschwiegen wird –, heißt es, um eine »florierende akademische Gemeinschaft zu schaffen«, bedürfe es des »Respekts voreinander«, »Richtlinien und Regeln«. »Störungen der akademischen Aktivitäten verstoßen gegen die Richtlinien und Regeln der Universität, und solche Verstöße werden notwendigerweise Konsequenzen nach sich ziehen.«
Täter zu Opfern
tagesschau.de verliert kein Wort über das, was jüdische Studenten an der Columbia seit dem 7. Oktober 2023 durchmachen. Kein Wort über die Störung des Hochschulbetriebs, die sich über ein ganzes Semester erstreckte und diesen zeitweise zum Erliegen brachte. Kein Wort über die Flut von Hakenkreuzen, über die Ausschreitungen oder das Martyrium von Mario Torres und Lester Wilson.
Die ARD verschweigt die lange Serie der Straftaten der »pro-palästinensischen Demonstranten«, darunter Nötigung, Beleidigung, Hausfriedensbruch, Diebstahl, Sachbeschädigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Unterstützung von Terrororganisationen wie der Hamas. Nebelhaft ist von »Antisemitismusvorwürfen« und einem »angeblichen Versagen« der Universität »beim Schutz jüdischer Studenten« die Rede.
Kein Opfer kommt zu Wort. Dafür wird den Tätern breiter Raum für ihre Propaganda gegeben. Sie werden als Opfer dargestellt: »Einer der bekanntesten ist Mahmoud Khalil, der wegen seiner Teilnahme an pro-palästinensischen Demonstrationen festgenommen war. Er verklagt nun die Trump-Regierung«, heißt es auf tagesschau.de. Mahmoud Khalil ist ein Hamas-Unterstützer, der die Massaker des 7. Oktober 2023 feierte und versuchte, die Universität zu erpressen. Aber das sagt tagesschau.de lieber nicht.
Auch der Deutschlandfunk verbreitete die Fake News von der Strafe für »Proteste«. Von »achtzig jungen Leuten« war dort die Rede, die nun bestraft würden. Offenbar grundlos, aus heiterem Himmel. Der Ku Klux Klan wäre in dieser Wahrnehmung vielleicht eine Pfadfindergruppe, die sich am Lagerfeuer trifft.






