Vordergründig will China die Schifffahrt im Roten Meer vor Huthi-Angriffen schützen. Es verfolgt aber auch weitaus umfassendere Absichten.
China hat eine Kriegsflotte ins Rote Meer entsandt, nachdem Huthi-Angriffe auf die Schifffahrt den internationalen Handel empfindlich gestört haben. Die Entsendung gibt jedoch Anlass zu Spekulationen darüber, welche Ziele Peking mit seiner Präsenz in der Region verfolgt.
Vor einigen Tagen berichtete die offizielle Chinese News Agency, dass die 46. Flotte von einem Militärhafen in der Küstenstadt Zhanjiang in der südchinesischen Provinz Guangdong aus in See gestochen sei, um die 45. Flotte nahe der Küste von Somalia zu verstärken und zu unterstützen.
Die chinesische 46. Flotte besteht aus dem Lenkwaffenzerstörer namens Jiaozhou, der Raketenfregatte Xuechang und dem Versorgungsschiff Honghu. Sie soll mehr als siebenhundert Offiziere und Soldaten, darunter Mitglieder von Spezialkommandos, und zwei Hubschrauber umfassen. Nach Angaben der chinesischen Nachrichtenagentur wird die Flotte den Schiffsverkehr im Roten Meer für den Welthandel schützen, einer strategischen Wasserstraße, über die mehr als ein Drittel der Handelsschiffscontainer und schätzungsweise vierzig Prozent des Handels zwischen den Kontinenten Asien und Europa fließen.
Strategische Wasserstraße
Die Verlegung der Flotte erfolgt, nachdem China sich vor Wochen geweigert hatte, sich an der von den USA geführten Militärkoalition namens Operation Prosperity Guardian zu beteiligen, die den wichtigen Schifffahrtskorridor im Roten Meer gegen Angriffe auf Schiffe durch die vom Iran unterstützten Huthi sichern soll.
Die Sicherung der Durchfahrt von Schiffen im Roten Meer und im Suezkanal ist für China von entscheidender Bedeutung, denn laut Daten der britischen Zeitschrift Economist sollen vor dem Dezember 2023 noch neunundneunzig Prozent der Containerschiffe, die zwischen Europa und China verkehrten, den Suezkanal passiert haben. In der zweiten Januarwoche wurde jedoch mehr als die Hälfte dieser Schiffe wegen der Angriffe der Huthi über das Kap der Guten Hoffnung umgeleitet, obwohl die neue Route die Reisezeit um etwa zwei Wochen verlängert und die Transportkosten erhöht.
Eine chinesische Expertin kommentierte die Entsendung der Flotte mit den Worten: »China will seinen Seehandel schützen, weil das Rote Meer ein wichtiger Handelsweg ist, an dem Peking erhebliche kommerzielle Interessen hat.« Sie fügte hinzu, dass China »nur seine Schiffe schützen will und keine darüber hinausgehenden militärischen oder politischen Ziele verfolgt. Was die Sicherheitslage anbelangt, so ist Chinas Position klar und deutlich, dass es sich nicht in den Konflikt in der Region einmischt.«
Weitergehende Absichten
Nabil Mikhail, Professor für Politikwissenschaft an der Georgetown University in den Vereinigten Staaten, ist mit dieser Einschätzung nicht ganz einverstanden, weil er meint, dass China mit seinem Vorgehen »zwei Ziele verfolgt: den Schutz des Handels und den Beweis seiner Präsenz im Roten Meer«. China wolle den Handel schützen und mit den Vereinigten Staaten im Roten Meer konkurrieren, weswegen der chinesische Schritt durchaus strategische Auswirkungen habe.
Mikhail weist darauf hin, dass China bereits einen Marinestützpunkt in Dschibuti unterhalte. Die Entsendung neuer Seestreitkräfte bedeutet also eine Verstärkung der bisherigen militärischen Verankerung in der Region. China wolle seine Präsenz nicht nur den USA, sondern auch allen anderen Ländern deutlich vor Augen führen, die gerade Seestreitkräfte in die Region des Roten Meeres und in den Golf von Aden entsenden.
In einem Forschungspapier des ägyptischen Zentrums für strategisches Denken und Studien heißt es, dass China die zunehmende »Militarisierung« der Lage im Roten Meer als Versuch der USA betrachte, ihren Einfluss auf Kosten der sanften Expansion Chinas zu erhöhen. China glaube, dass die Vereinigten Staaten versuchen, die Spannungen im Roten Meer zu schüren, um das chinesische Projekt einer »Neuen Seidenstraße« zu behindern. In diesem Projekt spielt das Rote Meer als Knotenpunkt zwischen den Land- und den Meeresstraßen eine wichtige Rolle. Außerdem sei man in Peking überzeugt, dass die USA den chinesischen Militärstützpunkt in Dschibuti isolieren wollten.
Das Forschungspapier kommt zu dem Schluss, dass die Entsendung der chinesischen 46. Flotte ins Rote Meer vordergründig der Sicherung des Schiffsverkehrs vor Huthi-Angriffen dient, aber auch das Ziel verfolge, eine nachhaltige westliche Sicherheitsstruktur in der Region zu verhindern, die als Bedrohung für Chinas strategische Interessen gesehen werde.