„‚Die Spontaneität ist aus unserem Leben verschwunden‘, stellt Fabrice Nicolino resigniert fest: ‚Es ist ein Leben wie in einer Konservendose.‘ Sein Erfahrungsbericht steht im neuen Heft von Charlie Hebdo, es ist die Ausgabe zum dritten Jahrestag des Anschlags auf die Redaktion, dem am 7. Januar 2015 elf Mitarbeiter und ein Schutzmann zum Opfer fielen. Bei Reportagen werden die Journalisten seither von Leibwächtern begleitet. (…) Ihren Beruf üben sie in einem Bunker aus, zu dem die Redaktion umgebaut wurde. Das Trauma wiederholt sich täglich: Für Nicolino sind es die endlosen Sekunden, wenn er sich an der Pforte meldet und ein Motorrad in die Straße einbiegen könnte. Es gab, schreibt er, die Zeit davor und es gibt die Zeit seit dem Attentat. Er nennt den Tag ein ‚blutrotes Datum‘, das die Welten trennt. An der von den Terroristen gezogenen ‚roten Blutspur zwischen den zwei Leben‘ vermischen sich für die überlebenden Karikaturisten und Journalisten Albtraum und Wirklichkeit. ‚Wir haben eine Trauer in uns, die nie vergehen wird‘, sagt Nicolino. Und Angst. (…)
Für ‚Anwälte und Therapeuten‘ sei im Redaktionshaushalt eine Million ausgewiesen. Von ‚Zukunftsängsten‘ schreibt Riss in seinem aktuellen Leitartikel. 1,5 Millionen Euro, rechnet er vor, würden für die Sicherheit der Redaktion ausgegeben. Das entspreche dem Verkauf von 800.000 Exemplaren. Riss‘ Editorial ist auch ein offener Brief an ‚Monsieur le Président‘: ‚Ist es der Republik würdig, dass wir eine private Polizei bezahlen müssen?‘ Lange werde sich Charlie Hebdo das nicht mehr leisten können. ‚Die Pressefreiheit wird zum Luxus für Reiche‘, schreibt Riss.“ (Jürg Altwegg: „Sie werden täglich mit dem Tod bedroht“)