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Sarah El Bulbeisi und die Heinrich-Böll-Stiftung: Die Palästinenser als Opfer des Holocaust (Teil 1) 

Sarah El Bulbeisi darf bei der Heinrich-Böll-Stiftung die Palästinenser als Opfer des Holocaust verkaufen
Sarah El Bulbeisi darf bei der Heinrich-Böll-Stiftung die Palästinenser als Opfer des Holocaust verkaufen (© Imago Images / Emmanuele Contini)

Palästinensische Terroristen hätten ebenso viel Aufmerksamkeit und Achtung verdient wie ihre jüdischen Opfer, findet Sarah El Bulbeisi, alles andere sei »anti-palästinensischer Rassismus«. 

Terroristen und Geiselnehmer sind stark diskriminierte gesellschaftliche Gruppen, die unter Vorbehalten und Ausgrenzung leiden. Sie verdienen, dass man ihre Taten »kontextualisiert« und ihre »Biografien erzählt«. Das findet Sarah El Bulbeisi, die sich als die »palästinensische Stimme im deutschen Diskurs« stilisiert, die bislang gerade noch gefehlt habe.

In ihrer 2020 als Buch veröffentlichten Dissertation Tabu, Trauma und Identität schlug sie eine neue Form des Gedenkens an das Massaker von München 1972 vor. Die Täter hätten nicht weniger Achtung verdient als die Ermordeten und ihre Angehörigen: »Wirklich zwei Seiten würden beleuchtet, wenn die Geschichte derer, die einen wirklich hohen Preis für die Geiselnahme bezahlen mussten, erzählt würde: die Geschichte der Palästinenser, die ausgewiesen wurden, oder zum Beispiel die Biografien der Geiselnehmer.«

Die Geiselnehmer gehörten zu denen, die einen »wirklich hohen Preis für die Geiselnahme« bezahlen mussten – wie hatte man das Offensichtliche so lange übersehen können? Das muss wohl damit zu tun haben, dass Palästinenser in Deutschland »unsichtbar gemacht« werden, wie El Bulbeisi immer wieder betont. Geiselnehmer, die vergessenen Opfer in einem Diskurs, der eine »feindselige Binarität des Juden und des palästinensischen Arabers reproduziert«. Das sei »höchst einseitig«, tadelt sie. Man dürfe nicht die »Geschichte des bösen palästinensisch-arabischen Mannes« erzählen – gemeint sind die Geiselnehmer, die zwölf Menschen ermordeten –, wenn man »gleichzeitig sein Leid ausblendet«.

Palästinenser Opfer des Nationalsozialismus

Nun hat El Bulbeisi einen Beitrag auf der Website der Heinrich-Böll-Stiftung, der Parteistiftung der bundesdeutschen Partei Bündnis 90/Die Grünen, mit dem Titel »Palästinenser*innen in Deutschland: Tabus brechen und Traumata thematisieren« veröffentlicht. Darin beklagt sie unter anderem, dass die Palästinenser in Deutschland nicht als Opfer des Nationalsozialismus »betrauert« würden, was sie sich El Bulbeisis Meinung nach redlich verdient hätten. 

Zudem verlangt sie, den »Hamas-Angriff vom 7. Oktober« zu »kontextualisieren«. Halten wir hier inne. »Kontextualisieren« würde heißen, die Taten in ihrem Zusammenhang zu sehen und wäre an und für sich (was die Autorin daraus macht, steht auf einem anderen Blatt) eine vernünftige Idee. 

Genau das haben die Journalisten der New York Times getan, die im März nach zweimonatiger Recherche über sexuelle Gewalt gegen israelische Frauen berichteten und belegten, dass »die Angriffe auf Frauen keine isolierten Ereignisse« waren, sondern »Teil eines umfassenderen Musters geschlechtsspezifischer Gewalt am 7. Oktober«. Anhand von Videomaterial, Fotos, GPS-Daten von Mobiltelefonen und Interviews mit mehr als 150 Personen, darunter Zeugen, medizinisches Personal, Soldaten und Fachleuten für sexuelle Gewalt, identifizierte das Team mindestens sieben Orte, an denen israelische Frauen und Mädchen offenbar sexuell missbraucht oder verstümmelt wurden. 

In dem Bericht heißt es: »Die Times sah Fotos der Leiche einer Frau, die von Rettungskräften in den Trümmern eines belagerten Kibbuz mit Dutzenden von Nägeln in den Oberschenkeln und in der Leistengegend entdeckt wurde. Die Times sah auch ein vom israelischen Militär zur Verfügung gestelltes Video, das zwei tote israelische Soldatinnen auf einem Stützpunkt in der Nähe des Gazastreifens zeigt, denen offenbar direkt in die Vagina geschossen worden war.«

Das ist jedoch nicht der Kontext, den El Bulbeisi sich wünscht. Spricht sie von »kontextualisieren«, meint sie damit einen, wie sie sagt, »Verweis auf die jahrzehntelange israelische Staatsgewalt gegen Palästinenser*innen«, der in Deutschland angeblich »geächtet« würde. »Kontextualisierung« heißt bei ihr also: Entschuldigung und Rechtfertigung der Vergewaltigungen, Entführungen und anderen Gräueltaten. El Bulbeisi will es aussehen lassen, als hätten die Täter für ihr Handeln gute Gründe gehabt. Sie ist eine Propagandistin des Terrors, die für eine Stiftung schreibt, die aus deutschen Steuermitteln bezahlt wird.

Lob für DDR und PLO

Zionismus bedeutet für sie, »die Indigenen zu verdrängen oder zu unterwerfen«, wie sie in ihrer Dissertation schreibt. Der Zionismus, behauptet sie, stehe in einer Tradition »heilgeschichtlicher Ordnung«, die »in den 1920er, 30er und 40er-Jahren« zu verorten sei.

Mitunter wendet El Bulbeisi sich gegen einen »Opfer-Täter-Diskurs« bzw. eine »Opfer-Täter-Dichotomie«, um dann aber im selben Absatz eine ebensolche herzustellen, wenn sie Juden und Araber als »Besatzer und Besetzte« meint identifizieren zu können. Immer ist der israelisch-arabische Konflikt bei ihr ein Kampf zwischen bösen Eindringlingen, die in dem Land nichts verloren hätten, und guten »Indigenen«. Höhnisch spricht sie über »moralische Konzepte wie Frieden, Ausgewogenheit, Unparteilichkeit, Narrativität«, die angeblich dazu dienten, »den Umstand der systematischen Gewalt« zu »verdecken«. Die »systematische Gewalt« kommt bei El Bulbeisi nur von den Juden. 

Ganz anders sei etwa die DDR gewesen, von der sie in der Einleitung zu berichten weiß, dass sie »sich enorm um Friedenssicherung und Konfliktvermeidung bemühte«. Auch über die PLO hat El Bulbeisi nur Gutes zu sagen – zumindest über die PLO jener Jahre, als sie noch im Wochentakt blutige Anschläge verübte: »Die Jahre 1967 bis 1982 bildeten die Hochzeit des von außerhalb des israelischen Gebiets geführten Befreiungskampfs.«

Zu diesem Befreiungskampf in seiner Hochzeit zählten etwa das Massaker an der Grundschule Ma’alot am 15. Mai 1974 (31 Ermordete, davon 21 Kinder) und das Küstenstraßenmassaker am 11. März 1978 (37 Ermordete, davon zehn Kinder). Damals sei es, schwärmt El Bulbeisi, Jassir Arafat gelungen, »die PalästinenserInnen zu mobilisieren und die verschiedenen Klassen-, Gender- und Berufsidentitäten unter einem nationalen Bewusstsein zu einen«. Falls die Frage kommt: Nein, El Bulbeisi hat nicht wie Mahmud Abbas zu Sowjetzeiten an der Patrice-Lumumba-Universität Moskau promoviert, sondern vor wenigen Jahren an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Aber sie schreibt, als käme sie aus einer marxistisch-antiimperialistischen Kaderschmiede.

Imperialistisch-orientalistischer Blick

Vom Marxismus-Leninismus hat sie auch die Technik übernommen, politische Gegner insofern zu diskreditieren, als sie ihnen die Fähigkeit abspricht, die Wirklichkeit zu erkennen. Im Marxismus-Leninismus hieß dies »bürgerliches Bewusstsein«. Bei El Bulbeisi ist es der »imperialistisch-orientalistische Blick«: »Im imperialistisch-orientalistischen Blick galt (und gilt) Israel als der einzige demokratische Staat im Nahen Osten, der westliche Werte wie Demokratie, Ökologie, Menschen-, Frauen-, und LGBTIQ+-Rechte repräsentiert.«

Man beachte, dass sie es gar nicht für nötig hält, die von ihr wiedergegebene Behauptung zu widerlegen; sie betrachtet sie als dadurch erledigt, dass sie sie mit einem vermeintlich verächtlichen kulturellen Standpunkt in Verbindung setzt: Dass nirgendwo sonst im Nahen Osten »Demokratie, Ökologie, Menschen-, Frauen-, und LGBTIQ+-Rechte« hochgehalten werden, sei eine Vorstellung, die ja nur Imperialisten und Orientalisten (was immer beides jeweils bedeuten mag) in den Kopf kommen könne. Diese Technik nutzt El Bulbeisi häufig: das Vermeiden jeglicher Argumentation, um den Anschein zu erwecken, eine vermeintliche Tatsache sei so offensichtlich, dass ein Beleg überflüssig sei.

Die »Vertreibungen von 1947«

Ein anderes der Grundnahrungsmittel, mit denen sie ihre Leser füttert, ist das Reden über die »Massenvertreibungen von 1947 bis 1948«, welche die palästinensischen Araber angeblich durch die Hand der Juden erlitten hätten.

Wie Omri Boehm, ein anderer Spezialist für die Klitterung israelischer Geschichte, blendet sie aus, dass es 1947/48 einen Krieg gab, der von arabischer Seite als Bürgerkrieg begonnen wurde und am 15. Mai durch die Invasion von sieben arabischen Armeen zum multinationalen Konflikt eskalierte. Wie Boehm stellt sie die Flucht und Vertreibung eines Teils der arabischen Bevölkerung des Mandatsgebiets Palästinas als ethnische Säuberung dar, welche die Juden angeblich von langer Hand geplant hätten; wie Boehm erwähnt sie mit keinem Wort die Vertreibung von Judenaus den von Ägypten und Transjordanien eroberten Gebieten Palästinas oder gar aus arabischen Staaten wie Ägypten, Libyen, Algerien oder dem Irak: die »jüdische Nakba«.

Um gegenüber Leuten wie Boehm einen Wettbewerbsvorteil zu haben, datiert El Bulbeisi den Beginn der »Massenvertreibungen« von Arabern aus Palästina schon auf das Jahr 1947 statt wie üblich auf 1948 – also auf eine Zeit, als die Briten das gesamte Mandatsgebiet Palästina kontrollierten, die Juden so gut wie keine Waffen in Besitz hatten und überall im Land unter Belagerung der arabischen Milizen standen.

Für ihre Doktorarbeit interviewte die Autorin einen Mann, der 1958 im palästinensischen Flüchtlingslager Jarmuk in Syrien geboren wurde, der seine Geschichte aber so erzählt, als stamme er aus Haifa und wäre von dort 1948 vertrieben worden. Dabei machte er eine Aussage, die El Bulbeisi bemerkenswert findet: »Und die Palästinenser, die man 1948 vertrieb, nachdem man ihnen versprochen hatte, sie würden nach einigen Tagen oder Wochen in ihre Häuser zurückkehren.«

El Bulbeisi versteht den Sinn der Aussage nicht. Sie sieht in ihr eine »leichte Ungereimtheit«, da doch »das Versprechen der Rückkehr eher zum Terminus der Flucht als zum Terminus der zwanghaften Vertreibung passt, auf die er so besteht«. Den vermeintlichen Widerspruch löst sie durch Küchenpsychologie, ihr Steckenpferd: Offenbar versuche ihr Gesprächspartner, »verschiedenen Schulddiskursen zu begegnen«. Sie hätte ihn einfach geradeheraus fragen können, wer denn seiner Familie die Rückkehr »nach einigen Tagen oder Wochen« zugesagt hatte. Aber eine solche Kontextualisierung scheut El Bulbeisi – sie würde damit das Hauptargument von der Vertreibung durch die Zionisten zerstören. 

Was geschah wirklich im April 1948 in Haifa?

Bezüglich des historischen Hintergrunds ist zu wissen, dass der Befehlshaber der britischen Truppen in Nordpalästina, Generalmajor Hugh Stockwell, Mitte April 1948 überraschend ankündigte, die Briten würden in Kürze Haifa (eine Stadt, die laut UN-Teilungsplan Teil des jüdischen Staates sein sollte) verlassen, also mehr als drei Wochen vor dem Ende des britischen Palästinamandats. Als arabische Milizen begannen, die freiwerdenden strategischen Positionen zu besetzen, kam es am 21. und 22. April 1948 zur Schlacht um Haifa, bei der die Juden überraschend die Oberhand gewannen. Die örtlichen arabischen Führer waren schon am ersten Tag der Kämpfe geflohen; einige hochgestellte arabische Persönlichkeiten, die geblieben waren, baten Stockwell, einen Waffenstillstand zu vermitteln. Sie erhielten dafür jedoch keine Genehmigung vom Arabischen Hohen Komitee (AHC) des ehemaligen Großmuftis, Amin al-Husseini. Weil sie fürchteten, als Verräter geächtet und ermordet zu werden, brachen sie die Waffenstillstandsverhandlungen ab und befahlen – zum Entsetzen Stockwells und Haifas jüdischem Bürgermeister Shabtai Levy – den arabischen Einwohnern, auf Schiffen die Stadt zu verlassen. Für den 15. Mai war die arabische Invasion geplant; dann, so sagte man den fliehenden arabischen Einwohnern Haifas, würden sie in ihre Häuser zurückkehren können. Es kam bekanntlich anders.

Haben Juden Traumaforschung »kolonisiert«?

El Bulbeisi zeigt kein tieferes Interesse an den biografischen Einzelheiten ihrer Gesprächspartner. Sie fragt nicht, warum jemand, der 1958 in Syrien geboren wurde, nie in diese Gesellschaft integriert, sondern wie ein Fremder behandelt wurde. Sie fragt nicht, was falsch ist mit einer Gesellschaft, die versucht, das Leben ihrer Urahnen in einer längst untergegangenen Welt weiterzuführen. Sie untersucht nicht, wie die Assad-Dynastie seit Jahrzehnten die Frontstellung gegen Israel ausnutzt, um die Diktatur zu rechtfertigen und Dissens zum Schweigen zu bringen. 

Während sie mit Vorwürfen an Deutschland nie geizt – hier müssten Palästinenser ihre »Identität« verstecken, würden sie »unsichtbar« gemacht und Opfer einer nicht näher beschriebenen »Polizeigewalt« sein –, hat sie über das Leben von Palästinensern unter der syrischen Diktatur nichts Nachteiliges zu berichten, auch über Jarmuk nicht, dem Ort unsagbarer Gräuel

Schuld am Elend der palästinensischen »Flüchtlinge« und ihrer Nachkommen sind bei El Bulbeisi die Juden. Sie hätten sogar die Beschäftigung mit Traumata kolonisiert. In ihrer Dissertation zitiert sie zustimmend einen Kollegen, der dazu aufgerufen hat, die trauma studies zu »dekolonialisieren«, weil sie »den Genozid an den europäischen Jüdinnen und Juden privilegierten«. So sind sie, die Juden: selbst, wenn sie in die Öfen geworfen werden, schaffen sie es noch, sich aus diesem Umstand »Privilegien« zu verschaffen.

Literatur:

Sarah El Bulbeisi: Tabu, Trauma und Identität. Subjektkonstruktionen von PalästinenserInnen in Deutschland und der Schweiz, 1960–2015. Bielefeld 2020.

Teil 2 des Artikels finden Sie hier.

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