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Buckeln vor dem Scheich

Alsterhaus in Hamburg (© Imago Images / blickwinkel)

Mit einem falschen Scheich, dessen drei vermeintlichen Ehefrauen und versteckten Kameras hat ein Blog für Männermode getestet, wie dienstbeflissen die Mitarbeiter des Hamburger Nobelkaufhauses Alsterhaus sind. Das Ergebnis: Scheichs vom Persischen Golf brauchen nicht zu fürchten, im Alsterhaus auf eine Servicewüste zu treffen. Die eigens für ein unvergessliches Einkaufserlebnis abgestellten Angestellten mühten sich, dem Scheich jeden noch so abwegigen Wunsch zu erfüllen, lagen ihm buchstäblich zu Füßen und trugen ihn am Ende sogar auf Händen. Ein Sprecher des Alsterhauses hat den Vorfall gegenüber Journalisten des Hamburger Abendblatts bestätigt.

Dandy Diary nennt sich der Blog, der den Besuch des falschen Scheichs inszeniert und daraus mit versteckten Kameras einen zehnminütigen Film gemacht hat. Die Macher erläutern:

„NIKE will mit dem Pro Hijab muslimischen Athletinnen zu mehr Gleichberechtigung verhelfen. Dolce & Gabbana produziert Luxuskopftücher. Und das Frankfurter Museum der Angewandten Kunst polarisiert mit der Ausstellung ‚Contemporary Muslim Fashion’. ‚Modest Fashion’ ist ein Multi-Million-Dollar-Business, welches immer relevanter für die Modeindustrie wird, somit auch für uns – als Thema: ‚Fata Morgana’. Ein Schauspieler, verkleidet als Scheich, geht mit seinen drei Frauen (und: 4 versteckten Kameras) in eines der größten deutschen Luxuskaufhäuser. Unser Scheich wird vorab per E-Mail und Telefon glaubhaft angekündigt, dementsprechend gebührend fällt sein Empfang aus.“

Im Film sieht man einen bärtigen männlichen Schauspieler in einem Thawb, dem weißen Gewand, wie es traditionell in den Wüstenregionen der Arabischen Halbinsel von Männern getragen wird. Begleitet wird er von drei in schwarze Niqabs gehüllte Personen, die den Kaufhausangestellten als die „Ehefrauen“ vorgestellt werden, von denen die „neueste“ angeblich erst 14 Jahre alt ist. Der vermeintliche Scheich gibt vor, dass er für seine Ehefrauen Geschenke kaufen will.

„Sprechen Sie nicht mit ihnen“

Als der falsche Scheich und seine drei Frauen vor dem Alsterhaus aus dem Auto steigen, warten dort bereits fünf Angestellte – drei Männer und zwei Frauen – mit durchsichtigen Regenschirmen, weil offenbar einige Regentropfen vom Himmel fallen. Der Scheich erklärt auf Englisch: „Dies sind meine Frauen, wir gehen heute shoppen. Dies ist Rashida, Saphire, Amida. Bitte sprechen Sie nicht mit ihnen, sprechen Sie mit mir.“ Die Angestellten verziehen keine Miene. Dann setzt sich die Shoppingtruppe wie eine Prozession in Bewegung; die Angestellten sorgen mit ihren Schirmen dafür, dass der Scheich und seine Frauen keinen Tropfen abbekommen. Vor dem Alsterhaus kniet ein Bettler. „Ist das normal?“, fragt der Scheich. „Ja, ist es“, erklärt ihm einer der Angestellten, „und es ist legal“. Der Scheich sagt, dass er als erstes eine neue Handtasche für Rashida möchte: „Ich mag diese Tasche nicht mehr.“ „Suchen Sie eine für sie aus?“, vergewissert sich der Verkäufer. Der Scheich bejaht die Frage. In der nächsten Filmeinstellung sagt er, dass er für seine „neueste Frau, Amina“ Unterwäsche kaufen möchte. Es geht in den dritten Stock. Der Angestellte entschuldigt sich, dass der Aufzug sehr eng sei: „Ich weiß nicht, ob…“.

– „Der Scheich ergänzt: ‚Ob all die Ehefrauen…?‘
– ‚Ja.‘
– ‚Wenn sie nicht alle passen, kann Rashida, sie ist die dickste, hier warten, das ist kein Problem.‘ ‚Rashida‘, sagt er zu einer seiner Begleiterinnen gewandt, ‚du nimmst die Treppe, das ist auch ein Training.‘“

Im Aufzug vertraut der Scheich dem Verkäufer an: „Amira ist meine neueste Ehefrau. Sie hat demnächst ihren süßen 15. Geburtstag. Es ist also ein Geburtstagsgeschenk für den süßen 15ten.“ Der Verkäufer erkundigt sich, ob eine Kollegin sich Amira „wegen der Größe“ ansehen solle. „Nein, nein, niemand soll sie sehen. Es ist ein junger Körper, sie hat noch keine Brüste, nichts.“ Der Verkäufer versteht: „Also Sie suchen für sie aus?“ – „Ich suche für sie aus, ich weiß die Größe, ich muss nur meine Einbildungskraft auf ihren winzigen Körper anwenden, und dann wird sie hineinwachsen.“ Der Scheich hält den BH Amira an die Brust und sagt zu der Verkäuferin gewandt: „Wir feiern ihren 15. Geburtstag.“ Er bittet eine der Verkäuferinnen, sich den BH selbst an die Brust zu halten, damit er sich besser vorstellen könne, wie er an seiner Frau aussieht. Die Verkäuferin kommt dem Wunsch nach. Der Scheich lässt sich noch einen String-Tanga für Saphire zeigen: „Ein String für das große Mädchen.“ Dabei tätschelt er ihr den Kopf und sagt: „Kannst du hüpfen?“ Saphire hüpft.

„In meinem Land ist das kriminell“

Nachdem er einige Zeit lang einen Zigarillo geraucht hat, macht ihn einer der Verkäufer höflich auf das Rauchverbot aufmerksam: „Wir kriegen Probleme mit dem Alarmsystem.“ Der Scheich entdeckt, dass eine Unterwäschemarke „Bordell“ heißt. „Selbst wenn nur ich das sehe, das ist eine rote Linie. Ich weiß, hier in Deutschland, man hat mich informiert, dass hier jeder Sex mit jedem hat, und für euch ist das normal, aber in meinem Land ist das eine Beleidigung. Es ist kriminell, kriminell.“ Die Verkäuferin nickt: „Okay.“

Der Scheich sagt, dass er mit Mode eigentlich nichts anfangen könne, das sei für die Frauen. „In meinem Land gibt es eine Redensart: Kleide dein Pferd nicht besser als dich selbst, aber ich bin dumm genug, das für sie zu tun.“ Der Verkäufer lacht. Der Scheich fügt hinzu: „Wissen Sie, ich bin eine Art Bürgerrechtsaktivist.“ Er lässt sich von einem der Verkäufer den Rücken kratzen. Dann lässt er sich einen Stuhl bringen und fordert eine seiner Frauen auf, ihm die Socken zu wechseln. Da sie dabei Schwierigkeiten zu haben scheint, übernimmt der Verkäufer den Dienst. Der Scheich lobt ihn: „Mein Freund, das mit den Socken hast du sehr nett gemacht. In meiner Kultur ist es kein Problem, wenn Männer – das hat nichts mit Homosexualität zu tun.“ „Nein, nein, das hat damit nichts zu tun“, pflichtet ihm der Verkäufer bei.

– „‚Wir sind keine Homosexuellen‘
– ‚Nein‘, lacht der Verkäufer.
– ‚Das ist nicht lustig. Das ist sehr ernst.‘
– ‚Okay, kein Problem.‘“

Dann sagt der Scheich, dass er nicht laufen wolle, ob es möglich sei, ihn zu tragen. Zusammen mit einem Kollegen trägt der Verkäufer den falschen Scheich nun durch das Alsterhaus.

Auf Anfrage des Hamburger Abendblatts räumte der Eigentümer des Alsterhauses, die KaDeWe-Gruppe in Berlin, nach Angaben der Zeitung ein, „vermeintlich wohlhabende Kunden besser zu behandeln als andere“:

„Selbstverständlich bieten unsere Häuser einen VIP-Service, der auch ein Personal Shopping umfasst“, sagte eine Sprecherin. „Im vorliegenden Fall haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedoch nicht so gehandelt und sich verhalten, wie wir und sie selbst sich das vorstellen. Die Hausleitung hat daher ein intensives Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen geführt und sie auch nochmals eindringlich auf unsere Werte und Normen aufmerksam gemacht. Wir sind sicher, dass sich ein solcher Fall nicht wiederholen wird.“

Wie im richtigen Leben

Im Alsterhaus sicherlich nicht. Der nächste Scheich, der sich dort blicken lässt, wird sich warm anziehen müssen. Obwohl die Gesichter der Angestellten unkenntlich gemacht sind, wird ihnen die Angelegenheit wahrscheinlich etwas peinlich sein. Aber warum? Weil sie auf einen Witz mit versteckter Kamera hereingefallen sind? Oder weil sie gute Miene zum bösen Spiel gemacht haben, als sie scheinbar einem polygamen Scheich gegenüberstanden, der nichts dabei findet, mit einer 14-Jährigen verheiratet zu sein, verächtlich über Homosexuelle spricht und Frauen sowie seine Mitmenschen im Allgemeinen wie Dreck behandelt?

Das ist just das unterwürfige Verhalten, das auch die deutsche Bundesregierung und Bundespräsident Steinmeier immer an den Tag legen, wenn ihnen ein komisch gekleideter Despot vom Persischen Golf über den Weg läuft. Eine Sprecherin des Bundespräsidenten sagte dieser Tage sogar, dass sich das eben so gehöre. So wie die Verkäufer des Alsterhauses gegenüber dem falschen Scheich, katzbuckeln die höchsten Vertreter des Staates gegenüber echten Despoten, die vielleicht sogar Blut an den Händen haben. Das tun sie nicht etwa vor versteckter Kamera, sondern ganz offen. Und das ist – anders als das Video aus dem Alsterhaus – überhaupt nicht witzig.


[Anmerkung der Redaktion: Sie können sich diesen Artikel vorlesen lassen, indem Sie auf das „Play“-Symbol über dem Text klicken. Das ist ein Pilotprojekt, die Software befindet sich in der Testphase. Wir freuen uns über Ihr Feedback an info@mena-watch.com.]

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