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Bruderzwist im jordanischen Königshaus

Ein Bild aus besseren Zeiten: der jordanische Ex-Kronprinz beim Fallschirmspringen 2012 (© imago images/Xinhua)
Ein Bild aus besseren Zeiten: der jordanische Ex-Kronprinz beim Fallschirmspringen 2012 (© imago images/Xinhua)

Nach neuerlichen Auseinandersetzungen stellte der jordanische König seinen Halbbruder Hamsa wie schon vor einem Jahr erneut unter Hausarrest.

Nicht zum ersten Mal gibt es innerhalb der jordanischen Königsfamilie heftige politische Differenzen. König Abdullah II. hat in einem öffentlichen Schreiben kundgetan, dass er seinen 42-jährigen Halbbruder Hamsa bin al-Hussein mit sofortiger Wirkung unter Hausarrest stellt, was bedeutet, dass Hamsa den Palast nicht verlassen darf. Auch würden sein persönliches Umfeld und seine Kontakte zur Außenwelt eingeschränkt.

Der heute 60-jährige König Abdullah begründete seinen drastischen Schritt mit dem »unberechenbaren Verhalten seines Bruders und wirft ihm vor, »die Stabilität Jordaniens zu gefährden«. Selbstverständlich werde es Hamsa künftig an nichts fehlen, »wir werden ihn mit allem versorgen, was er für ein komfortables Leben benötigt, aber er wird nicht den Raum haben, den er einst missbrauchte, um die Nation, ihre Institutionen und seine Familie zu beleidigen oder die Stabilität Jordaniens zu untergraben«, heißt es in dem königlichen Schreiben.

Der Nachrichtensender Al Jazeera veröffentlichte letzte Woche die Erklärung von König Abdullah, in der er unter anderem sagte: »Ich habe immer versucht, angesichts der Handlungen meines Bruders Hamsa Zurückhaltung zu zeigen … Ich hoffte, er würde sein Verhalten eines Tages überdenken, aber ich wurde enttäuscht. Er bleibt auf demselben fehlgeleiteten Kurs.«

Vorwurf der Verschwörung

Anfang April letzten Jahres kam es zum Höhepunkt der innerfamiliären Konflikte, als Abdullah seinen Halbbruder der Verschwörung bezichtigte und ihn nach der Stürmung seines Palastes in Amman durch Sicherheitskräfte erstmals unter Hausarrest stellen ließ. Bei der Aktion wurden an die zwanzig Personen verhaftet, darunter enge Vertraute von Hamsa. Das Treffen wurde vom jordanischen Generalstab als »Planung eines Putschversuchs« bezeichnet. Außenminister Ayman al-Safadi ergänzte, die Sicherheitsbehörden hätten Kontakte zwischen Hamsa und »ausländischen Gruppen« registriert, die darauf abzielten, Jordanien politisch zu destabilisieren.

Diese Annahme wurde, so der Generalstabschef, durch die Anwesenheit von Sharif Hassan Bin Zaid, einem Mitglied der Königsfamilie und ehemaligen Gesandten in Saudi-Arabien, und von Bassem Awadallah, dem früheren Leiter des königlichen Hofes und Ex-Finanzminister untermauert, der anschließend ebenfalls in Saudi-Arabien tätig war und enge Kontakte mit dem saudischen Kronprinzen Muhammad Bin Salman pflegte. Bei dem anschließenden Prozess wurden Bin Zaid und Awadallah zu jeweils fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt. Hamsa, der selbst nicht angeklagt wurde, legte seinem Bruder ein Unterwerfungsschreiben mit einem Treueschwur auf den jordanischen Thron vor.

Der Aufstand im jordanischen Königshaus wurde sowohl im ganzen Nahen Osten als auch in Amerika mit großem Interesse verfolgt. Fast alle arabischen Staatsführer stellten sich demonstrativ hinter König Abdullah. Vor allem Saudi-Arabien reagierte unmittelbar mit einer Unterstützungserklärung gegenüber dem jordanischen König. Aber auch die USA, für die Jordanien ein wichtiger Verbündeter ist, beteuerten ihre Solidarität, hatten sie doch erst einige Monate zuvor ein neues Verteidigungsabkommen mit Jordanien abgeschlossen.

Politische Gegensätze

Der jetzigen Anordnung geht eine jahrelange Auseinandersetzung um die politische Ausrichtung des Landes zwischen den beiden Söhnen von König Hussein, der 1999 verstarb, voraus. Nach seiner Inthronisierung ernannte Abdullah Hamsa, der als Lieblingssohn Husseins galt, zunächst zu seinem Nachfolger, revidierte aber im Jahr 2004 seine Entscheidung und setzte seinen ältesten Sohn als Thronfolger ein.

Doch die beiden Brüder trennen nicht nur politisch unterschiedliche Ansichten, sondern auch deren persönliche Lebensumstände. Erhielt Abdullah in England eine vornehme Ausbildung, die ihm Zugang zu den exklusiven gesellschaftlichen Eliten ermöglichte und ihm dadurch in Jordanien den Status einer unantastbaren Führungsfigur einbrachte, wuchs sein zwanzig Jahre jüngerer Bruder in Jordanien – im Vergleich zu Abdullah – eher einfachen Verhältnissen im Umfeld von Stammesfürsten und Clanführern auf. Daraus entwickelte sich eine direkte Beziehung zur jordanischen Bevölkerung, bei der Hamsa, ähnlich wie sein Vater es war, wesentlich beliebter ist als sein Bruder, der in abgeschotteten Verhältnissen lebt.

Bedingt durch diese Sozialisation und seine größere Volksnähe erkannte Hamsa die politischen und sozialen Missstände, die unter der Herrschaft seines Bruders erwachsen waren. In den letzten Jahren kritisierte er in Interviews und öffentlichen Stellungnahmen immer wieder die »Korruption, den Nepotismus und die Misswirtschaft«, die dem »herrschenden System wichtiger sind als das Leben und die Würde und Zukunft der zehn Millionen Menschen, die hier leben«, wie er letztes Jahr in einem Video, das er der britischen BBC zukommen ließ, formulierte.

Instabilität und Unzufriedenheit

Die Affäre um den ehemaligen Kronprinzen ist nur das sichtbarste Zeichen der zunehmend tristen Lage im Land. Die immer restriktiver gewordene Amtsausführung, die alle administrativen Ebenen durchziehende Korruption, gegen die sich mittlerweile sogar bedeutende Stammesführer öffentlich wehren, die miserable wirtschaftliche Lage, die sich durch die Corona-Epidemie noch verschlimmerte, und nicht zuletzt die Furcht vor willkürlichen Verhaftungen, wagt man es, seine freie Meinung zu äußern, haben der Beliebtheit des Königs sehr geschadet.

Auch außenpolitisch fühlt sich Abdullah bedrängt. Die zwischen Israel und den Golfstaaten abgeschlossenen Abraham-Abkommen und die Annäherung der Saudis zu Israel verheißen eine neue, friedlichere, wirtschaftlich prosperierende Zukunft des Nahen Ostens. Hinzu kommen die aktuellen Auseinandersetzungen mit Israel im Zuge der Unruhen am Tempelberg während des vergangenen Ramadans. Nachdem auch Amerika, beginnend unter der Präsidentschaft von Barack Obama, seinen außenpolitischen Schwerpunkt in Richtung Pazifik verlegt und seine Präsenz im Nahen Osten verringert hat, sieht Abdullah seinen regionalen Einfluss geschwächt.

Öffentlicher Rückzug

Als wäre dies alles nicht genug, düpierte Hamsa Anfang April seinen königlichen Bruder erneut. In einer überraschenden Erklärung, die er auch über Twitter verbreitete und von der Nachrichtenagentur Reuters zitiert wurde, teilte der ehemalige Kronprinz mit, sich von allen öffentlichen Ämtern zurückzuziehen und auch den Titel eines Prinzen abzulegen, da »… meine Überzeugungen und die von meinem Vater vermittelten Werte mit den modernen Herangehensweisen und Methoden unserer Einrichtungen« nicht in Einklang zu bringen seien. Wie die jüngsten Ereignisse zeigen, war mit diesen Äußerungen für das Königshaus eine rote Linie überschritten. Wie – und ob – sich diese drakonische Entscheidung auf die innenpolitische Lage auswirken wird, ist noch nicht abzusehen.

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