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Brooklyn: Juden verjagen Pro-Hamas-Demonstranten

Straßenszene in Borough Park im New Yorker Stadtteil Brooklyn. (© imago images/Luis Carballo)
Straßenszene in Borough Park im New Yorker Stadtteil Brooklyn. (© imago images/Luis Carballo)

In Brooklyn kam es Straßenschlachten, als Juden sich einer Demonstration von Israel-Feinden entgegenstellten.

Pro-Hamas-Demonstranten marschierten letzte Woche in das von vielen ultraorthodoxen Juden bewohnte Viertel Borough Park im New Yorker Stadtteil Brooklyn — angeblich, um gegen Grundstücksverkauf in Israel zu protestieren. Dort griffen sie Juden an; diese setzten sich gegen die Angreifer zur Wehr, und es kam zu Straßenschlachten.

Borough Park hat knapp 200.000 Einwohner, von denen rund die Hälfte Juden sind. Vor allem viele Haredi-Familien leben dort. Die Gewalt ging auf einen Protestaufruf einer Gruppe namens Palawda zurück, die zu Demonstrationen gegen eine Immobilienmesse aufgerufen hatte, bei der, wie sie behauptete, angeblich auch Immobilien im Westjordanland verkauft würden. Palawda rief dazu auf, den Verkauf »gestohlenen Landes« zu stoppen.

Laut der israelischen Organisation NGO Monitor handelt es sich bei Palawda (auch: al-Awda) um einen in den USA als gemeinnützig anerkannten, also steuerbefreiten, Verein. Palawda trete als Sponsor der Boykottkampagne der US Campaign for the Academic and Cultural Boycott of Israel (USACBI) auf. Es gebe Verbindungen zu dem Verein Samidoun, einer Vorfeldorganisation der Terrororganisation PFLP (der in Deutschland verboten ist). Palawda strebt nach eigenen Worten die »vollständige Befreiung Palästinas« an und äußerte sich am 7. Oktober 2023 lobend und »solidarisch« zu den Massakern und Entführungen durch die Hamas:

»Wir, die al-Awda Palästina-Koalition für das Recht auf Rückkehr, stehen fest und unerschütterlich hinter dem palästinensischen Widerstand und fordern unser palästinensisches Volk nachdrücklich auf, sich angesichts des kolonialen Völkermords zu mobilisieren. Dieser anhaltende Kampf, der aus einer tief verwurzelten Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Befreiung geboren wurde, erfordert unsere entschlossene Solidarität.«

Borough Park fluten

In Brooklyn hatte Palawda seine Anhänger dazu aufgerufen, »Borough Park zu fluten« — offenbar eine Anspielung auf die »Al-Aqsa-Flut« genannten Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023.

Der Londoner Jewish Chronicle berichtete, die »Spannungen« zwischen Palawda und Anwohnern seien eskaliert, nachdem die jüdischen Bewohner des Viertels mit »hetzerischen Parolen beschimpft« worden seien. Laut dem Bericht gab es mehrere Lager, wobei die Polizei sie zu trennen suchte: Vor der Messe die Anti-Israel-Demonstranten, die sich gegen die Messe richteten; daneben proisraelische Gegendemonstranten; schließlich noch Anwohner, die das Spektakel als Zuschauer betrachteten oder als unbeteiligte Passanten vorbeigingen.

Die Gruppen seien durch Polizeibarrikaden voneinander getrennt worden, wobei die antiisraelischen Demonstranten aber näher an den Anwohnern postiert gewesen seien.

Die Demonstranten hätten Slogans skandiert wie »Siedler, Siedler, geht nach Hause, Palästina gehört uns allein« und »Zionisten, fahrt zur Hölle«. Einige hätten auch feindselige Bemerkungen zu jüdischen Passanten und Gegendemonstranten gebrüllt. Auch zur »Intifada« und »Revolution« wurde aufgerufen.

Unter den proisraelischen Gegendemonstranten waren dem Bericht zufolge Mitglieder der Gruppe Betar US. Auf ihrer Website stellt diese sich in die Tradition der jüdischen Selbstverteidigungsgruppen, die der Zionist Wladimir Ze’ev Jabotinsky im Zuge der Pogrome im russischen Zarenreich und später auch im Mandatsgebiet Palästina gründete. Auf der Homepage heißt es:

»Betar ist hier, um Juden zu rekrutieren, zu entwickeln und zu befähigen, Führer und Verteidiger Zions, der Nation Israels zu sein, auf dem Campus, in Städten, in den Medien, in der Geschäftswelt und auf der Straße. Wir sind laut, stolz, aggressiv und unverblümt Zionisten. Wir sind nicht die netten, höflichen Juden, wir sind die lauten, stolzen Zionisten. Wir sind online und offline und wir sind direkte, klare und stolze Betarim.«

Betar rühmt sich, Zweigstellen in mehreren großen Städten der USA zu haben und kündigt an, »auf dem Campus und außerhalb in Aktion treten und eine Führung übernehmen« zu wollen, wie es »andere« – andere Juden, soll das wohl heißen – angeblich nicht getan hätten.

»Wir stehen vor einer zivilisatorischen Herausforderung, für die die jüdisch-amerikanische Gemeinschaft nicht gerüstet ist. Das einfache Thema, das im Mittelpunkt von allem stehen wird, was wir tun und veröffentlichen, ist #JEWSFIGHTBACK.«

Kontroverse um Betar

Betar ist auch innerhalb jüdischer und proisraelischer Organisationen nicht unumstritten, da es sich in der Tradition des 1990 ermordeten Rabbi Meir Kahane sieht, einem Eiferer, der die Situation der Juden in den USA mit jener in Nazideutschland verglich und Gewalt als politisches Mittel nicht ablehnte. Kahane nannte Araber oft »Hunde« und befürwortete ihre Vertreibung aus Israel. Säkulare Juden bezeichnete er als »Hebräisch lesende Nichtjuden«.

Die linksliberale Pro-Israel- und Bürgerrechtsorganisation Anti-Defamation League (ADL) hat Betar soeben auf eine Liste »extremistischer Organisationen« gesetzt. Dort heißt es:

»Der US-Ableger von Betar, der im Juni 2023 wiederbelebt wurde, übernimmt den rechtsextremen kahanistischen Slogan, der zur Bewaffnung der Juden aufruft: ›Jeder Jude eine 22er‹, bekennt sich offen zur Islamophobie und schikaniert Muslime online und persönlich.«

Betar strebe eine Zusammenarbeit mit Rechtsradikalen an und bekenne sich zu Vandalismus wie etwa dem Verbrennen von palästinensischen Flaggen, so ADL weiter, wobei die Anhänger dazu aufgerufen würden, sich bei solchen Straftaten zu vermummen.

Nach den Zusammenstößen in Borough Park wurden Aufnahmen in die sozialen Medien gestellt. Hier ist ein Video von oben, als die Lage noch nicht ganz eskaliert war. Hier und hier sind Bilder von Schlägereien zu sehen. Ein Anti-Israel-Demonstrant brachte Berichten zufolge ein Messer mit zur Schlägerei, während ein anderer versuchte, mit seinem Auto eine Gruppe von Juden zu überfahren. Betar US präsentierte zudem ein Video, das zeigen soll, wie eine Person Pfefferspray gegen eine Gruppe von Juden einsetzt. Mindestens ein Verdächtiger wurde von der Polizei verhaftet.

Wie viele der Menschen, die in Borough Park gegen die Hamas-Anhänger demonstrierten, zu Betar gehören, ist unbekannt. In einem Viertel, in dem 100.000 Juden leben, ist aber anzunehmen, dass es eine Minderheit gewesen sein dürfte, die noch dazu dank ihrer gelben Flaggen gut sichtbar war.

Die Situation erinnert an den Angriff auf die Synagoge von Paris-Sarcelles am 20. Juli 2014. Damals zogen Anti-Israel-»Demonstranten« brandschatzend durch Sarcelles und entschieden, auch die Synagoge anzugreifen. Vor dem Gotteshaus wurden sie von Juden gestoppt, darunter Mitglieder der etwa hundert Personen starken, militanten »Ligue de défense juive« (LDJ). In den Tagen nach dem antijüdischen Pogrom verurteilten französische Politiker den Antisemitismus und verboten gleichzeitig die LDJ, die sie mitverantwortlich für die Gewalt machten.

Gewalt als Merkmal von »Free Palestine«

In den (sozialen) Medien der USA wurde die Pro-Hamas-Demonstration in Borough Park scharf kritisiert. Ritchie Torres, Abgeordneter der Demokraten im Repräsentantenhaus für einen Wahlkreis, der den südlichen Bezirk der Bronx umfasst, schrieb auf X:

»Es dürfte niemanden schockieren, dass der Hamas-freundliche Mob, der Juden ins Visier nahm und versprach, Boro [sic!] Park zu ›fluten‹, in Gewalt ausartete. Gewalt ist kein Übel, sondern ein Merkmal der sogenannten ›Free Palestine‹-Bewegung, die kein Interesse daran hat, die Palästinenser von der Hamas zu befreien.«

Bethany Mandel, jüdische Mutter von sechs Kindern und Kolumnistin der New York Post, kommentierte, die »Demonstranten vom Dienstag« hätten »Szenen aus Nazideutschland nachstellen und Juden ungestraft Leid zufügen« wollen. Doch die Zeiten hätten sich geändert, »und die Juden haben sich ihnen entgegengestellt, verteidigt von der New Yorker Polizei und amerikanischen Politikern«. Der Angriff der Hamas auf Israel habe »eine neue Art von Juden geschaffen«.

»Wir verstehen jetzt, dass die existenziellen Bedrohungen unserer Existenz nicht der Vergangenheit angehören, sondern in unserer Gegenwart bestehen. Wir sehen diejenigen, die auf unseren eigenen Straßen unsere Vernichtung fordern und zur Unterstützung derjenigen randalieren, die das schlimmste Massaker an Juden seit dem Holocaust begangen haben. Diese verkommenen Leute versuchten am Vorabend der Rückgabe der Leichen eines Babys, eines Kleinkinds und ihrer im Gazastreifen ermordeten Mutter an Israel, zur Jagd auf die Juden von New York zu blasen. Doch wenn diese Antisemiten jetzt drohen, dann sollten sie besser darauf vorbereitet sein, sich den Juden nach dem 7. Oktober zu stellen. Die Demonstranten in Borough Park bekamen am Dienstagabend eine Kostprobe davon.«

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