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Wachsendes Gefühl der Angst: Brandanschlag auf Synagoge in Melbourne

Rabbi Gabi Kaltmann (mi.) vor der bei einem Brandanschlag ausgebrannten Adass-Israel-Synagoge in Melbourne
Rabbi Gabi Kaltmann (mi.) vor der bei einem Brandanschlag ausgebrannten Adass-Israel-Synagoge in Melbourne (© Imago Images / AAP)

In den letzten Jahren entwickelte sich in Australien eine radikale und gewalttätige Bewegung gegen jüdische Gemeinden und deren Einrichtungen, wie jüngst der Brandanschlag auf eine Synagoge in Melbourne belegte.

Bei einem Brandanschlag auf die Adass-Israel-Synagoge in der australischen Metropole Melbourne ist am Freitag vergangener Woche schwerer Sachschaden entstanden. Fotos zeigen, dass die Gebäudehülle noch steht, im Innern das Gotteshaus aber ausgebrannt ist. Sechzig Feuerwehrleute und Löschfahrzeuge waren nötig, um den Brand unter Kontrolle zu bringen. Die im Hauptheiligtum befindlichen Thorarollen seien leicht beschädigt worden, aber noch verwendbar.

Chris Murray, Kriminalinspektor der Polizei von Victoria, sagte auf einer Pressekonferenz, ein Zeuge, der zum Morgengebet in die Synagoge gekommen sei, habe zwei maskierte Personen gesehen, die offenbar mit Besen einen Brandbeschleuniger verteilt hätten. Als die Polizei eintraf, stand das Gebäude bereits in Flammen. Es »wurde erheblich beschädigt«, bestätigte Murray. »Unsere erste und wichtigste Priorität ist es, jene Personen zu identifizieren, die dafür verantwortlich sind. Wir glauben, es war vorsätzlich, es war ein gezieltes Attentat.« Die Polizei kenne das Motiv noch nicht, aber »wir setzen alles daran«, es herauszufinden.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kommentierte den Terroranschlag auf dem Kurznachrichtendienst X:

»Leider ist es unmöglich, diese verwerfliche Tat von der extremen antiisraelischen Haltung der Labor-Regierung in Australien zu trennen, einschließlich der skandalösen Entscheidung, die UN-Resolution zu unterstützen, die Israel auffordert, ›seine unrechtmäßige Präsenz im besetzten palästinensischen Gebiet so schnell wie möglich zu beenden‹, und der Verhinderung der Einreise einer ehemaligen israelischen Ministerin ins Land. Antiisraelische Stimmungsmache ist Antisemitismus.«

Netanjahu bezog sich darauf, dass der australische Innenminister Tony Burke letzten Monat dafür gesorgt hatte, dass der ehemaligen israelischen Justizministerin Ayeled Shaked kein Visum für Australien ausgestellt wurde. Burke begründete dies damit, ihre Einreise würde den »gesellschaftlichen Zusammenhalt» in Australien gefährden.

Kein sicherer Hafen mehr

Dass die Täter erst durch die jüngsten Aktionen der australischen Regierung zu Antisemiten wurden, ist schwer zu glauben. Netanjahu meinte wohl eher, dass sie dadurch zu dem Anschlag motiviert wurden, weil es sie in dem Gefühl bestärkte, einen großen Teil der Bevölkerung und der Politik auf ihrer Seite zu haben. Das ist plausibel.

Fest steht jedenfalls, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen den legalen (oder jedenfalls von der Polizei nicht verhinderten) Anti-Israel-Demonstrationen auf der Straße und dem Brandanschlag. Schon kurz nach dem 7. Oktober begannen Anti-Israel-Demonstranten, in Australien Synagogen ins Visier zu nehmen. So evakuierte die Polizei etwa im November 2023 eine Synagoge in Melbourne während des Schabbatgottesdienstes an einem Freitagabend, weil davor demonstriert wurde und die Besucher der Synagoge nach Ansicht der Polizei nicht mehr sicher waren. Der Rabbi und Präsident der Synagoge schrieb in einem Brief:

»Eine Synagoge ist ein sicherer Hafen, ein Zufluchtsort, ruhig und friedlich, erfüllt von Gebeten, Liedern und Inspiration. Der Schabbat ist per Definition ein Tag der Ruhe, Besinnung und Gelassenheit. Leider wurde dieses Gefühl von Zuflucht, Ruhe und Gelassenheit für unsere Gemeinde an diesem Freitagabend zerstört. Die Freiheit, unsere Religion ohne Angst oder Einschüchterung auszuüben, war gefährdet.«

Ende letzten Monats verteidigten rund zweihundert Juden eine Synagoge in Melbourne als Reaktion auf eine auf dem Vorplatz angekündigte Anti-Israel-Demonstration. Der Anti-Israel-Mob hatte also schon zuvor jüdische Gotteshäuser zum Ziel gemacht. Und daran, dass er bereit ist, Gewalt anzuwenden, hatte er auch keine Zweifel gelassen.

Im September hatten Tausende Anti-Israel-Demonstranten in der Innenstadt von Melbourne die Polizei angegriffen, es gab Dutzenden von Festnahmen. Laut Polizeiberichten hätten Demonstranten die Beamten mit Steinen, Säure und vermutlich menschlichen Fäkalien beworfen, berichtete der Jewish Chronicle. An der Operation, die den australischen Medien zufolge die größte Machtdemonstration in der Stadt seit 2000 war, als Melbourne Gastgeber des Weltwirtschaftsforums war, waren mehr als tausend Polizisten beteiligt. Sie setzten Gummigeschosse, Blendgranaten und Reizgas ein, um die Randalierer unter Kontrolle zu bringen. Vierundzwanzig Beamte benötigten ärztliche Behandlung.

»Die Polizei von Victoria ist entsetzt über das Verhalten einiger der anwesenden Demonstranten. Wenn Sie kommen und protestieren möchten, tun Sie dies friedlich. Wir werden kein kriminelles Verhalten tolerieren«, betonte der Sprecher der Polizei des Bundesstaates Victoria. »Einige Polizisten wurden von Demonstranten bespuckt, während andere Beamte mit flüssigen Reizstoffen besprüht wurden, von denen einige als Säure identifiziert wurden», so der Sprecher. Aufgerufen zu der Demonstration hatten Pro-Palästina- bzw. BDS-Gruppen.

Im Juni 2024 – ein halbes Jahr vor dem Brandanschlag auf die Synagoge – berichtete die britische Website Fathom über die Bedrohung der australischen Juden durch BDS-Gruppen. Die Rede war von:

  • aggressiven und bedrohlichen Invasionen von pro-palästinensischen Mobs in jüdisch besiedelten Vororten in den Städten Melbourne und Sydney,
  • »Doxing« (Veröffentlichung höchst persönlicher Details im Internet) gegen Hunderte australischer Juden, die an einer privaten Online-Gruppe zur Bekämpfung des Antisemitismus teilnahmen sowie Juden, die aufgrund anhaltender Drohungen und Belästigungen gezwungen wurden, ihren Arbeitsplatz zu wechseln oder umzuziehen,
  • jüdischen Universitätsstudenten, die »verschiedenen Formen der Diffamierung, Bedrohung und Hassreden« ausgesetzt seien, die sie vom akademischen und öffentlichen Diskurs ausschließen sollen,
  • einer »allgemeinen Atmosphäre McCarthy-mäßiger Intoleranz» gegenüber »Juden in wichtigen progressiven Sektoren« wie etwa im Kulturbereich, in Gewerkschaften, bei den australischen Grünen, einigen Teilen der Medien und manchen sozialwissenschaftlichen Berufen. Juden würden dort gefragt, ob sie »Zionisten« seien und ausgeschlossen, wenn sie dies bejahten.

Fathom-Autor Philip Mendes kommentierte, hier sei »eine gezielte Strategie der australischen BDS-Bewegung« am Werk, »die jüdische Gemeinschaft Australiens zu verunglimpfen«, völlig unabhängig von den »sehr unterschiedlichen Ansichten dieser Gemeinschaft zu den jüngsten israelischen und palästinensischen Aktionen«. Die BDS-Bewegung schaffe »überall ein Klima der Feindseligkeit gegenüber jüdischen Studenten und Akademikern, das offen antisemitisch ist«.

BDS-Antisemitismus

In den vergangenen Jahren gab es in Australien etliche Fälle von öffentlichem Antisemitismus der Israelboykott-Bewegung BDS.

Im November 2021 wurde gegen die Vorführung eines israelischen Films auf dem Melbourne Queer Film Festival demonstriert. Weil der homosexuelle israelische Regisseur Eytan Fox einen Film gedreht hatte, in dem es darum geht, dass ein homosexueller New Yorker zur Zeit der AIDS-Toten Ende der 1980er Jahre nach Tel Aviv reist, wurde ihm und dem Festival »Pinkwashing« vorgeworfen.

2022 hatte die Studentenvertretung der Universität Melbourne eine Resolution verabschiedet, die von der Universitätsleitung als antisemitisch bezeichnet wurde. Darin wurde Israel der »ethnischen Säuberung und Apartheid« bezichtigt; zudem wurde dem jüdischen Staat vorgeworfen, »unschuldige Gläubige« anzugreifen. Der Zionismus sei »eine rassistische, koloniale Ideologie«, hieß es weiter.

Kurz nach den Massakern und Entführungen des 7. Oktober 2023 wurde das Sidney Opera House in Solidarität mit den Opfern in den Farben der israelischen Nationalfahne blau und weiß beleuchtet. BDS- und Pro-Palästina-Gruppen demonstrierten dagegen, riefen »Fuck the Jews« und verbrannten israelische Flaggen.

Im Oktober 2024 wurde der Sänger Thom Yorke von der Band Radiohead während eines Solokonzerts in Melbourne angepöbelt, er solle sich zum angeblichen »israelischen Genozid« äußern. Yorke wird von der BDS-Szene gehasst, weil er sie öffentlich unter anderem als »respektlos« und »paternalistisch« kritisiert hatte. Yorke und Radiohead sind auch schon in Israel aufgetreten.

In Australien gibt es also schon seit Jahren einen Antisemitismus, der gewaltbereit ist. Synagogen wurden schon vor dem Anschlag zu Zielen gemacht, und Australiens Regierung schürt rhetorisch die Flammen des Hasses. Der Brandanschlag von vergangener Woche kam also nicht aus heiterem Himmel.

Gemeinde von Holocaust-Überlebenden

»Diese Gemeinde wurde von Leuten wie meinem Vater gegründet, der nach den Kristallnacht-Anschlägen aus Deutschland geflohen ist«, sagte Yossi Aron, Redakteur für religiöse Angelegenheiten bei den Australian Jewish News, einer Partnerseite der Times of Israel. »Es liegt in unserer DNA, dass es ein schlechtes Zeichen für das jüdische Volk ist, wenn man eine brennende Synagoge sieht.»

»Seit Anfang 2022, als Australien seine derzeitige linkszentrierte Regierung wählte, herrscht in unserer Gemeinschaft ein wachsendes Gefühl der Angst«, beschrieb Jeremy Leibler, Präsident der Zionist Federation of Australia, die angespannte Lage. »Direkt nach der proisraelischsten Regierung in der australischen Geschichte war der Politikwechsel des Landes sofort spürbar. Direkt nach dem 7. Oktober habe es eine kurze Welle der Unterstützung und des Mitgefühls gegeben, so Leibler, aber nur wenige Tage später habe es die berüchtigte Kundgebung vor dem Sydney Opera House gegeben. Seither fühlen sich viele Menschen in der jüdischen Gemeinde verlassen und verraten.

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