Latest News

Bilanz 2024: Israel blutet weiter (Teil 2)

Israel wurde 2024 auch von einer der höchsten Mordraten im arabischen Sektor der Gesellschaft erschüttert
Israel wurde 2024 auch von einer der höchsten Mordraten im arabischen Sektor der Gesellschaft erschüttert (Imago Images / ZUMA Press)

Israel ringt mit einer hohen Zahl gefallener Soldaten und ermordeter Zivilisten. Doch es kommen präzedenzlos viele Todesopfer hinzu, die anderen Umständen zuzuschreiben sind. 

Israel leidet nicht nur wegen der in Teil 1 erwähnten schmerzlichen Wunden, denn es vergeht kein Jahr, in dem das Land nicht von einer recht hohen Zahl an Frauenmorden und Femiziden, begangen von Partnern oder männlichen Familienangehörigen, erschüttert wird. So, wie die häusliche Gewalt in der gegenwärtigen Kriegszeit zugenommen hat, so wurden 2024 fast zwei Dutzend Femizide verzeichnet.

Hinzu kamen neunzehn Frauen, deren Tod jedoch nicht als Akt geschlechtsspezifischer Gewalt definiert wurde, wenngleich viele weibliche Angehörige der Opfer das bezweifeln, aber offiziell lieber schweigen. Erschreckend ist in diesem Zusammenhang, dass diese ermordeten Frauen in ihrer Gesamtzahl mehrheitlich Araberinnen sind, obwohl die arabische Gesellschaft lediglich ca. 21 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht.

Trauriger Rekord

2023 ging wegen eines weiteren Aspekts als ein besonders trauriges Rekordjahr in Israels Statistik ein: Nie zuvor wurden so viele Morde mit insgesamt 244 Toten von arabischen Bürgern an Arabern des Landes verübt. Schon lange zeichnet sich ab, dass Israels arabische Gesellschaft mit einer übergebührlich hohen Rate von Gewalttaten ringt, zu der inzwischen eine total aus dem Ruder gelaufene Situation bezüglich illegal kursierender Schusswaffen und blutiger Kriege rivalisierender Banden der organisierten Kriminalität hinzukommen.

Als im Juni 2021 die – dann bis Dezember 2022 amtierende – Veränderungskoalition unter Naftali Bennett und Yair Lapid mit dem Vorsitzenden der arabischen Ra´am-Partei Mansour Abbas an ihrer Seite erstmals in der Geschichte des Landes mit einem nationalen Plan sowohl gegen die Kriminalität als auch gegen die Zurücksetzung der arabischen Gesellschaft Israels vorgingen, zeichneten sich in einer Vielzahl von Bereichen schnell erste Erfolge ab. 

Nach dem Regierungswechsel Ende 2022 wurde aus diesen Erfolgen, vor allem, was das organisierte arabische Verbrechen angeht, das genaue Gegenteil. Banden, die von den Behörden ins Visier genommen werden, schlagen nun einmal zurück. Das hat nichts mit der ideologischen Ausrichtung einer Regierung zu tun. Ein solches Szenario hatte Israel bereits zuvor im Kampf gegen die jüdisch-kriminelle Unterwelt erlebt. Bevor damals die Lage besser wurde, verschlechterte sie sich massiv., jedoch setzten die Behörden den Kampf gegen jüdische Mafiastrukturen trotz wechselnder Regierungen unerschütterlich fort und waren so letztlich erfolgreich.

Jetzt hingegen sieht das ganz anders aus. Unter dem gegenwärtigen Minister für national Sicherheit Itamar Ben-Gvir sind in allen Bereichen, die in seine Zuständigkeit fallen, massive Verschlechterungen zu verzeichnen. Schon vor Ablauf des ersten Halbjahrs 2024 wurden erneut über hundert Mordtaten von israelischen Arabern an arabischen Bürgern des Landes verübt. Ende des Jahres war die Marke von zweihundert getöteten arabischen Israelis erneut längst überschritten.

Nicht weniger bedeutsam ist, dass überdies die Grausamkeit der innerhalb der arabischen Gesellschaft verübten Gewaltverbrechen stark zugenommen hat. Hochgradig bedenklich ist ferner, dass die Aufklärungsrate solcher Verbrechen mit unter zehn Prozent auf einen historischen Tiefpunkt abgesackt ist. Das schreiben Experten unumwunden der mangelhaften Amtsführung von Ben-Gvir zu.

Bedenkliche Verquickung

Auf einem völlig anderen Blatt steht, dass inzwischen längst auch palästinensische Terrorgruppen diese Situation der arabischen Gesellschaft Israels ausnützen. Im Laufe des Jahres 2024, in dem Israel mit den vom Westjordanland ausgehenden terroristisch-palästinensischen Aktivitäten einer weiteren blutigen Front gegenüberstand, mehrten sich die Versuche palästinensischer Terroristen, arabische Israelis aus dem Umkreis der organisierten Kriminalität vor den Karren ihrer Machenschaften zu spannen.

Das ist ein weiteres Problem, das deutlich macht, dass die Welle der Gewalt, welche die arabische Gesellschaft des Staates Israel erfasst hat, keine allein intern-arabische Herausforderung ist, sondern nur neben den großen Einschränkungen und Belastungen für den arabisch-israelischen Sektor auch rasch Auswirkungen für die jüdische Mehrheitsgesellschaft mit sich bringt. 

Sicherlich sollte sich die arabische Gesellschaft fragen, was sie zu der unter den eigenen Angehörigen hinterlassen Blutspur beiträgt und wie sie gegensteuern könnte, doch klar ist auch: Die Vernachlässigung dieses Themas durch die Behörden machen die arabische Bandenkriminalität zu einem brenzligen nationalen Sicherheitsproblem. Das ist umso tragischer, weil Umfragen zeigen, dass die arabischen Bürger seit Ausbruch des Kriegs allen Widrigkeiten zum Trotz einen zunehmenden Sinn für ein mit den jüdischen Israelis »geteiltes Schicksal« entwickeln.

Beschämender Rekord

Für eine Nation, die Ende 2024 gerade erst die Marke von zehn Millionen Einwohnern überschritten hat, sind innerhalb von 460 Tagen Krieg fast 900 Gefallene, über 1.000 ermordete Zivilisten, rund drei Dutzend von Männern beendete Frauenleben sowie ca. 300 von Arabern ermordete arabische Bürgerinnen und Bürger des Landes umso schlimmer, weil man sich kennt und spätestens seit dem 7. Oktober 2023 unvergleichlich deutlich vor Augen geführt bekommt, als Schicksalsgemeinschaft in einem Boot zu sitzen.

Das hindert allerdings keine der Gruppen der facettenreichen israelischen Gesellschaft daran, ein weiteres hausgemachtes Problem regelrecht auf die Spitze zu treiben. So zählte Israel 2024 nicht nur die traurige Zahl von 363 gefallenen Soldaten, sondern blickt zugleich auf eine erschreckende höhere Anzahl von Verkehrstoten. Im letzten Kalenderjahr kamen mit 433 Verkehrsopfern – zu denen nach Herausgabe der Statistiken in den letzten Tagen des Jahres nochmals drei Todesopfer hinzukamen – um 21 Prozent mehr Israelis ums Leben als 2023. Dass darunter mit 57 Opfern eine seit fünfzehn Jahren beispiellos hohe Zahl an Kindern und Jugendlichen ist und Verkehrsteilnehmer bis zum 24. Lebensjahr weitere fünfzehn Prozent der Toten stellen, ist obendrein schockierend.

Dabei geht es um viel mehr als um eine Verschlechterung der israelischen Verkehrssicherheit im internationalen Vergleich. Diesbezüglich als auch hinsichtlich der Gefallenen ist mit jungen Menschen schließlich eine Generation übermäßig betroffen, welche die Zukunft des Landes darstellt.

Teil 1 des Artikels ist gestern hier erschienen.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir reden Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!