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Biden in Israel: Die Skepsis überwiegt

US-Präsident Joe Biden und Israels Premier Yair Lapid bei der Unterzeichnung der »Gemeinsamen Erklärung der strategischen Partnerschaft zwischen den USA und Israel« (© imago images/UPI Photo)
US-Präsident Joe Biden und Israels Premier Yair Lapid bei der Unterzeichnung der »Gemeinsamen Erklärung der strategischen Partnerschaft zwischen den USA und Israel« (© imago images/UPI Photo)

Trotz einer »Gemeinsamen Erklärung der strategischen Partnerschaft zwischen den USA und Israel« sieht Israel die Iran-Politik von Joe Biden skeptisch.

In Israel kamen dieser Tage Erinnerungen an die Ankündigungen von US-Präsident Barack Obama im Jahr 2012 auf, der einen Einsatz von chemischen Waffen gegen Aufständische durch das syrische Regime als Überschreiten der »roten Linien« bezeichnete, das mit einem Eingreifen der USA beantwortet würde. Als der syrische Diktator Baschar al-Assad dann tatsächlich Giftgas in großem Ausmaß einsetzen ließ, machte Obama nichts – und überließ stattdessen Russland das Feld, das die Einladung gerne aufgriff.

Wachgerüttelt wurden diese Erinnerungen, als der heutige amerikanische Präsident Joe Biden, der 2012 das Amt des US-Vizepräsidenten bekleidete, im Zuge seines Staatsbesuches in Israel die Verlängerung eines 2016 unter Obama abgeschlossenen Sicherheitspakets im Wert von 38 Mrd. Dollar zusichert und mit Israels Premier Yair Lapid am Donnerstag in Jerusalem eine »Gemeinsame Erklärung der strategischen Partnerschaft zwischen den USA und Israel« unterzeichnete.

Starke Worte

In deutlichen Worten betont die Erklärung »die unverbrüchlichen Bande« zwischen den USA und Israel sowie das »dauerhafte Bekenntnis der Vereinigten Staaten zur Sicherheit Israels«. Die »strategische Partnerschaft« der beiden Länder, die auf »gemeinsamen Werten, gemeinsamen Interessen und echter Freundschaft« beruhe.

Im Hinblick auf Israels Sicherheit bekennen sich die USA dazu, den »qualitativen militärischen Vorsprung« Israels gegenüber anderen Staaten zu erhalten und dessen Fähigkeit zu stärken, »seine Feinde abzuschrecken und sich aus eigener Kraft gegen jede Bedrohung oder Kombination von Bedrohungen zu verteidigen«. Diese Verpflichtung der USA sei »überparteilich und unantastbar« und wichtig nicht nur für die Sicherheit Israels, sondern auch für die »nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten selbst von entscheidender Bedeutung«.

Die aus israelischer Sicht sicherlich wichtigste Passage der gemeinsamen Erklärung drehte sich selbstverständlich um das iranische Regime:

»Die Vereinigten Staaten betonen, dass die Verpflichtung, Iran niemals in den Besitz einer Atomwaffe kommen zu lassen, integraler Bestandteil dieses Versprechens ist und dass sie bereit sind, alle Elemente ihrer nationalen Macht einzusetzen, um dieses Ergebnis sicherzustellen. Die Vereinigten Staaten bekräftigen ferner die Verpflichtung, mit anderen Partnern zusammenzuarbeiten, um der Aggression und den destabilisierenden Aktivitäten des Iran entgegenzutreten, unabhängig davon, ob diese direkt oder durch Stellvertreter und terroristische Organisationen wie die Hisbollah, die Hamas und den Palästinensischen Islamischen Dschihad vorangetrieben werden.«

Der Teufel steckt im Detail

Doch so klar diese Worte auch klingen, schon bei der gemeinsamen Pressekonferenz von Biden und Lapid zeigte sich, wie unterschiedlich sie interpretiert werden können. Premier Lapid stellte fest, dass Verhandlungen den Iran nicht stoppen könnten. »Worte werden sie nicht aufhalten, Mister President, Diplomatie wird sie nicht aufhalten. Das Einzige, was den Iran aufhalten wird, ist das Wissen, dass die freie Welt Gewalt anwenden wird, wenn er sein Atomprogramm weiter ausbaut.« Ein durchsichtiger Bluff reiche nicht aus, die Drohung müsse ernst sein. »Das iranische Regime muss wissen, dass es einen hohen Preis zahlen wird, wenn es die Welt weiterhin hintergeht.«

Präsident Biden bedankte sich bei Lapid für die »wortgewaltigen Ausführungen«, schlug in seinen Statements aber einen deutlich anderen Tonfall an. Er bekannte sich zum Ziel, den Iran von Atomwaffen abzuhalten, betonte aber in direktem Widerspruch zu Lapid: »Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Diplomatie der beste Weg ist, um dieses Ziel zu erreichen.«

Auf die Nachfrage eines Journalisten, ob er eine Frist setzen werde, binnen derer die Atomverhandlungen zu einem Abschluss gebracht werden müssten, antwortete Biden ausweichend. Die USA hätten der iranischen Führung klar vermittelt, was geschehen müsse, um zum Atomabkommen zurückzukehren. »Wir warten auf ihre Antwort. (…) Aber wir werden nicht ewig warten.«

Auf nochmalige Nachfrage sagte Biden, die iranische Führung habe »die Möglichkeit, das Abkommen zu akzeptieren, das auf dem Tisch liegt. Wenn sie es nicht tun, haben wir absolut klar gemacht: Wir werden es nicht – ich wiederhole – nicht zulassen, dass der Iran eine Atomwaffe erhält.«

Letztes Mittel

In einem zuvor im israelischen Fernsehen ausgestrahlten Interview hatte Biden den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen unter seinem Vorgänger Donald Trump im Jahr 2018 als »gigantischen Fehler« bezeichnet, sei der Iran jetzt doch »näher an einer Atomwaffe dran als zuvor«. Werde das Abkommen wieder in Kraft gesetzt, würde dies das Atomprogramm wieder unter Kontrolle bringen.

Von der Moderatorin gefragt, ob die USA auch zu militärischen Mitteln greifen würden, um eine atomare Bewaffnung des Iran zu verhindern, antwortete Biden: »Als letztes Mittel, ja.«

Skeptische Israelis

In Israel wurde diese Ankündigung mit einiger Skepsis aufgenommen. Die Bekundung unverbrüchlicher Solidarität mit Israel durch den US-Präsidenten wurde etwa von der Jerusalem Post als eine »kraftvolle Freundschaftserklärung« aufgenommen, für die Israel »sehr dankbar sein sollte«. Gleichzeitig erinnerte die Post aber auch daran, dass die gemeinsame US-israelische-Erklärung kein rechtlich bindender Vertrag ist – und das sollten israelische Politiker und die israelische Öffentlichkeit keinesfalls vergessen. Schließlich hätten schon frühere US-Präsidenten erfreuliche Erklärungen abgegeben, die sich in entscheidenden Momenten dann aber als nutzlos erwiesen hätten.

In einem weiteren Editorial warnte die Jerusalem Post davor, die Atomverhandlungen endlos fortlaufen zu lassen, wenn doch angesichts der Fortschritte im iranischen Atomprogramm die Zeit Tag für Tag knapper werde, eine atomare Bewaffnung des Iran tatsächlich noch verhindern zu können: »Obwohl Biden verständlicherweise eine diplomatische Lösung anstrebt, um den Iran zu stoppen, muss es eine Frist geben, und die Iraner müssen wissen, dass sie die Sache nicht ewig hinauszögern können.(…) Warten ist keine Strategie.«

Ein grundsätzliches Problem besteht aus israelischer Sicht in der Widersprüchlichkeit von Bidens Iran-Politik. Einen nuklear bewaffneten Iran verhindern zu wollen ist das richtige Ziel, aber der von Biden bevorzugte Weg – die Erneuerung des Atomabkommens von 2015 – kann dieses Ziel nicht erreichen. Selbst wenn Bidens Politik also »Erfolg« haben sollte, würde das die Gefährdung Israels durch das iranische Atomprogramm nicht beenden.

Niemand geringerer als Aviv Kochavi, der Chef des israelischen Generalstabs, hat diese Überzeugung im Januar 2021 deutlich zum Ausdruck gebracht, als er sagte, »eine Rückkehr zum Atomabkommen von 2015 oder sogar ein ähnliches Abkommen mit einigen Verbesserungen ist schlecht und falsch«, da es dem Iran die Fähigkeit zur Urananreicherung nicht nehmen und damit die strategische Bedrohung Israels und der Region fortbestehen würde.

Völlig unklar ist darüber hinaus, wann Präsident Biden den Zeitpunkt gekommen sehen würde, an dem nichts mehr übrigbliebe, als zum »letzten Mittel« zu greifen. Anzunehmen ist, dass dieser Punkt aus Sicht der geografisch weit von der Region entfernten USA deutlich später erreicht würde, als dies aus israelischer Sicht der Fall ist. Noch stimmen die meisten Experten überein, dass der Iran selbst dann noch einige Zeit brauchen würde, um eine einsatzfähige Bombe bauen zu können, wenn er schon über das dafür nötige waffenfähige Uran verfügt.

Letztlich ändern Bidens Versicherungen wenig an den unterschiedlichen Einschätzungen der beiden Länder. Deshalb bleibt es auch dabei: Israel wird seine eigene »rote Linie« definieren, bei der es militärisch nicht mehr untätig bleiben kann.

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