Tanja Kinzel / Olaf Kistenmacher / Steffen Klävers / Bianca Loy / Daniel Poensgen / Monika Schwarz-Friesel / Karin Stögner / Anja Thiele: Gemeinsame Erklärung zur Rücknahme unserer Beiträge aus dem Sammelband »Frenemies«.
Am 12. Oktober 2022 ist der von Meron Mendel, Saba-Nur Cheema und Sina Arnold herausgegebene Sammelband Frenemies erschienen, der antisemitismus- und rassismuskritische Stimmen in einem Band versammeln will. Ursprünglich hatten wir, die Autor:innen, auf Anfrage ebenfalls Beiträge für diesen Sammelband eingereicht. Als uns einen Tag vor Einsendeschluss der Korrekturfahnen im Juni 2022 und nur durch einen Zufall bekannt wurde, dass die Autoren Kerem Schamberger und Ramsis Kilani in dem Sammelband ihre Pro-BDS-Position vertreten würden, haben wir uns entschieden, unsere Beiträge zurückzuziehen.
Wir haben uns dazu entschieden, weil wir es mit unseren wissenschaftlichen, politischen, zivilgesellschaftlichen und pädagogischen Überzeugungen für unvereinbar halten, mit diesen Autoren einen Sammelband zu teilen. Beide sind in der Vergangenheit als Unterstützer der antisemitischen Israelboykott-Bewegung BDS in Erscheinung getreten und haben islamistischen Terrorismus gegen den Staat Israel als legitimen Widerstand verharmlost. Kilani, Aktivist der Gruppe »Palästina Spricht«, war zudem zwei Mal Gast in der Radiosendung des Verschwörungsideologen Ken Jebsen (KenFM).
Unser Vertrauen wurde auch deshalb beschädigt, weil der Herausgabeprozess intransparent war. Bis zuletzt war uns vorenthalten worden, dass der Text von Kilani / Schamberger, der BDS als nicht antisemitisch einstuft, im Sammelband erscheinen würde. Auch im Lektoratsprozess wurde uns kein finales Inhaltsverzeichnis kommuniziert.
Zwar wurde der Beitrag nach unserem Rückzug ebenfalls aus dem Band genommen; der Vorgang wurde jedoch nicht mit einer inhaltlichen Kritik an deren Positionen begründet, sondern mit dem instrumentellen Grund, unsere Beiträge zurückzugewinnen und das Gesamtprojekt nicht zu gefährden. Zu keinem Zeitpunkt haben wir von den Herausgeber:innen gefordert, den Beitrag von Schamberger und Kilani aus dem Band zu entfernen oder den Herausgeber:innen gedroht, unsere Beiträge zurückzunehmen.
Im Verlauf der Auseinandersetzung ist deutlich geworden, dass unsere Kritik nicht ernst genommen wurde. Im Vorfeld getätigte Versicherungen gegenüber jüdischen Autor:innen, dass der Band ihre Sorgen in Bezug auf die Verharmlosung von Antisemitismus ernst nimmt, wurden nicht eingehalten. Vielmehr ist der Eindruck entstanden, dass unsere Namen und kritisch-progressiven Stimmen dazu instrumentalisiert werden sollten, die gesellschaftlich omnipräsente Bagatellisierung des israelbezogenen Antisemitismus durch den gemeinsamen Auftritt mit BDS-Positionen in einem Sammelband noch weiter zu legitimieren.
Die Autor:innen
Wir dokumentieren im Folgenden die Beiträge der Autor:innen:
- Tanja Kinzel / Bianca Loy / Daniel Poensgen (Bundesverband RIAS): Gibt es eine allgemeingültige Definition für Antisemitismus? Ein Plädoyer für die Einnahme von Betroffenenperspektiv
- Monika Schwarz-Friesel: Ist Kritik an Israel antisemitisch? Oder: gibt es israelbezogenen Antisemitismus?
- Anja Thiele: Was ist wichtiger für den Rechtsextremismus – der Antisemitismus oder der Rassismus?
- Karin Stögner: Hat Intersektionalität ein Problem mit Antisemitismus?
- Steffen Klävers: Was heißt „Singularität des Holocaust“ – und was nicht?
- Olaf Kistenmacher: Der moderne Antisemitismus in kapitalistischen Zeiten
Der offene Brief erschien ursprünglich bei HaGalil.