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Bessere Geschäfte dank arabischer Boykottaufrufe

Tahini ist eine der Zutaten von Humus - Boykottaufrufe gegen eines israelische Firma haben dem Verkauf gut getan. (imago images/Panthermedia)
Tahini ist eine der Zutaten von Humus - Boykottaufrufe gegen eines israelische Firma haben dem Verkauf gut getan. (imago images/Panthermedia)

Boykottaufrufe gegen einen israelischen Tahini-Hersteller haben der Firma bessere Geschäfte beschert – wieder ging ein Boykott hinten los.

Ein arabisch-israelischer Hersteller von Tahini (Sesampaste), der zum Ziel einer arabischen Boykottkampagne geworden ist, nachdem die Firma an eine Organisation für die Rechte von LGBT-Personen gespendet hatte, macht seither noch bessere Geschäfte als vor dem Boykott. Das berichtet die israelische Website Times of Israel.

Tahini oder Tahin ist eine Paste aus feingemahlenen Sesamkörnern. Sie stammt aus der arabischen Küche und ist eine Grundzutat des bei Juden und Arabern gleichermaßen beliebten Hummus (Kichererbsenbrei). Al Arz, mit Sitz in der Stadt Nazareth, ist einer der größten israelischen Hersteller. Aus feinem äthiopischem Sesam produziert das Unternehmen, das der arabisch-israelischen Christin Julia Zaher gehört, rund ein Fünftel des kommerziell verkauften Tahini im Land.

Am 1. Juni hatte Al Arz Pläne zur Finanzierung einer Krisenhotline für LGBT-Jugendliche in Zusammenarbeit mit The Aguda – The Association for LGBTQ Equality in Israel angekündigt. Wochenlang kümmerte sich niemand darum. Laut Guillaume Gaundron, dem Israel-Korrespondenten der französischen Tageszeitung Libération, war es ein gewisser Muaz al-Khatib, ein Übersetzer aus Jerusalem, der Anfang Juli darauf aufmerksam wurde und zu einem Boykott des Unternehmens Al Arz aufrief, dem er vorwarf, „Abweichungen in der palästinensischen Gesellschaft“ zu fördern. Gaundron schreibt:

„Eine arabische Supermarktkette mit einem Dutzend Filialen gab bekannt, dass sie die unheilige Sauce aus ihren Regalen genommen habe. Es kursierten Witze, die ebenso fragwürdig wie viral sind, wie ‚Kein Tahini auf meine Falafel, ich bin hetero!’“

Ein Video auf Facebook zeigte einen arabischen Geschäftsmann, der alle Flaschen des Tahini von Al Arz aus seinem Regal aussortiert.

Doch der Boykott führte zu einer Gegenreaktion. So berichteten Zeitungen etwa, dass Dutzende israelische Diplomaten in Israel und auf der ganzen Welt haben mehr als 300 Kilogramm Tahini gekauft hätten, um Julia Zaher zu unterstützen. Die Zwischenbilanz: Al Arz erlebe einen „Umsatzanstieg“, schreibt Times of Israel unter Berufung auf die israelische Wirtschaftswebsite Calcalist:

„Al Arz Tahini verzeichnete in der Woche nach Beginn des Boykotts einen Anstieg seines Marktanteils um fast 28 Prozent.“

Da das Tahini von Al Arz auch in den Vereinigten Staaten verkauft wird, dürfte die Boykottkampagne dem Geschäft auch auf dem dortigen Markt nützen, da er die Marke dort bekannter macht. So berichtete etwa die New York Times:

„Als Julia Zaher, die Inhaberin eines Unternehmens, das einige der beliebtesten Tahini in Israel herstellt, kürzlich eine Spende an eine israelische Schwulenrechtsgruppe leistete, sah sie dies als eine Tat an, die nicht der Rede wert ist. ‚Wenn ich Menschen in einer schwierigen Situation sehe, helfe ich ihnen immer gerne’, sagte Frau Zaher, 65, arabische Bürgerin Israels, in einem Interview. ‚Wenn jeder dieser Gemeinschaft den Rücken kehrt, wer wird dann helfen?’

BUYcott!

Es wäre nicht das erste Mal, dass Boykottaufrufe zu einer Gegenreaktion animieren und so am Ende einer Marke helfen, statt zu schaden. Im Frühjahr 2019 etwa rief in den Niederlanden eine Frau namens Mieke Zagt auf Twitter dazu auf, israelischen Wein zu boykottieren, den eine Kaufhauskette aus Anlass des Pessah-Festes verkaufte. Freunde Israels kauften daraufhin den Wein und berichteten auf Twitter, wie vorzüglich er sei – unter dem Hashtag #tipvanMieke (Tipp von Mieke).

Bald darauf war #tipvanMieke der meistbenutzte Twitter-Trend der Niederlande. Viele Nutzer twitterten Fotos, die sie beim Kauf des Weines zeigten. Andere fotografierten die Flaschen zu Hause in dekorativem Setting, wieder andere machten Fotos von sich und einer Weinflasche in Großaufnahme oder Fotos, die zeigen, wie sie den Wein im Glas haben und trinken.

„BUYcott“ nennen dies Anti-Boykott-Aktivisten. Das Wortspiel aus „Boykott“ und dem englischen Verb to buy (kaufen) bedeutet, das Gegenteil von dem zu tun, zu dem die Boykotteure aufrufen, und die betreffenden Waren gezielt zu kaufen.

Diejenigen, die Israel unter dem Kampfbegriff „Pink Washing“ verleumden – gemeint ist, dass die Freiheiten und Rechte, die sexuelle Minderheiten in Israel haben, ein Werbetrick seien, um die Welt von den angeblichen Verbrechen abzulenken, die Israel unterstellt werden –, sollten sich angesichts des Tahini-Boykott-Debakels fragen, ob sie ihr Weltbild nicht neu ordnen müssen.

Das ist ohnehin höchste Zeit. Nehmen wir z.B. Haneen Maikey, die Direktorin der arabisch-palästinensischen Schwulenorganisation Al-Qaws, deren Hauptzweck darin zu bestehen scheint, Israel im Ausland zu verunglimpfen. Am 29. Juli führte sie eine Demonstration in Haifa – das sie „das besetzte Haifa“ nennt – durch und hielt eine Rede, in der sie sagte:

„Wir sind gekommen, um den Versuchen der israelischen Besatzung ein Ende zu setzen, unseren Schmerz auszunutzen und unseren Kampf ‚pink zu waschen’. In den letzten zwei Jahrzehnten konnte uns die koloniale Propaganda des Pinkwashing, obwohl hartnäckig und gut finanziert, nicht auslöschen! Wenn überhaupt, haben die Misserfolge des Pinkwashing nur unterstrichen, dass die queere Befreiung die Befreiung Palästinas und aller Palästinenser erfordert!“

Was Maikey nicht sagte: Dort, wo die Palästinenser „befreit“ sind, hat sie Redeverbot. Letztes Jahr im August wollte Maikey mit ihrer Organisation in den Palästinensischen Autonomiegebieten auftreten. Die Veranstaltungen wurden verboten, den Teilnehmern mit Verhaftung gedroht. Oberst Louai Irzeiqat, der Sprecher der Polizei der Palästinensischen Autonomiebehörde, sagte laut der New York Times, die Aktivitäten von Al-Qaws seien „ein Schlag und ein Verstoß gegen die Ideale und Werte der palästinensischen Gesellschaft“. Vielleicht könnte der Tahini-Streit für Maikey ein Anlass zum Nachdenken sein – food for thought, wie man im Englischen sagt.

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