In Berlin muss erstmals ein deutsches Gericht darüber entscheiden, ob die Hamas als ausländische Terrororganisation einzustufen ist.
Unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen begann am Dienstag am Strafsenat des Kammergerichts Berlin-Moabit der Prozess gegen vier aus dem Libanon stammende Palästinenser. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen die Mitgliedschaft in der in Deutschland verbotenen islamistischen Terrororganisation Hamas sowie Verstöße gegen das Kriegswaffengesetz vor.
Die Ermittlungen gegen die vier Männer – drei von ihnen waren am 14. Dezember 2023 festgenommen, einer später von den Niederlanden an Deutschland ausgeliefert worden –, gehen auf Informationen ausländischer Nachrichtendienste zurück. Zwei der Männer lebten damals in Berlin, einer in Italien und einer in den Niederlanden. Sie sollen seit 2019 im Auftrag der Qassam-Brigaden, des militärischen Flügels der Hamas, in verschiedenen europäischen Ländern, darunter zumindest Bulgarien, Dänemark und Polen, Waffendepots angelegt haben. Konkret soll der Auftrag auf den stellvertretenden Kommandeur der Qassam-Brigaden im Libanon, Khalil Hamed al-Kharraz, zurückgegangen sein, der im November 2023 bei einem israelischen Luftangriff getötet wurde.
Pilotverfahren
Vor dem 7. Oktober 2023, dem Tag des Hamas-Überfalls auf Israel, sollen die Männer angewiesen worden sein, gewissermaßen flankierend zur Hamas-Offensive Anschläge auf israelische, jüdische und andere Einrichtungen in Europa vorzubereiten. Als ein mögliches Anschlagsziel sollen die israelische Botschaft in Berlin oder die US-Luftwaffenbasis Ramstein ins Auge gefasst worden sein.
Zwischen Juni und Dezember 2023 sollen die Männer mehrfach auf der Suche nach einem unterirdischen Waffenlager in Polen nahe der Stadt Jeleniów gewesen sein. Die Beharrlichkeit ihrer Suche verweist laut Bundesanwaltschaft darauf, dass es sich um ein »Waffendepot von besonderer Bedeutung« gehandelt haben muss, das allerdings weder von den Angeklagten noch von den Sicherheitsbehörden bisher ausfindig gemacht werden konnte. Im Zuge ihrer Suche hatten Männer mit »auffälligem Gepäck« damals auch die Aufmerksamkeit der Bundespolizei erregt, die sie im Oktober 2023 in Brandenburg nahe der polnischen Grenze mit kontrolliert hatte.
Das Verfahren gegen die vier Palästinenser ist insofern wegweisend – von einem »Pilotverfahren« spricht Bundesanwalt Jochen Weingarten –, als zum ersten Mal ein deutsches Gericht darüber entscheiden muss, ob die als Organisation verbotene Hamas auch als Terrororganisation einzustufen ist, wie das auf europäischer Ebene bereits seit geraumer Zeit der Fall ist.
Immer wieder im Visier
Die israelische Botschaft in Berlin, die als ein mögliches Anschlagsziel der vier Palästinenser genannt wird, gerät immer wieder ins Visier mutmaßlicher Terroristen. Erst am vergangenen Donnerstag nahmen Sicherheitskräfte einen achtzehn Jahre alten Tschetschenen mit russischer Staatsangehörigkeit fest, der gerade versuchte, über den Flughafen Berlin-Brandenburg das Land Richtung Türkei zu verlassen. Die Ermittlungsbehörden nehmen an, dass er geplant hatte, sich dem IS anzuschließen.
Gemeinsam mit Komplizen soll er Anschlagspläne verfolgt haben; insgesamt fünf Personen wurden in diesem Zusammenhang festgenommen. In der Wohnung des Hauptverdächtigen in Potsdam soll bei einer Hausdurchsuchung eine »unkonventionelle Sprengvorrichtung« gefunden worden sein. Wie konkret die Anschlagspläne gewesen sind und ob die versuchte Ausreise des Hauptverdächtigen ein Hinweis darauf ist, seine Pläne aufgegeben zu haben, ist jetzt Gegenstand der laufenden Ermittlungen.