Die neunjährige Emily Hand scheint wieder zu ihrem fröhlichen Selbst zurückgefunden zu haben, aber manchmal zeigt sie noch immer Phasen großer Angst.
Amelie Botbol
»Sie würde lieber irgendwo anders schlafen als in einem Luftschutzbunker, denn von dort wurde sie entführt. Dort stürmte die Hamas herein und nahm sie und Hila mit«, erinnerte sich Tom Hand, der Vater der entführten Emily Hand, in der vergangenen Woche gegenüber dem Jewish News Syndicate.
Am 7. Oktober 2023 übernachtete Emily Hand bei ihrer Freundin Hila Rotem Shoshani im Kibbuz Be’eri, acht Kilometer vom Gazastreifen entfernt, als die Hamas ihren Angriff startete, bei dem etwa 1.200 Menschen getötet und 251 Menschen entführt wurden, darunter vierzig Kinder wie die damals achtjährige Emily und die dreizehnjährige Hila. Die Behörden des Kibbuz teilten Tom mit, dass seine Tochter wahrscheinlich ermordet worden sei. Die Notlage der Familie ging viral, als ein verzweifelter Tom in einem Interview sagte, seine erste Reaktion auf die Nachricht, dass seine Tochter ermordet und nicht gefangen genommen und verschleppt worden war, sei Erleichterung gewesen.
Etwa einen Monat später bestätigte die israelische Armee jedoch, dass sich Emilys Leiche nicht unter den Überresten der etwa 120 Personen befand, die in Be’eri getötet worden waren, und dass in dem Haus, in dem sie sich aufgehalten hatte, keine Blutspuren gefunden wurden. Außerdem wurden Handys von Mitgliedern der Familie ihrer Freundin bis nach Gaza zurückverfolgt.
Freiheit nach fünfzig Tagen
Am 17. November 2023 verbrachte Emily ihren neunten Geburtstag in Gefangenschaft. Etwa eine Woche später, am 26. November, wurde sie – ebenso wie ihre Freundin Hila – nach fünfzig Tagen Gefangenschaft im Rahmen eines einwöchigen Waffenstillstands zwischen Israel und der Hamas freigelassen. Insgesamt wurden 105 Entführte (81 Israelis, 23 Thailänder, ein Philippiner), hauptsächlich Frauen und Kinder, im Austausch für 240 Terroristen freigelassen.
»Ich verbrachte eine Woche in England, es gab eine große Kundgebung, auf der ich sprach, und dann hörten wir, dass es einen Gefangenenaustausch geben sollte und wir stiegen mit gedrückten Daumen in das nächste Flugzeug«, erzählte Tom über diese Zeit. Er kehrte zurück nach Israel und wohnte mit den anderen Flüchtlingen aus Be’eri im David Dead Sea Hotel in Ein Bokek, als die Armee ihm mitteilte, dass Emily auf der Liste jener Geiseln stand, die von der Hamas freigelassen werden sollten.
Sofort sei Hoffnung aufgekeimt: »Man ist überglücklich nur schon bei dem Gedanken an eine mögliche Wiedervereinigung, obwohl man weiß, dass alles schiefgehen kann. Die Hamas könnte die Bedingungen ändern, ihre Meinung ändern, und unsere eigene Regierung könnte das auch. Von dem Moment an, als sie mich anriefen, bis zur Übergabe vierundzwanzig Stunden später hätte alles schiefgehen können. Man unterdrückt wirklich seine Aufregung und hofft und betet für das Beste.«
Als Teil ihrer psychologischen Kriegsstrategie verzögerte die Hamas Emilys Freilassung um sechs Stunden. »Es war eine Qual, ein Terror. Es waren harte vierundzwanzig Stunden«, erinnerte sich der Vater unter Tränen.
Als er seine Tochter zurückbekam, »war sie sehr blass; sie hatte seit über einem Monat keine Sonne mehr gesehen. Sie war sehr still und hatte Angst, auch nur den leisesten Ton von sich zu geben. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, wie traumatisiert, terrorisiert oder gebrochen sie war«, fuhr er fort. »Gott sei Dank – man spricht von der Widerstandsfähigkeit von Kindern – ist sie ein widerstandsfähiges Kind. Ich kenne andere Kinder, die zurückgebracht wurden, denen es noch immer schlecht geht. Sie verlassen ihr Zimmer nicht und mischen sich nicht unter ihre Freunde.«
Die Hamas hält noch 101 Geiseln gefangen, darunter Kfir Bibas, der seinen ersten Geburtstag im Gazastreifen verbrachte, und sein jetzt fünfjähriger Bruder Ariel, die gemeinsam mit ihren Eltern Shiri und Yarden aus dem Kibbuz Nir Oz entführt wurden.
»Es gibt immer noch ein Baby, ein Kind und Frauen im Gazastreifen. Meine beste Freundin, Lianne Sharabi, und ihre beiden Töchter wurden am 7. Oktober abgeschlachtet. Sie nahmen ihren Ehemann Eli mit, wir beten dafür, dass er zurückkommt. Wir beten dafür, dass sie alle zurückkommen«, sagte Tom. »Es ist unmenschlich, es sollte in keinem Krieg vorkommen, aber so arbeiten sie, sie verstecken sich hinter Zivilisten, sie haben keine moralischen Standards. Wir hoffen auf [Geiseln aus] Be’eri, es gibt mindestens drei, die noch am Leben sind. Wir haben dort viele verloren, wir wollen nicht nur die lebenden Geiseln zurück, wir wollen auch die Verstorbenen, um sie respektvoll zu begraben.«
Folgen bis heute
Nach fast einem Jahr im Hotel am Toten Meer zog Tom mit Emily und dem Rest seiner Gemeinde in eine provisorische Unterkunft im Kibbuz Hatzerim, etwa acht Kilometer westlich von Beerscheba. Tom sagte, die Regierung habe den Bewohnern der verwüsteten Städte und Dörfer viel Hilfe geleistet, nicht nur in Form von Unterkünften, sondern auch in Form von psychologischer Unterstützung.
Während Emily wieder zu ihrem fröhlichen Selbst zurückgefunden zu haben scheint, zur Schule geht, spielt, tanzt und neue Freunde findet sowie alte wieder trifft, leidet sie laut ihrem Vater noch immer unter den Folgen der Entführung. »Wenn sie lautes Arabisch hört, fühlt sie sich nicht so wohl. Vor zwei Tagen war sie abends mit ihren Freunden mit dem Fahrrad unterwegs. Plötzlich hörte sie Schüsse und sie flüchteten alle so schnell sie konnten. Als sie um die Ecke bogen, fiel Emily leider vom Fahrrad.«
Hatzerim, so erklärte er, liegt in der Nähe eines Stützpunkts der israelischen Luftwaffe mit drei Schießständen. Schüsse zu hören ist nicht ungewöhnlich. »Jemand rief mich an und ich machte mich auf den Weg dorthin. Sie war ziemlich mitgenommen, ziemlich blass. Als ich sie fragte, was passiert sei und warum sie so schnell gefahren sei, erzählte sie mir von den Schüssen. Es wird immer Auslöser geben«, sagte er unter Bezug auf Emilys Angstzustände.
Bis jetzt sind etwa 150 Menschen nach Be’eri zurückgekehrt. Hätte Tom »Emily nicht, hätte sie nicht das durchgemacht, was sie durchgemacht hat, wäre ich schon vor Monaten dorthin zurückgezogen. Es sind hauptsächlich ältere Paare mit erwachsenen Kindern. Niemand ist mit kleinen Kindern dort, die Erinnerungen sind zu lebendig.«
»Wir haben noch nicht mit dem Wiederaufbau begonnen. Wir sind noch im Zerstörungs- und Demontagemodus und beseitigen alle Häuser, die irreparabel sind. Bevor der Abriss nicht abgeschlossen ist, können wir nicht einmal mit dem Wiederaufbau beginnen«, sagte Tom, für den Be’eri das einzige Zuhause ist, das er in Israel kennt, seit er 1992 von England in den jüdischen Staat gezogen ist. »Ich kam im Alter von 32 Jahren als Freiwilliger in den Kibbuz, arbeitete auf dem Land und verliebte mich sofort in die Gegend. Das Wetter ist toll und die Menschen sind nach außen hin etwas schroff, aber im Grunde sehr nett. Ich lernte ein Mädchen kennen, heiratete und bekam ein paar Kinder.«
Während Emilys Mutter starb, als die Kleine gerade einmal zwei Jahre alt war, half Toms Ex-Frau Narkis bei der Erziehung von Emily. Vor Emilys Geburt hatten Tom und Narkis zwei Kinder, die 29-jährige Aiden und die 27-jährige Natali. Hamas-Terroristen ermordeten Narkis während des Massakers vom 7. Oktober.
Ob Tom ganz nach Be’eri zurückkehren wird, hängt von einem Wechsel in der politischen Führung Israels und vom militärischen Fortschritt im Gazastreifen ab. »Für mich wäre die beste Lösung eine globale Koalition aus den Vereinten Nationen, Israel, amerikanischen, ägyptischen und jordanischen Streitkräften, die sich um das Gebiet kümmern und sicherstellen, dass die Hamas ihre eigenen Bürger nicht terrorisiert, dass sie nicht wieder wächst und uns nicht erneut angreifen kann, wie sie geschworen haben. Wir können nicht zulassen, dass dies geschieht. Die Welt darf nicht zulassen, dass dies noch einmal geschieht. Wenn ich mich sicher genug fühle, um zurückzukehren, wird Emily auch zurückkehren wollen. Wir würden in Scharen zurückkehren. Alle unsere Freunde würden ebenfalls zurückkehren, es wären nicht nur wir beide. So hoffe ich, dass es sein wird.«
Tom richtete eine Botschaft der Hoffnung an das israelische Volk und die Familien der Geiseln. »Wir haben schreckliche Zeiten durchgemacht und machen sie weiterhin durch, nicht nur hier in Israel, sondern auch durch die Reaktion des Rests der Welt. Wir müssen ständig für unsere eigene Existenz, für eine bessere Regierung und für die Rückkehr unserer Geiseln kämpfen, sowohl der Lebenden als auch der Verstorbenen. Wir müssen stark und positiv bleiben, auch wenn es fast unmöglich ist. Ich hoffe nur, dass die anderen Familien am Ende genauso viel Glück haben wie ich.«
Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)