„Die Drohung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, die Grenzen Richtung Europa für Flüchtlinge zu öffnen, reiht sich in seine bisherige Strategie gegenüber Brüssel ein: Einerseits hat die Türkei bis zu drei Millionen Menschen aus Syrien und dem Irak aufgenommen, mehr als jedes andere Land der Welt. Anderseits hat die Regierung von Anfang an versucht, aus der Flüchtlingskrise politisches und moralisches Kapital zu schlagen. Mehr noch: Einiges deutet darauf hin, dass Erdogan die Situation absichtlich eskalieren ließ, um Europa erpressen zu können – und genau das könnte jetzt wieder geschehen. (…)
Die Flüchtlinge waren, davon sind auch türkische Menschenrechtler und europäische Diplomaten überzeugt, für die türkische Regierung ein willkommenes politisches Druckmittel gegen die EU. Vermutlich war es Erdogan auch recht, einen Teil der Flüchtlinge auf diese Weise loszuwerden. Und schließlich nutzte er diese humanitäre Tragödie als moralischen Trumpf. Nach seiner Lesart trug nämlich nur Europa die Verantwortung dafür, dass sich die Ägäis in ein Massengrab verwandelte.“ (Denis Yücel : „Wie sehr schürte Erdogan selbst die Flüchtlingskrise?“)