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Drohungen gegen tunesische Juden seit Monaten bekannt

Nach dem Anschlag riegelt die tunesische Polizei das Gebiet um die El-Ghriba-Synagoge in Djerba ab
Nach dem Anschlag riegelt die tunesische Polizei das Gebiet um die El-Ghriba-Synagoge in Djerba ab (© Imago Images / ZUMA Wire)

Wie nach dem tödlichen Anschlag auf die Synagoge in Djerba publik wurde, sind israelische und jüdische Organisationen über die gefährdete Situation der tunesischen Juden informiert, weshalb intensiv an einem Plan für eine Alija gearbeitet wird.

Während der Lag B’Omer-Feierlichkeiten, zu denen jährlich Tausende jüdischer Pilger auf die tunesische Insel Djerba kommen, feuerte gestern ein Angehöriger der tunesischen Nationalgarde wahllos auf Sicherheitskräfte der El-Ghriba-Synagoge. Der Angreifer wurde erschossen, nachdem er einen Sicherheitsbeamten und zwei Zivilisten getötet hatte. 

Es war zunächst unklar, ob es sich bei den als »Besucher« bzw. »Touristen« bezeichneten Opfern um Juden handelte, oder ob sie in irgendeiner Weise mit der Synagoge oder den Festtagsfeiern in Verbindung standen. Heute Morgen jedoch teilte das israelische Außenministerium mit, dass sich unter den Toten zwei jüdische Cousins – einer mit israelischer Staatsbürgerschaft – befinden. Darüber hinaus verletzte der Angreifer nach Angaben des tunesischen Innenministeriums zehn weitere Personen, darunter sechs Sicherheitsbeamte.

Das Ministerium bestätigte, dass die Synagoge abgesperrt und die Menschen inner- und außerhalb des Gotteshauses in Sicherheit seien. »Die Ermittlungen zu den Motiven für diesen heimtückischen und feigen Anschlag werden fortgesetzt«, heißt es in einer Übersetzung der Website des Ministeriums. Auf den in den sozialen Medien verbreiteten Videoaufnahmen waren Schüsse zu vernehmen, die innerhalb des Synagogenkomplexes zu hören waren. Berichten zufolge waren zu diesem Zeitpunkt Hunderte von Gläubigen anwesend.

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Älteste Synagoge Afrikas

In einem Gespräch mit der Jerusalem Post sagte ein Gemeindemitglied namens Aitan, dass »hier große Panik herrscht. Wir haben die Synagoge und auch das Gästehaus in der Nähe der Synagoge abgeriegelt.« Mehr als eine Stunde nach Beginn des Angriffs twitterte Aitan, »der Angriff ist noch nicht vorbei. Wir hören Schüsse. Es gibt tote Menschen. Wir sind immer noch in der Synagoge eingekesselt. Lasst uns hoffen, dass alles gut wird. Bitte beten Sie für uns.«

Die El-Ghriba-Synagoge – oder zumindest ihr Vorgängerbau – soll auf das Exil nach der Zerstörung des Ersten (586 v. Chr.) oder des Zweiten Tempels (70 n. Chr.) zurückgehen. Das heutige Gebäude stammt aus dem späten 19. Jahrhundert und steht an der Stelle einer ehemaligen Synagoge aus dem sechsten Jahrhundert. 

Laut der Nachrichtenseite La-Croix strömen jedes Jahr Tausende Juden aus der ganzen Welt für die Lag Ba’omer genannte fünftägige Pilgerfahrt, die 33 Tage nach Pessach beginnt, in die älteste Synagoge Afrikas. Nach Angaben der Website zünden die Juden während der Feierlichkeiten »Kerzen an, bevor sie eine kleine Höhle betreten, in der sich der Stein des Salomonischen Tempels befinden soll. Dann tauschen sie getrocknete Früchte und Süßigkeiten aus, um ein Gebet zu sprechen.«

Wie die Jerusalem Post heute berichtete, beobachteten die israelische Regierung und die Jewish Agency bereits seit einigen Monaten eine ernsthafte Bedrohung der jüdischen Gemeinde in Djerba. So habe ein hochrangiger israelischer Regierungsbeamter vor zwei Monaten bei einer geschlossenen Diskussion mit jüdischen Funktionären gesagt, »in einer kleinen jüdischen Gemeinde in Tunesien werden Juden von der Presse und der örtlichen Polizei schikaniert, wobei ein Gefühl des Antisemitismus von der örtlichen Verwaltung ausgeht«. Die israelische Regierung, so der Beamte damals, arbeite »gemeinsam mit der Jewish Agency und dem Ministerium für Alija und Integration daran, die Situation zu beobachten und zu versuchen, diese Juden nach Israel zu bringen«.

Geheimer Plan für Alija

Laut Angaben der Jerusalem Post sei keine der zuständigen Institutionen und Ministerien bereit gewesen, sich offiziell zu dieser Aussage zu äußern, allerdings sei bestätigt worden, dass die Situation der jüdischen Gemeinde in Tunesien heikel sei. Unter der Hand hätten Beamte erklärt, es gebe einen geheimen Plan für eine massive Alija aus Tunesien, aber es sei unklar, ob die Mitglieder der jüdischen Gemeinde an einer Einwanderung nach Israel interessiert sind.

Der Minister für Diaspora-Angelegenheiten und Antisemitismusbekämpfung, Amichai Chikli, twitterte am Mittwoch als Reaktion auf den Angriff auf die Synagoge und im Zusammenhang mit den geheimen Gesprächen über die tunesische jüdische Gemeinde: »Vor etwa eineinhalb Monaten hielten wir angesichts der Spannungen eine Dringlichkeitsbesprechung des Ministeriums für Diaspora-Angelegenheiten sowie des Ministeriums für Integration mit der Jewish Agency ab, in der wir uns auf eine gemeinsame Aktion geeinigt haben, die den Mitgliedern der tunesischen Gemeinde, die nach Israel einwandern wollen, helfen soll.«

Finanzminister Bezalel Smotrich twitterte, »der Schusswaffenangriff auf die alte Synagoge in Djerba zu einem Zeitpunkt, an dem Hunderte Juden das Fest von Rabbi Shimon Bar Yochai feiern«, sei »eine weitere Erinnerung daran, wie wichtig es ist, hart gegen den Terrorismus auf der ganzen Welt vorzugehen«. Smotrich fügte hinzu, er wolle »an der Trauer der Familien teilhaben und die jüdische Gemeinde in Djerba stärken«.

Heute leben etwa 1.500 Juden in Djerba. Die jüdische Gemeinde zählte früher 100.000 Mitglieder, von denen die meisten in den 1950er Jahren ausgewandert sind. Die Synagoge war schon früher Schauplatz von Anschlägen, darunter ein Sprengstoffanschlag mit 19 Toten und 30 Verletzten im Jahr 2002, zu dem sich damals al-Qaida bekannte, sowie ein Brandanschlag im Jahr 2018.

Diplomatische Quellen in Israel sagten heute gegenüber der Jerusalem Post, die Tatsache, dass Juden von einem lokalen Sicherheitsbeamten getötet wurden, unterstreiche die Besorgnis über die Lage der Juden in Tunesien. »Die jüdische Gemeinde hat internen Berichten zugestimmt, die besagen, dass die tunesische Polizei den Juden in Tunesien feindlich gesinnt ist«, erklärte die Quelle und fügte hinzu, dass »wir ihnen einen Fluchtplan anbieten müssen«.

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