Von Stefan Frank
Wie die britische Daily Mail am Mittwoch berichtete, wurde „eine 50-jährige Frau verhaftet, weil sie auf einem Flug von Mumbai nach London die Crew von Air India misshandelt hatte“. Die „Business-Class-Passagierin, bei der es sich um eine Irin handeln soll“, habe verlangt, „den Piloten zu sprechen“, nachdem die Kabinencrew ihr wegen ihres hohen Alkoholpegels „eine weitere Flasche Wein“ verweigert hatte. Das eingefügte Video zeigt, in den Worten des Journalisten, „eine blonde barfüßige Frau, die behauptet eine Menschenrechtsjuristin zu sein und die Crew beschimpft.“ Auch die Times of India hat ausführlich über den Vorfall berichtet. Der indische Fernsehsender Times Now sendet sogar eine Schaltung zu einem Korrespondenten; dazu präsentierte der Sender in einer Schleife Bilder des Vorfalls an Bord, die zeigen, wie die betrunkene Menschenrechtsanwältin auf Crewmitglieder einschlägt.
Was in den Artikeln nicht gesagt wird: Sie ist wirklich eine Juristin, heißt Simone O’Broin und ist ein bekanntes Mitglied der Anti-Israel-Bewegung. Sie hat für das BADIL Resource Center for Palestinian Residency & Refugee Rights gearbeitet, das u.a. von Dänemark, Schweden, der Schweiz und den Niederlanden finanziert wird, und mit Richard Falk zusammen einen Aufsatz verfasst. In einem Artikel, den sie für eine Broschüre mit dem Titel „Israel und das Verbrechen der Apartheid“ verfasst hat, argumentiert sie, dass „unterdrückte Völker“ ein „Recht“ auf bewaffneten „Widerstand“ hätten:
„Während das palästinensische Volk und seine internationalen Unterstützer heute viele innovative Methoden des gewaltfreien Kampfes anwenden, ist es wichtig zu betonen, dass die Palästinenser tatsächlich eine Gruppe sind, die gegen ein koloniales, rassistisches Regime um Selbstbestimmung kämpft. Die Darstellung der Informationen in den Mainstreammedien, vor allem deren Fokus auf palästinensische Gewalt, ist oft manipuliert, um die Zuschauer dazu zu bringen, mit den Opfern unterdrückerischer Regimes, die legitim Widerstand leisten, ‚Terrorismus’ zu assoziieren. Vor allem seit dem 11. September 2001 wird legitimer Widerstand von mächtigen Regierungen und Medien zu einem Teil des ‚Terrors’ gemacht, gegen den diese Regierungen brutale Gewalt einsetzen wollen. Es ist wichtig, diese Unterscheidung beizubehalten, um mächtige Staaten daran zu hindern, schwächere Nationen und unterdrückte Völker zu unterjochen.“
Dabei macht sie selbst sich nicht die Mühe, der von ihr legitimierten Gewalt irgendwelche juristischen Schranken zu setzen und beispielsweise den Partisanenkampf des Zweiten Weltkriegs abzugrenzen von einem Bombenanschlag auf eine Diskothek, einem Meuchelmord an schlafenden Kindern und Babys oder einem Mörserangriff auf einen Kindergarten. Jedem, der sagt, er gehöre zu einem „unterdrückten Volk“, dem gibt sie Carte Blanche für jeglichen als „Widerstand“ gepriesenen Mord und hält es für unbillig, zu kritisch auf Gewalttaten zu schauen oder gar von Terrorismus zu reden.
Das Video der Daily Mail zeigt eine aggressive und offenbar sehr betrunkene Person, die immer wieder lallt: „Ich bin eine internationale Strafrechtsjuristin“. Auch der Begriff „Business Class“ fällt immer wieder. Viele Sätze sind kaum zu verstehen, was zum einen an der schlechten Tonqualität und dem Lallen liegt, vor allem aber daran, dass fast in jedem Satz ein Wort durch einen Piepton überdeckt wird – offenbar setzt Simone O’Broin vor die meisten Substantive das Attribut fucking (das die Redakteure der Daily Mail für den öffentlichen, familienfreundlichen Gebrauch wegzensiert haben). Bei Minute 2:24 des Videos etwa schreit O’Broin durch die Business-Class-Kabine: „Ich bin eine Anwältin! Ich bin eine Menschenrechtsjuristin! Eine internationale Strafrechtsjuristin für das [Piepton] palästinensische Volk! Denkt ihr, ich habe Angst?! … Bei der Irish Republican Army würdet ihr fucking erschossen!“
Einen der indischen Stewards brüllt sie an: „Ich arbeite für euch alle, ihr fucking people!“ „Die fucking Rohingyas, fucking people von ganz Asien, für euch, ich bin eine internationale Strafrechtsjuristin!“ „Ich kriege übrigens kein Geld, nebenbei gesagt! Aber ihr gebt mir kein fucking Glas Wein, ist das korrekt?!“ Weiter bezeichnet sie sich als eine „Führerin der fucking Boykottbewegung“. Dabei klatscht sie vor den Köpfen der Crewmitglieder in die Hände und fügt – in der für ihr Milieu typischen Selbstüberschätzung – hinzu: „Wenn ich sage: ‚Boykottiert die fucking Air India – erledigt. Versteht ihr mich? Und ihr könnt mir keine winzige Flasche Wein geben?“
Der Steward bleibt die ganze Zeit über gelassen und hört sich stoisch das teilweise rassistische Geschimpfe an. Simone O’Broin fragt eines der Crewmitglieder, ob ein Bericht über sie geschrieben werden wird, und setzt dann fort: „Fuck off! Ich bin eine fucking internationale Strafrechtsjuristin und Anwältin. Auf euch wird vor Gericht gepisst!“ Eine Stewardess tituliert sie als „indischer fucking raffsüchtiger Bastard.“ Dann geht sie zu ihrem Sitz und schreit: „Ich werde euch von innen nach fucking außen drehen, ihr fucking dummen Fotzen! Gebt mir eine Flasche Wein und game over!“ Sollten die Crewmitglieder ihrem Wunsch nach einer weiteren Flasche Wein nicht nachkommen, so drohte sie, werde sie dafür sorgen, dass sie nach der Landung „Scherereien“ bekämen. „Jedoch“, fügt die Daily Mail trocken hinzu, „scheint die Frau zu betrunken zu sein, um sich zu erinnern, wo sie hinfliegt.“
Kinder und Betrunkene sagen die Wahrheit, heißt es. Alkohol enthemmt, aber niemand tut in betrunkenem Zustand etwas, zu dem er nicht auch nüchtern fähig wäre. Man kann Simone O’Broins Intifada im Flugzeug nicht von dem wütenden Kampf trennen, den sie gegen den „Kolonialismus“ der „Zionisten“ führt. Beides ist Folge einer stark gestörten Wahrnehmung. Ihr Selbstbild kommt in dem Video gut zum Ausdruck:
- Sie ist eine der Guten, die mit allen Unterdrückten eins ist. („Ich arbeite für euch alle, ihr fucking people von ganz Asien!“)
- Sie ist mächtig. („Ich bin eine fucking internationale Strafrechtsjuristin und Führerin der fucking Boykottbewegung“)
- Ihr Wille ist das Einzige, was zählt und steht über jedem Gesetz. („Wenn ich sage: ‚Boykottiert die fucking Air India – erledigt.“)
- Als Trinkerin, der die nächste Flasche Wein vorenthalten wird, gehört sie zu einer unterdrückten Gruppe.
- Das verleiht ihr das Recht auf bewaffneten Widerstand. („Bei der Irish Republican Army würdet ihr erschossen!“)
Ungeklärt ist die Frage, ob Simone O’Broin die Texte, in denen sie die Ansicht vertritt, „die Mainstreammedien“ würden immer auf der Seite Israels stehen, in nüchternem, angeschickertem oder halb bewusstlosen Zustand geschrieben hat. Vielleicht macht das bei ihr aber auch keinen großen Unterschied.