Gibt es schon 400.000 oder ‚nur‘ 350.000 Todesopfer in Syrien, 12 oder 14 Millionen Flüchtlinge? Sunniten kämpfen gegen Schiiten, Christen und Yeziden werden ethnisch gesäubert, es flüchten Hunderttausende nach Europa. Nirgendwo im Nahen Osten außerhalb Israels werden elementare Menschenrechte respektiert. Nirgendwo in der arabischen Welt gibt es Gleichberechtigung für Frauen, nirgendwo dort werden Homosexuelle toleriert. Dennoch hat eine kleine Gruppe von Österreichern nichts Wichtigeres zu tun, als ausgerechnet den Boykott des jüdischen und demokratischen Staates Israel zu propagieren: Am vergangenen Mittwoch protestierten sechs junge Leute gegen einen an der Diplomatischen Akademie gehaltenen Vortrag der israelischen Historikerin Anita Shapira über David Ben-Gurion.
Ben-Gurion verliest die israelische Unabhängigkeitserklärung
Die jungen österreichischen Israelfeinde, die nicht einmal den Mut hatten, ihr Flugblatt mit einem korrekten Impressum zu versehen, stellten nicht nur die fachliche Expertise der Wissenschaftlerin infrage, sondern „bezweifelten“ auch die „demokratische Grundhaltung“ der Vortragenden und der „OrganisatorInnen“ des Abends, also des Center for Israel Studies und der Diplomatischen Akademie. Bereits im Vorhinein, so war dem Flugblatt zu entnehmen, stand für die Aktivisten fest: „Die Veranstaltung dient weniger dem wissenschaftlichen Austausch und der politischen Debatte, als mehr der wiederholten Verbreitung von rassistischen und zionistischen Mythen.“
„Nationaler Sozialismus jüdischer Prägung“
Als Ben-Gurion nach Palästina gekommen sei, habe er die „gerade in Europa aufgekommene Idee eines nationalen Sozialismus mit jüdischer Prägung“ im Gepäck gehabt, den „sogenannten Zionismus“. [Hrvg. im Orig., K. P.] Nicht vorstellbar, dass die österreichischen Israelfeinde beispielsweise das Castro-Regime in Kuba oder den Chavismus in Venezuela als „nationalen Sozialismus“ bezeichnen würden – diese Diffamierung wird exklusiv gegen den jüdischen Staat gerichtet. Den Zionismus, die jüdische nationale Befreiungsbewegung, dergestalt mit dem Nationalsozialismus in Verbindung zu bringen, ist Ausdruck antisemitischer Gesinnung.
Als Kronzeuge diente, wie so oft, niemand anderer als der israelische Journalist Gideon Levy – der, obwohl er nicht Arabisch kann, in der Tageszeitung Haaretz als Fachmann für palästinensische Angelegenheiten fungiert. In einem seiner Artikel sah Levy die Zeit gekommen, um endlich Ben-Gurions „dunkle Seiten“ zu prüfen, und das sehen die jungen österreichischen Antisemiten genauso. Deshalb brachten sie einige angebliche Zitate, jedoch wohlweislich ohne Quellen zu nennen. Wie es Antisemiten über Jahrhunderte mit dem Talmud getan haben, aus dem sie allerlei gefälschte, sinnverdrehte und/oder aus dem Kontext gerissene Zitate brachten, so agieren diese jungen Österreicher, wenn es darum geht, den gehassten israelischen Staatsgründer zu verleumden.
Ein typisches Beispiel für BDS-Propaganda
Nehmen wir als Beispiel eines der Zitate, mit dem die Wiener Vertreter der „Boycott, Divestment and Sanctions“-Bewegung Ben-Gurion an den Pranger zu stellen versuchten:
„Wir müssen die Araber vertreiben und ihren Platz einnehmen“, soll Ben-Gurion also gesagt haben. Da die BDS-Aktivisten keine Quelle für diese angebliche Aussage angaben, will ich ein wenig behilflich sein: Die inkriminierte Passage stammt aus einem Brief Ben-Gurions an seinen Sohn Amos aus dem Jahr 1937. Tatsächlich lautet die englische Übersetzung: „We do not wish, we do not need to expel the Arabs and take their place. All our aspirations are built upon the assumption — proven throughout all our activity in the Land — that there is enough room in the country for ourselves and the Arabs.”
Ben-Gurion hatte also das genaue Gegenteil dessen geschrieben, was die Wiener BDS-Aktivisten ihm in den Mund legten: Statt der Aufforderung zu „ethnischen Säuberungen“ handelte es sich um einen Appell zum Zusammenleben mit den Arabern. Das inkriminierende angebliche Zitat ist eine schlichte Erfindung, darin aber typisch für den Wahrheitsgehalt dieser Art von Propaganda. Man beachte, dass die BDS-Aktivisten selbst mit Fälschungen operierten, sich aber erdreisteten, einer renommierten Historikerin wie Anita Shapira kurzerhand die fachliche Qualität abzusprechen.
BDS-Aktivist an „führendem Militärforschungszentrum“
Im weiteren Verlauf des Flugblatts war Erstaunliches über die Universität Tel Aviv (TAU) in Erfahrung zu bringen. Die sei nämlich ein „führendes Militärforschungszentrum“, an dem „palästinensische Studierende benachteiligt werden“. Warum dann ausgerechnet einer der Mitgründer der BDS-Bewegung, Omar Barghouti, an ebendieser Universität studiert, durften wir nicht erfahren. Dabei ist gerade dieser Fall typisch für die Absurditäten und die Doppelmoral von BDS: Während Barghouti um die ganze Welt reist, um Israel als Apartheidstaat zu diffamieren, profitiert er persönlich von dem Umstand, dass an der TAU selbstverständlich auch Araber studieren dürfen.
Die Wiener BDS-Aktivisten wärmten in ihrem Flugblatt die Mär von der gezielten „ethnischen Säuberung“ auf, die Israel 1948 unternommen habe. Und auch heute ziele die Politik Israels darauf ab, „das Leben der Palästinenser unmöglich zu machen“. Da heute rund 20 Prozent der Israelis Araber sind, muss Israel sich bei diesem angeblichen Vorhaben besonders dumm angestellt haben.
Als Beispiel diente der Brandanschlag im palästinensischen Duma vom vergangenen Juli, bei dem drei Menschen getötet wurden, darunter ein 18 Monate altes Kind. „Diese Gräueltat erfolgte nicht auf offiziellen Befehl der israelischen Armee, sondern von Extremisten – die jedoch kompromisslos von der israelischen Armee beschützt wurden / werden.“ So kompromisslos, dass in den vergangenen Tagen mehrere jüdische Israelis wegen ihrer vermutlichen Beteiligung an einem Terrorakt festgenommen wurden, der in ganz Israel aufs Schärfste verurteilt worden war. Das war u. a. auch in der von den österreichischen Israelfeinden zitierten Haaretz zu lesen – aber an der interessieren sie ja nur die anti-israelischen Tiraden eines Gideon Levy.
Keine Unterstützung für Israelfeinde durch die Stadt Wien!
„Die Diplomatische Akademie Wien sollte den wissenschaftlichen und politischen Diskurs fördern. Sie sollte jedoch keinesfalls rassistische Institutionen hofieren, deren militärische und rassistische Logik nicht im Stande ist eine Perspektive basierend auf Gerechtigkeit zu entwickeln.“ [Fehlender Beistrich i. Orig., K. P.] Anders gesagt: Geht es nach den BDS-Aktivisten, sollte die Diplomatische Akademie also nicht israelische Gelehrte einladen, sondern israelfeindliche, von antisemitischen NS-Vergleichen durchsetzte und auf gefälschten Zitaten basierende Propaganda zur Diffamierung des jüdischen Staates betreiben. Warum das den Frieden befördern oder den Palästinensern helfen soll, bleibt ihr Geheimnis.
Eine Gruppe Österreicher, die kein anderes Ziel hat als die Bekämpfung des jüdischen Staates, kann sich – was ein wirklicher Skandal ist – im von der Stadt Wien subventionierten Amerlinghaus treffen. Eine Gruppe, die Israel als Apartheidstaat bezeichnet, den einzigen jüdischen Staat abschaffen möchte und nicht davor zurückschreckt, antisemitische Stereotypen zu benutzen, sollte weder direkt noch indirekt von der Stadt Wien gefördert werden.