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Die Palästinenser als Bauernopfer

Ist die Schach-WM im Dan hotel in Jerusalem wirklich das größte Problem im Libanon lebender Palästinenser?
Ist Schach-WM im Dan Hotel wirklich größtes Problem im Libanon lebender Palästinenser? (© Imago Images / ZUMA Wire)

Die Israel-Boykottbewegung BDS will die Welt glauben machen, die palästinensischen Bewohner des libanesischen Flüchtlingslagers Shatila hätten keine dringenderen Sorgen als die Verhinderung eines Schachturniers in Israel.

Diese WM findet in Israel statt: In der israelischen Hauptstadt Jerusalem begann am 19. November die Mannschaftsweltmeisterschaft des Weltschachverbands FIDE, die noch bis zum 26. November dauert. Zwölf Länder gingen an den Start: China, Frankreich, Niederlande, Südafrika, Spanien, Ukraine in Gruppe A, Aserbaidschan, Indien, Israel, Polen, USA, Usbekistan in Gruppe B. Titelverteidiger Russland nimmt am Turnier nicht teil. Im März hatte die FIDE den russischen Schachverband als Reaktion auf den Überfall auf die Ukraine von allen offiziellen FIDE-Turnieren ausgeschlossen, und der weißrussische wurde ebenfalls nicht zugelassen.

Die ukrainische Mannschaft wird von Großmeister Vasyl Ivanchuk angeführt. Zum Team gehört auch Großmeister Igor Kovalenko, der noch im Sommer in der ukrainischen Armee in der Donbass-Region kämpfte. Mit Usbekistan und Aserbaidschan sind unter den Teilnehmern auch zwei mehrheitlich muslimische Länder. Bei Redaktionsschluss waren die Niederlande, Israel, die USA und Südafrika bereits ausgeschieden, der Kampf um den Titel wird also unter den verbliebenen acht Teams entschieden. 

Um das Turnier für Zuschauer interessanter zu machen, wird diese WM als Schnellschach ausgetragen. Das beutet: Jeder Spieler hat für die gesamte Partie fünfundvierzig Minuten Bedenkzeit, für jeden Zug, den er zieht, werden der Uhr zehn Sekunden hinzugefügt. Manche Schachfreunde verlangten deshalb, das Turnier solle »Schnellschach-WM« heißen. In jedem Fall werden die Ergebnisse der Spiele in der Schnellschachwertung gezählt werden, nicht in der des klassischen Schachs.

Wird so ein wichtiges Turnier wie eine Schach-WM in der israelischen Hauptstadt ausgetragen, geht es natürlich nicht nur um Schach. Auch die Politik sucht die Nähe der Stars, die ja das Land nicht sehr oft besuchen. Am Dienstagmorgen empfing deshalb Israels Parlament zwei Schachpersönlichkeiten: den indischen Großmeister und langjährigen Weltmeister Viswanathan Anand und den israelischen Großmeister und Europameister von 2001, Emil Sutovsky. Sutovsky war 1991 als 14-Jähriger mit seiner Familie aus der damaligen Sowjetunion nach Israel eingewandert und gewann schon damals Jugendturniere. Die beiden Großmeister spielten in der Knesset mit verbundenen Augen und besiegten jeweils drei Gegner, unter ihnen den Minister für Bau, Wohnungen und Jerusalem-Angelegenheiten Ze’ev Elkin, mehrere Staatssekretäre und einen Abgeordneten.

Veranstaltungsort der WM ist das Dan Hotel auf dem Mount Scopus, einem Hügel, von dem aus man die ganze Stadt überblicken kann. Er ist unter anderem bekannt als Sitz der Hebräischen Universität und des Hadassah-Krankenhauses. Zwischen 1948 und 1967 war er von Jordanien besetzt. Er gehört also zu jenem Teil der Stadt, den westliche Journalisten gern als Ost-Jerusalem bezeichnen. 

Das wirft die Frage auf: Was sagen eigentlich die Israelhasser zu dieser Weltmeisterschaft? Müsste man nicht viel Boykottgeschrei hören? Für gewöhnlich sind die BDS-Demagogen ja der Meinung, israelische Juden gehörten aus allen kulturellen, sportlichen und akademischen Veranstaltungen ausgeschlossen und internationale Veranstaltungen wie zum Beispiel der Eurovision Song Contest oder der Giro d’Italia dürften in Israel nicht stattfinden. 

Klassische BDS-Sprache

Auf der Website der internationalen BDS-Organisation findet man zu dieser Veranstaltung drei Einträge. Am 2. November veröffentlichte BDS einen Aufruf, der an die FIDE und die teilnehmenden Mannschaften gerichtet war. Darin wurde die FIDE aufgefordert, das Turnier von Israel in ein anderes Land zu verlegen. Geschehe dies nicht, so die an die Mannschaften gerichtete Forderung, sollten sie sich weigern, nach Israel zu reisen und bei der WM anzutreten. Beides ist offensichtlich nicht geschehen. 

Am 10. November folgte ein offener Brief, angeblich verfasst von einem »Palästinensischen Schachforum Flüchtlingslager Shatila«. Illustriert mit Fotos Schach spielender Kinder heißt es:

»Wir vom Palästinensischen Schachforum des palästinensischen Flüchtlingslagers Shatila im Libanon schreiben, um die Internationale Schachföderation (FIDE) zu drängen, die Mannschaftsweltmeisterschaft 2022 nicht im besetzten Ost-Jerusalem oder irgendwo unter der Kontrolle des israelischen Regimes der militärischen Besatzung und Apartheid abzuhalten.«

Die Unterzeichner stellen sich als Nachfahren bzw. »Söhne und Töchter« von »eingeborenen Palästinensern« dar, die von »zionistischen Milizen und später dem israelischen Militär (…) vertrieben« worden seien. »Neun Millionen (!) palästinensische Flüchtlinge« harrten der Rückkehr, die vom »israelischen Regime« verhindert werde. Darum fordert das »Palästinensische Schachforum Flüchtlingslager Shatila«: »Mach den richtigen Zug, FIDE. Verlege die Team-Weltmeisterschaft 2022 weg vom Apartheid-Israel.«

Als Palästinenser in einem libanesischen Flüchtlingslager interniert zu sein und mit dem Finger auf die angebliche Apartheid in Israel zu zeigen, ist schon ironisch. Die Palästinenser in den zwölf Flüchtlingslagern machen rund zehn Prozent von Libanons Bevölkerung aus, werden aber, obwohl sie im Libanon geboren wurden, wie Angehörige eines anderen Staates behandelt. 

Das Ausüben von 39 Berufen, darunter Arzt, Zahnarzt, Jurist, Apotheker, Fischer, Landwirt, Mechaniker oder Lkw-Fahrer, ist ihnen verboten. Meist schlagen sie sich als Tagelöhner durch und haben weder Zugang zur Sozialversicherung noch dem nationalen Gesundheitssystem. Es sind schon kranke Kinder gestorben, weil libanesische Krankenhäuser sich geweigert hatten, sie aufzunehmen. Palästinenser im Libanon können weder Grundbesitz kaufen noch erben oder vererben. Die Kinder können keine libanesischen Schulen besuchen, weil diese laut Gesetz nur Libanesen zugänglich sind. Die Flüchtlingslager sind Ghettos, die von der Armee bewacht werden. Um eines von ihnen, Ain al-Hilweh, hat der Libanon sogar eine Mauer gebaut

Warum integriert der Libanon nicht diese im Libanon geborene Bevölkerung, die niemals in einem anderen Land leben wird, sondern segregiert und hält sie rechtlos? – Das ist Apartheid. BDS aber will die Leser seiner englischsprachigen Website glauben machen, die Bewohner des Flüchtlingslagers Shatila hätten keine dringenderen Sorgen, als ein Schachturnier in Israel zu verhindern.

Am 11. November publizierte BDS einen weiteren Appell an die FIDE, diesmal in höchst theatralischer Sprache:

»Gambit. Es ist der Begriff für eine Schacheröffnung, bei der ein Spieler eine Figur opfert. Der Internationale Schachverband (FIDE) plant, die palästinensischen Menschenrechte zu opfern, indem er seine Mannschaftsweltmeisterschaft 2022 im von Israel besetzten palästinensischen Ost-Jerusalem abhält.«

Eine Projektion: Das Wohlergehen und die Menschenrechte der Palästinenser im Glauben zu opfern, dieser Art ein taktisches Ziele zu erreichen, nämlich Israel zu dämonisieren, ist genau das, was BDS macht, ebenso wie der Libanon, die PLO und die Hamas. Dieses Bauernopfer muss schon viel zu lange herhalten. 

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