Barel Hadaria Schmuelis Tod erschüttert Israels Gesellschaft bis in ihre Grundfesten

Der dramatische Tod des jungen Soldaten, der während eines Verteidigungseinsatzes an der Grenze zum Gazastreifen von Hamas-Terroristen aus nächster Nähe erschossen wurde, hat innerhalb des Landes zu krassen, in ihrer Schärfe bislang ungekannten, Anschuldigungen gegen die Regierung und gegen das Militär geführt.

Er war erst 21 Jahre alt, ungeheuer gut-aussehend, vielschichtig talentiert und voller Lebenskraft. Barel Hadaria Schmueli kämpfte denn auch noch neun Tage um sein Leben, nachdem ihm ein Terrorist aus unmittelbarer Nähe in den Kopf geschossen hatte. Ganz Israel bangte mit ihm, betete um ihm.

Die Hamas hatte ein musikalisch untermaltes Video veröffentlicht, in dem man die dramatischen Geschehnisse verfolgen konnte. Zornerfüllte palästinensische Jugendliche waren bis an die Betonmauer, die Israel vom Gaza-Streifen trennt und das Land vor Angriffen schützen soll, vorgedrungen. Von dort aus warfen sie Steine, rollten brennende Reifen umher und schickten sich an, über die Mauer zu klettern. Israelische Grenzposten sollten über kleine Schlitze in der Mauer die Ereignisse überwachen, Eindringlinge zurückdrängen, und Ruhe herstellen.

Hinter einer solchen Maueröffnung war Barel positioniert. Plötzlich zückte einer der Terroristen eine Pistole und schoss zweimal in den Schlitz hinein. Ein Schuss traf Barel und verwundete ihn tödlich.

Vorwürfe gegen das Militär

Der Tod eines Soldaten ist gerade in Israel leider kein Einzelfall. Israelis wissen, dass sie ihr Land nicht selten mit dem Leben verteidigen müssen. Trotzdem hatte Barels Schicksal bislang ungekannte Konsequenzen.

Zunächst einmal war da die heftige Reaktion der Eltern, des völlig zusammengebrochenen Vaters und der wutentbrannten Mutter. Sie erhoben schwere Vorwürfe gegen die Armee, zu der sie, wie sie sagten, jegliches Vertrauen verloren haben. Soldaten wären wie Schafe zum Abschlachten geschickt worden, riefen sie verzweifelt. Wie sei es möglich, so fragten sie, dass die Terroristen so nahe an die Mauer gelangen konnten, dass man sie herankommen ließe, den Soldaten aber nicht erlaubte, zu schießen.

Die Einsatzregeln der IDF hätten zu dem tragischen Vorfall geführt. Das Militär habe versagt. So manche Israelis stimmen ihnen zu. Sie meinen, die Armee würde die Verteidigungsfähigkeit der Soldaten allzu sehr einschränken. Eine Gruppe startete denn auch eine Social Media Kampagne mit dem Aufruf „Bindet unsere Hände frei“. Sie fordert mehr Entscheidungsfreiheit für Soldaten, damit sie sich in gefährlichen Situationen effektiver verteidigen können.

Anklage gegen die Regierung

Beide Eltern klagten auch die Regierung an, die, wie sie empört herausschrien, aus politischen Gründen nicht auf Hamas-Provokationen reagiere. Besonders Premierminister Bennett war die Zielscheibe ihres Zorns. Er wolle es sich nicht mit dem Koalitionspartner Ra‘am verderben, suche bei Biden Gefallen zu finden. Deshalb, so die Mutter Barels, müsse sie nun ihren Sohn begraben, während Israel Geldmittel aus Katar an die Terroristen transferiere.

Als Bennett dann noch den empfindlichen Fehler beging, während eines Kondolenzanrufes den Namen des Opfers mit dem seines Vaters zu verwechseln, war es vollends um die Geduld der trauernden Eltern geschehen. Bennett sei eine Schande für das Land, rief Niza Schmueli, wenige später den vielen Trauernden bei der Beerdigung ihres Sohnes zu.

Die harschen Worte fielen bei einem Teil des Publikums auf fruchtbarem Boden. Es kam nämlich eine Gruppe radikaler Regierungsgegner, die allerdings, wie sich herausstellt, wenig mit dem Opfer selbst zu tun hatte, zur Beerdigung und heizte die ohnehin gereizte Stimmung weiter an. Rufe wurden laut, Bennett sei verflucht, er wäre ein Verräter. Zwar suchten Anwesende die Unruhestifter zum Schweigen zu bringen und wiesen auf die Würde des Ortes und des Anlasses hin. Allein, die Aufwiegler ließen nicht locker.

Perfide Politisierung

Niemand, am allerwenigsten vielleicht Bennett selbst, macht den verzweifelten Eltern einen Vorwurf ob ihrer heftigen Anklagen. Die Familie habe alle Rechte, und es sei sein Job, Antworten zu geben, zuzuhören und sie zu umarmen, so der Premier. Allerdings wehrte er sich gegen die Politisierung des dramatischen Vorfalls und verurteilte Aktivisten und Parlamentarier, die sich der Kritik der Familie allzu freudig anschlossen.

Rückendeckung für die Armee

Besonders wichtig war Bennett auch, der Armee den Rücken zu stärken. Er würde die IDF-Kommandanten uneingeschränkt unterstützen. „Während eines Kampfes kommen immer auch Fehler vor. Manchmal sind sie tragisch“, räumte Bennett ein.

Tatsächlich ergab eine erste IDF-Ermittlung, dass militärische Fehlentscheidungen begangen worden waren. Allerdings handelte es sich dabei nicht um operationelle Fehler. Den Soldaten waren „die Hände nicht gebunden“. Offenbar hat Schmueli sogar selbst Schüsse abgefeuert, als Terroristen die Grenze zu stürmen drohten. Falsch war vielmehr, die Art, wie die Truppen stationiert worden waren.

Diese Erkenntnisse vermittelte Stabschef Kochavi den trauernden Eltern und der israelischen Öffentlichkeit. Auch er sprach davon, dass im Schlachtfeld Entscheidungen schnell getroffen werden müssten, und dass dadurch Fehler entstünden. Schuldzuweisungen und Strafen wären in solchen Fällen aber fehl am Platz. Die IDF müsse den Vorfall weiter gründlich untersuchen, allerdings dürfe man den Glauben an die Armee nicht verlieren.

„Eine Gesellschaft, die ihre Soldaten und Kommandanten, auch wenn sie Fehler begehen, nicht unterstützt, wird herausfinden, dass sie niemanden hat, der für sie kämpft“, erklärt Kochavi.

Die Mehrheit der Israelis stimmt ihm zu, die verzweifelten Eltern aber nicht. Sie fordern eine externe, unabhängige Ermittlung, um genau zur erfahren, wie es zu dem tragischen Vorfall kommen konnte, und wie man ein ähnliches Unglück künftig vermeiden wird.

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