Das „Abraham-Abkommen“: Ausnahmsweise gute Nachrichten aus Israel

Premier Netanjahu bei der Ankündigung des Abraham-Abkommens zwischen Israel und den Emiraten. (imago images/UPI Photo)
Premier Netanjahu bei der Ankündigung des Abraham-Abkommens zwischen Israel und den Emiraten. (imago images/UPI Photo)

Die Normalisierung der Beziehungen zwischen den VAE und Israel ist ein Durchbruch von Trump und dem Zauberkünstler Netanjahu.

Letzte Woche gab es in Israel zur Abwechslung mal richtig gute Neuigkeiten: Donald Trump kündigte an, die Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) würden im Rahmen des sogenannten „Abraham Abkommens“ ihre Beziehung zu Israel „normalisieren“. Man wolle künftig in diversen Bereichen zusammenarbeiten, Handelsbeziehungen ausbauen, Direktflüge anbieten und Botschafter austauschen. Im Gegenzug sei Netanjahu gewillt, die geplante Souveränitätsausweitung im Westjordanland auf Eis zu legen.  Zudem, so heißt es, würden bald auch weitere Golf-Staaten dem Beispiel der VAE folgen. Gute Nachrichten also. Was aber versprechen sich die involvierten Parteien von diesem historischen Schritt?

Mehr als ein Normalisierungsabkommen

Mit dem Israel-VAE-Bündnis kommt in beiden Ländern Freude auf. Tatsächlich kann die Bedeutung dieses Abkommens gar nicht überschätzt werden. Sicher, es handelt sich nicht um den ersten Pakt Israels mit einem arabischen Land: Mit Ägypten wurde bereits 1979 und mit Jordanien 1994 regelrechte Friedensabkommen geschlossen. Seither herrscht zwischen Israel und den beiden Ländern tatsächlich Frieden. Dieser ist zwar beständig, aber leider eben auch kalt.

Diesmal ist alles anders. Die VAE und andere Golfstaaten waren bislang keine Freunde Israels; einen Krieg mit ihnen gab es aber nie. Im Gegenteil. Seit Jahren arbeiten Israelis bereits inoffiziell mit Partnern in den Emiraten hauptsächlich in den Bereichen Sicherheit, Medizin, und Technologie zusammen. Jetzt können die Beziehung offengelegt und damit auch gehörig ausgebaut werden. Man spricht von einer Normalisierung der Beziehung, erhofft sich aber mehr, viel mehr – nämlich eine wirklich-freundschaftliche, beiderseits profitable Partnerschaft.

Zudem sind die Emirate, im Gegensatz zu Ägypten und Jordanien, wirtschaftlich ausgezeichnet aufgestellt. Eine Zusammenarbeit mit ihnen, so verspricht man sich, wird beiden Ländern einen beachtlichen Aufschwung bescheren. Das wäre besonders angesichts der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise ein heißersehntes Ergebnis.

Corona als Impetus

Tatsächlich sehen viele in der Corona-Pandemie einen wichtigen Impetus für den Abschluss dieses Abkommens. „Die Golfstaaten und Israel arbeiten bereits seit Längerem zusammen, um das Virus zu bekämpfen, und wenn sie weitermachen, könnten sie das Heilmittel entwickeln “, erklärt Rabbi Marc Schneier.

Corona sei sowohl für Israel als auch für die Golf Staaten eine echte Bedrohung, und der Wille ihr entgegenzuwirken habe zu dem historischen Abkommen geführt, so der amerikanische Rabbiner, der viel Zeit mit strategischen Gesprächen mit Vertretern der Golfstaaten verbracht hat Tatsächlich berichtete Reuters letzte Woche, dass Israel und die VAE ihre Kooperation zur Bekämpfung des Viruses massiv verstärken werden. Im gemeinsamen Statement heißt es sinngemäß: „Die Vereinten Arabischen Emirate und Israel werde umgehend ihre Kooperation zur Behandlung des Corona-Virus und zur Entwicklung einer Impfung im Rahmen des Abraham Abkommens ausweiten und beschleunigen. Die gemeinsamen Bemühungen werden dazu beitragen, das Leben von Muslimen, Juden und Christen in der Region zu retten.“

Weitere Chancen zur erfolgreichen Zusammenarbeit sehen beide Länder in den Bereichen Sicherheit, Technologie, Landwirtschaft, künstliche Intelligenz, Solarenergie und Wasserentsalzung. Die Emirate, so der allgemeine Tenor, hätten die erforderlichen Ressourcen, Israel das menschliche Kapital, um gemeinsam Innovation, Nachhaltigkeit und Unternehmergeist zu fördern.

Reger Tourismus

Die Menschen in beiden Ländern hoffen auch auf einen regen gegenseitigen Touristenstrom. Von israelischer Seite aus wird er jedenfalls mit großem Enthusiasmus geplant. Nach Monaten der Ausgangssperre können es viele Israelis kaum erwarten, das neue Reiseziel Abu Dhabi zu erkunden, in den elegante Shops in Dubai einzukaufen und sich in den Nobelhotels der Wüstenstadt verwöhnen zu lassen. Auch in den Emiraten freut man sich auf die neuen Besucher, die künftig per Direktflug ankommen werden.

Schon jetzt, noch bevor das Abkommen offiziell unterzeichnet ist, werden Grußbotschaften ausgetauscht, Einladungen ausgesprochen und vielversprechende Kontakte geknüpft. Sogar Staatspräsident Reuven Rivlin hat sich dem freundschaftlichen Austausch angeschlossen und den Kronprinzen von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed al-Nayhan, herzlich eingeladen, ihn bald in Jerusalem zu besuchen.

Gemeinsamer Feind

Der vielleicht wichtigste Grund für die neue Freundschaft zwischen Israel und den VAE ist aber wahrscheinlich ihr gemeinsamer Feind. Beide Länder sehen im Iran, mit seinen hegemonialen Ansprüchen, seinen ungebrochenen Atomambitionen und seinem wachsenden Einfluss auf den Irak, Syrien, den Libanon und den Jemen eine existentielle Bedrohung. Die neue Allianz, in der man bald auch weitere Golfstaaten zu begrüßen hofft, schafft regionale Verbündete, die dem Iran wirkungsstark entgegentreten können.

Gerüchte wonach Amerika im Rahmen des Normalisierungsabkommens auch modernste Waffen an den Golfstaat liefern könnte, werden von offizieller, israelischer Seite aber dementiert. An Israels langjährigem Einspruch gegen den Verkauf amerikanischer Kampfflugzeuge vom Typ F-35 an die Emirate wird sich, so versichert Netanjahu, nichts ändern.

Dass das Bündnis gerade jetzt offiziell zustande gekommen ist, mag auch damit zusammenhängen, dass die beiden Länder dem demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten eine klare Botschaft senden wollen. Schließlich gibt es Anzeichen dafür, dass Joe Biden, so er gewählt wird, den Atomdeal mit dem Iran wieder in Kraft setzen will. Das halten Israel und die arabischen Sunni Staaten für äußerst gefährlich. Mit dem Abkommen senden sie den Demokraten in Washington ein unmissverständliches Warnsignal und mahnen sie, die Interessen ihrer Verbündete vor Ort zu wahren.

Von Zauberkünstlern und Dealmakern

Zwei politische Schlüsselfiguren suchen ebenfalls, persönlich von dem neuen Abraham-Abkommen zu profitieren. Trump will damit seinen Ruf als einzigartiger Dealmaker zementieren, und weil das mit seinem ursprünglichen „Deal of the Century“ nicht so richtig geklappt hat, kommt ihm das neue Abkommen wie gerufen. Manche behaupten sogar, der ursprüngliche Deal sei nur deshalb konzipiert worden, um die Golfstaaten dazu zu bringen, offiziell mit Israel zu kooperieren.

Netanjahu wiederum hat zwar schon seit Jahren an der Verbesserung der Beziehungen mit den Golfstaaten gearbeitet, doch kommt ihm der Coup nicht gerade ungelegen in einer Zeit, in der er mit einer anhaltenden Protestwelle und Rücktrittsforderungen konfrontiert ist. Netanjahus Popularität hat in Umfragen zuletzt stark gelitten, bei einem etwaigen 4. Wahlgang binnen zweier Jahre drohten seiner Likud-Partei herbe Verluste – die, so legen Umfragen jetzt nahe, könnte er mit dem VAE-Deal zum Großteil wieder wettgemacht haben.

Gut, einige seiner Basiswähler, sprich ein Teil der Siedler, sind tief enttäuscht, weil er die versprochene Souveränitätsausweitung außenvorgelassen hat. Ihnen verspricht er, „aufgeschoben“ sei nicht „aufgehoben“, er würde diesen Schritt zum geeigneten Zeitpunkt nachholen. Von amerikanischer Seite wird hier allerdings deutlich widersprochen.

Manche Beobachter meinen zudem, der Deal habe dem israelischen Premier erlaubt, sich elegant aus dem Annexionsvorhaben zurückzuziehen. Er habe, so schreibt beispielsweise Anshel Pfeffer in der Zeitung Haaretz, ohnehin nicht vorgehabt, die israelische Souveränität auf Teile des Westjordanlands auszuweiten. Vielmehr habe der Zauberkünstler Netanjahu mit einem schlauen Manöver bewiesen, dass er „kostenlos einen Deal mit der arabischen Welt machen kann“.

Der Preis für mangelnde Kompromissbereitschaft

Netanjahu selbst und seine Anhänger sehen das anders. Seit Jahren verurteilen sie die „Land für Frieden“-Politik von Rabin und Peres. Ihr Prinzip lautet „Frieden für Frieden“, und sie sind überzeugt, dass im Nahen Osten Frieden nur mit starken Mächten zustande kommen kann. Der erfolgreiche Abschluss des Abraham Abkommens bekräftigt nun diesen Gedankengang. Jedenfalls setzt Netanjahu jetzt offenbar vorrangig auf Bündnisse mit den Golfstaaten anstatt auf einen seit Jahren praktisch toten Friedensprozess mit Ramallah.

„Die großen Verlierer dieser Entwicklung sind einmal mehr die Palästinenser“, schreibt Pfeffer. Zumindest deren Führung fühlt sich von ihren muslimischen Brüdern verlassen und verraten. Lange konnte sie die Annäherung Israels an arabische Staaten verhindern. In der neuen geopolitischen Realität, in der die Bedrohung aus dem Iran für die Golfstaaten schwerer wiegt als die palästinensische Sache, gelten jetzt aber offenbar andere Regeln.

Zudem scheinen viele arabische Länder die Causa der Palästinenser aufgegeben zu haben. Seit Jahrzenten verweigern Letztere jeden auch für Israel akzeptablen Schlichtungsversuch. Jetzt zahlen sie für ihre mangelnde Kompromissbereitschaft einen hohen Preis.

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