Aus marokkanischer Familie zum Song Contest nach Tel Aviv

„Er wusste, was auf ihn zukommt. In seinem Lied Roi (König), mit dem er sein Land beim Eurovision Song Contest im Mai vertreten wird, singt [Bilal] Hassani selbst: ‚Ich entspreche nicht der Norm, und das stört viele.‘ Er sei sich der ‚Blicke und Ansichten‘ der anderen wohl bewusst, fährt der 19-jährige Sänger mit dem weiblichen Look fort, um halb auf Französisch, halb auf Englisch klarzustellen: ‚Je suis free‘ (‚Ich bin frei‘). (…)

Wursts Siegertitel Rise Like a Phoenix von 2014 war der Ausgangspunkt für Hassanis Durchbruch: Mit diesem Song eroberte der unscheinbare Teenager 2015 die TV-Sendung The Voice Kids. Schon damals hagelte es gehässige Kommentare. Hassani hat marokkanische Eltern und tritt extravagant auf – mit langem platinblondem Haar, altmodischer Nickelbrille und fingerdicker Schminke. (…)

Daran gemessen sind seine Gegner nicht sehr zahlreich. Aber überaus aggressiv. (…) Diese Woche hat es mehr als 200 Einzelanzeigen gegen Hassani-Gegner eingereicht. Ihnen werden Beleidigung, homophobe Drohungen und Verleitung zum Hass und zu Gewalt vorgeworfen. (…)

In diese ohnehin sehr gereizte Polemik mischt sich eine weitere, die mit dem Austragungsort des Gesangswettbewerbs zu tun hat. Hassani wird in Frankreich aufgrund seiner arabischen Wurzeln angehalten, den Song Contest in Tel Aviv zu boykottieren. Eine regionale Sektion der militanten Anti-Aids-Organisation Act Up forderte den französischen Kandidaten auf, nicht nach Israel zu reisen, um auf diese Weise gegen die Diskriminierung ‚palästinensischer Queers‘ zu protestieren. Hassani erteilte ihnen diese Woche eine Absage. Er sei gegen eine Politisierung des Events und könne es nicht erwarten, nach Tel Aviv zu reisen, wo ein ‚sehr aufregendes Leben‘ und viel ‚Sonne‘ auf ihn warten. Auch sei er ein großer Fan von Netta Barzilai, der israelischen Song-Contest-Siegerin von 2018. Der französische Philosoph Raphaël Enthoven twitterte, nicht in Israel, sondern in Gaza seien Homosexuelle wegen ihres Andersseins in Haft.“ (Stefan Brändle: „Frankreichs Conchita Wurst für den Songcontest“)

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