Im Umfeld von Bewegungen wie Black Lives Matter sind Israelhasser, die jüdische Geiseln lieber tot als aus den Fängen der Hamas befreit sehen, in besonderem Maß aktiv.
Ein Tweet der Bewegung Black Lives Matter (BLM), in dem sie die Terrororganisation Hamas dazu aufforderte, die israelischen Geiseln freizulassen, führte unlängst zu einer Fülle von harschen Reaktionen, darunter Wut, Spott und die Unterstellung, von »Zionisten« gekauft worden zu sein.
Ginge es diesen vermeintlich »pro-palästinensischen« Stimmen um Menschenrechte, wie sie oft behaupten, dürfte eine solche Forderung überhaupt nicht kontrovers sein. Zivilisten zu entführen, zu foltern und zu drohen, sie umzubringen – eine Drohung, die gerade an sechs Geiseln vollstreckt wurde –, ist selbstverständlich ein Kriegsverbrechen und wider jede Moral. Doch vielen Israelhassern auf der Plattform X scheint es lieber zu sein, wenn Israelis, die aus den Kibbuzim oder vom Nova-Festival verschleppt wurden, tot sind, als dass die Hamas sie freilässt.
Zu den Reaktionen, die von Nutzern mit zahlreichen Herzchen bedacht wurden, gehört etwa die Frage: »Hat AIPAC [eine der größten amerikanischen Pro-Israel-Organisationen; Anm. Mena-Watch] diesen Post für euch geschrieben?« Ein anderer fragt: »Warum postet BLM zionistische Propaganda?« Der rechtsextreme Pro-Putin und Pro-Khamenei-Blogger Jackson Hinkle fluchte: »Fuck you, zionistische Marionetten.«
»Schwarze zu sehen, die Israel unterstützen«, sei eines »der traurigsten Dinge überhaupt«, schrieb Ousman Noor, ein Anti-Israel-Blogger, mit der Begründung, die »Gründer des Zionismus« hätten Schwarze angeblich für »minderwertig« gehalten. Ein anderer User sieht eine Verschwörung von Geheimagenten: »Der Mossad hat alles unterwandert.«
Mehrere Nutzer teilen eine Grafik, die zeigen soll, dass Israel »10.000 Geiseln« gefangen halte. Als »Geiseln« werden somit sämtliche in israelischen Gefängnissen inhaftierte Palästinenser bezeichnet. Darunter sind Mörder wie die Cousins Hakim und Amjad Awad, die am 11. März 2011 in der israelischen Gemeinde Itamar den Mord an den Mitgliedern der Familie Fogel verübten, sowie Täter des 7. Oktober 2023.
Corey Walker, Washington-Korrespondent des jüdisch-amerikanischen Magazins Algemeiner, der über die Attacken auf BLM berichtete, wies in seinem Artikel darauf hin, dass BLM, nachdem die Aufforderung an die Hamas, die Geiseln freizulassen, zu einer »Flut von Kritik« geführt hatte, in Folge-Tweets die USA aufforderte, »[den israelischen Premierminister] Benjamin Netanjahu zu entwaffnen und der illegalen Militärbesatzung die finanziellen Zuwendungen zu entziehen« und von Israel verlangte, »mit der Ermordung von Palästinensern aufzuhören«.
Verpönte Trauer um ermordete Juden
Immerhin aber wurde der Tweet, der die Forderung an die Hamas enthielt, nicht gelöscht. Das ist nicht selbstverständlich, sondern erfordert heutzutage schon Rückgrat.
Zum Vergleich: Die Organisatorinnen des New York Dykes March für lesbische Frauen hatten im Juni einen Eintrag von Instagram entfernt, in dem es geheißen hatte: »Wir trauern um den sinnlosen Verlust von jüdischem Leben, der durch die Anschläge vom 7. Oktober verursacht wurde.« Anschließend entschuldigten sie sich für diese Stellungnahme des Mitgefühls mit jüdischen Opfern und machten eine »Kommunikationspanne« dafür verantwortlich, dass so etwas gedacht und geschrieben wurde und den Weg in die sozialen Medien hatte finden können.
Dies alles zeigt, dass der radikale Teil der Anti-Israel-Bewegung keinerlei Kritik an der Hamas und anderen palästinensischen Terroristen duldet, mögen diese auch noch so unsagbare Gräuel verüben. Und er toleriert nicht, dass jüdische Israelis als Menschen dargestellt werden, die Opfer sein könnten, die Empathie und Trauer verdient hätten. Wie im Stalinismus, der ja den modernen Antizionismus zum großen Teil hervorgebracht hat, wird kein Dissens akzeptiert, kein Abweichen, kein Mitleid mit dem vermeintlichen Feind.
»Der Kampf wird lang und grausam sein und keine Uneinigkeit in den Reihen der nationalen Bewegung dulden«, steht im Gründungsdokument der zur PLO gehörenden Terrororganisation PFLP vom 11. Dezember 1967. Weiter heißt es:
»Es ist ein Glaubenssatz der Front, dass die einzige Garantie für das Andauern des bewaffneten Kampfes und seine Eskalation zu einem umfassenden palästinensischen Aufstand im wahrsten Sinne des Wortes darin besteht, dass die Volksmassen dem bewaffneten Widerstand und seinen vereinten Kräften völlige (sic!) Solidarität entgegenbringen. Die einzige Sprache, die der Feind versteht, ist die der revolutionären Gewalt.«
Alle erforderlichen Mittel
Als zeitgenössische Veranschaulichung mag ein aktueller Beitrag auf der antiisraelischen Website Mondoweiss dienen (»Vier Punkte über die Solidarität nach dem Gaza-Genozid«), in dem den palästinensischen Terroristen ein Blankoscheck ausgestellt wird, »alle erforderlichen Mittel« zu nutzen.
Die Palästinenser hätten ein Recht, »ihre Existenz als Volk zu verteidigen, sich ihrer fortwährenden Enteignung, Kolonisierung und ihrem Völkermord zu widersetzen und ihre nationale Befreiung mit allen erforderlichen Mitteln, einschließlich des bewaffneten Kampfes, anzustreben. Was auch immer der Internationale Strafgerichtshof oder andere westliche Institutionen erklären mögen, es darf niemals ein Vergleich oder eine Gleichsetzung zwischen der Gewalt des Unterdrückers und der Gewalt der Unterdrückten vorgenommen werden.«
Oder man nehme diesen Beitrag der britischen BDS-Gruppe Jewish Voice for Labour mit der vielsagenden Überschrift »Totale Solidarität mit Palästina ist die einzige antirassistische Position«. Für Zweifel an den Zielen und Methoden der Hamas ist hier kein Platz, denn der zum »Unterdrückten« Erklärte ist in dieser Logik unfehlbar und darf tun, was immer er im Kampf gegen die »Unterdrücker« für nötig hält. Zu den »Unterdrückern« zählen radikale Kräfte wie die Boykottbewegung BDS jeden jüdischen Israeli. Mit diesen darf es keine »Normalisierung« geben, alles Jüdische ist in weiten Teilen der Palästinensischen Autonomiegebieten geächtet.
Ebenfalls geächtet wird, wer sagt, dass jüdische Israelis irgendwelche Rechte hätten, etwa, was den Schutz ihres Lebens betrifft. Das bekam kürzlich auch Alexandria Ocasio-Cortez zu spüren, die linke Abgeordnete des US-Repräsentantenhauses, die nie im Ruf stand, eine Unterstützerin Israels zu sein. Weil sie aber zumindest »Israels Existenzrecht« unterstützt und mit Juden diskutiert hatte, die sich »für die IHRA-Definition von Antisemitismuseingesetzt« hatten, wurde sie von ihrer sozialistischen Partei gemaßregelt.
Laut Hannah Arendt (Denktagebuch, 1951) gehört es zu den »psychologischen Symptomen« des »radikal Bösen«, die »letzten Folgerungen aus den einmal angenommenen Prämissen [zu] ziehen und die Anderen mit dem Argument: Wer A gesagt hat, muss auch B sagen, bei der Stange [zu] halten«. Aus Sicht der radikalen Israelfeinde passt es nicht zu den einmal angenommenen Prämissen, die Befreiung jüdischer Geiseln zu fordern oder an der Hamas irgendetwas auszusetzen.