Atomverhandlungen mit dem Iran: Die Zeit wird immer knapper

Kürzlich begann die achte Runde der Atomverhandlungen mit dem Iran in Wien
Kürzlich begann die achte Runde der Atomverhandlungen mit dem Iran in Wien (© Imago Images / Xinhua)

In den neuerlichen Atomverhandlungen der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland mit dem Iran gibt es kaum Fortschritte, und die Zeitspanne, bis Teheran genügend waffenfähiges Uran für eine Atombombe hat, wird immer kleiner. Die Lage spitzt sich allmählich dramatisch zu, vor allem für Israel, das bereits angekündigt hat, notfalls alleine zu handeln.

Seit dem 3. Januar laufen die Atomgespräche von Wien wieder, die Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Russland und China mit dem Iran führen, und das bereits in der achten Verhandlungsrunde.

Es geht dabei um die Wiederherstellung des gemeinsamen Atompakts von 2015, also des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), aus dem die Vereinigten Staaten von Amerika im Mai 2018 ausgestiegen waren. Weil sich Teheran seitdem weigert, direkt mit den USA zu kommunizieren, fungieren die Europäer in Wien auch als Vermittler zwischen den beiden Ländern.

Der JCPOA beinhaltete im Wesentlichen eine Verpflichtung des Iran, sein Nuklearprogramm für zehn Jahre einzuschränken und Kontrollen durch internationale Inspektoren zuzulassen. Dafür wurden die Wirtschaftssanktionen ausgesetzt, die USA, EU und UNO gegen das Land verhängt hatten.

Für das Regime war das ein sehr entgegenkommender Deal: Er schränkte sein Hegemoniestreben zwischen Persischem Golf und Mittelmeer nicht ein und hielt es nicht davon ab, seine Machtstellung etwa im Irak, in Syrien und im Jemen auszubauen.

Das Abkommen hinderte den Iran auch nicht an der Entwicklung ballistischer Raketen, die als Träger von Atombomben in Zukunft vor allem Israel, aber auch Europa und die USA bedrohen könnten. Ohnehin stellte der Pakt keine Dauerlösung dar; wesentliche Auflagen sollten eben nur für ein Jahrzehnt gelten. Die längerfristige Option des Regimes, Atombomben zu bauen, blieb somit unangetastet.

In den USA gab es von Beginn an starke Vorbehalte gegen den Atomdeal

Deshalb gab es in den USA von Anfang an starke Vorbehalte gegen den Deal der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland mit Teheran. Die Republikaner opponierten gegen das Vorgehen des damaligen Präsidenten Barack Obama, das Abkommen konnten sie gleichwohl nicht verhindern.

Nachdem jedoch Donald Trump im Januar 2017 zum US-Präsidenten gewählt worden war, erfuhr die Situation eine grundlegende Änderung.

Trump forderte Korrekturen und Nachbesserungen an dem Pakt, doch Gespräche über eine Revision der Vereinbarung scheiterten. Deshalb stiegen die Vereinigten Staaten schließlich aus dem Abkommen aus und setzten ihre ökonomischen Sanktionen wieder in Kraft. Zudem verhängten sie weitere Strafmaßnahmen, die etwa den Handel von Drittstaaten betrafen.

Dafür erntete Trump viel Kritik, vor allem die Demokraten hielten ihm vor, einen Vertrag gebrochen zu haben und eine weitere Atomkrise anzuzetteln.

Die Europäer blieben unverändert beim Abkommen, doch der Iran zog sich letztlich ebenfalls aus ihm zurück. Teheran betrachtete fortan jegliche Einschränkung im Bereich der Urananreicherung als hinfällig.

Längst ignoriert das Regime jegliche Beschränkung, die im Atomdeal festgelegt wurde. Gestattet war ihm eigentlich nur die Anreicherung von Uran in engen Grenzen – mit einer begrenzten Zahl von Zentrifugen älterer Bauart, in geringen Mengen und maximal bis zu einem Anreicherungsgrad von 3,67 Prozent.

Die Breakout-Zeit beträgt schlimmstenfalls nur noch drei Wochen

Laut einem Bericht der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) von Mitte November 2021 verfügt das iranische Regime mittlerweile jedoch über insgesamt 2.489,7 Kilogramm angereichertes Uran, das ist mehr als das Zwölffache der im Atomvertrag von 2015 erlaubten Menge von 203 Kilogramm.

Darunter sind 113,8 Kilogramm Uran, das bis zu 20 Prozent angereichert ist, und 17,7 Kilogramm an bis zu 60 Prozent angereichertem Uran. Für Atomwaffen ist ein Anreicherungsgrad von 90 Prozent erforderlich, weit davon entfernt ist der Iran nicht mehr.

Die Mengen, über die das Regime verfügt, dürften weiterhin deutlich steigen, zumal inzwischen sehr leistungsfähige Zentrifugen im Einsatz sind und nicht mehr nur die gemäß dem JCPOA erlaubten älteren. Dadurch hat sich die sogenannte Breakout-Zeit stark verkürzt: das ist die Zeitspanne, die der Iran benötigt, um das waffenfähige Uran herzustellen, das für eine Atombombe erforderlich ist.

Im Abkommen vom Sommer 2015 wurde diese Breakout-Zeit auf ein Jahr festgelegt, mittlerweile jedoch beläuft sie sich nach Einschätzung des Institute For Science And International Security in Washington im ungünstigsten Fall auf nur noch drei Wochen. Nach zwei Monaten könnte der Iran demnach ausreichend waffenfähiges Uran für eine zweite Bombe haben und nach dreieinhalb Monaten genug für eine dritte. Ein Szenario, das nicht hinnehmbar ist.

Der Iran wartet in Wien mit Maximalforderungen auf

Wenn aber der Status von 2015 wiederhergestellt werden soll, müsste der Iran zumindest sämtliche Anlagen zur Uranmetallproduktion und zur Hochanreicherung zerstören. Dazu aber wird das Regime ganz gewiss nicht bereit sein.

Im Gegenteil wartet es bei den derzeitigen Verhandlungen mit Maximalforderungen auf. So verlangt es beispielsweise auch die Aufhebung von Sanktionen, die sich nicht gegen das Nuklearprogramm richten, sondern aufgrund der Unterstützung von Terror oder Menschenrechtsverletzungen verhängt wurden.

Was treibt die Europäer bei den Verhandlungen mit dem Iran an? Es sind zuvorderst ökonomische Interessen. Schon für das erste Jahr nach dem Abkommen rechnete beispielsweise die deutsche Industrie mit einer Verdopplung des Handelsvolumens; der seinerzeitige deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel reiste mit hochrangigen Wirtschaftsvertretern nach Teheran, kaum dass der Pakt beschlossen war.

Der Ausstieg der USA aus dem Deal und die amerikanische Sanktionspolitik führten jedoch zu einer grundlegenden Veränderung der Situation. Bei den europäischen Regierungen und den europäischen Konzernen war die Verärgerung deshalb groß, seit vier Jahren läuft nun der Versuch einer erneuten Vermittlung.

Raisi ist noch weniger kompromissbereit als Rohani

US-Präsident Joe Biden hatte gleich nach seinem Amtsantritt eine Rückkehr zum Joint Comprehensive Plan of Action angekündigt, doch seine Regierung und das Regime in Teheran liegen mit ihren Vorstellungen und Erwartungen nach wie vor weit auseinander.

Erst recht, seit auch der Iran einen neuen Präsidenten hat: Ebrahim Raisi ist noch weniger kompromissbereit ist als sein Vorgänger Hassan Rohani. Er verzögerte die Wiederaufnahme der Atomverhandlungen monatelang und kurbelte gleichzeitig die Urananreicherung an – natürlich auch, um so den Druck auf die USA zu erhöhen.

Im US-Fernsehsender NBC wurde unlängst bereits die Frage diskutiert, was getan werden könnte, um den iranischen Griff zur Bombe noch zu verhindern. Angeregt wurde unter anderem, China zu überreden, Ölimporte aus dem Iran zu beenden, eine Verschärfung der Sanktionen, der Beginn verdeckter Operationen zur Sabotage des iranischen Nuklearprogramms und Militärschläge gegen iranische Nuklearanlagen oder die Unterstützung israelischer Militäraktionen.

Israel bereitet sich darauf vor, notfalls alleine zu handeln

Daran zeigt sich, wie ernst die Lage ist. Auch und vor allem für Israel, dessen Außenminister Yair Lapid im Oktober des vergangenen Jahres sagte:

„Wenn sich ein Terrorregime Atomwaffen beschaffen will, müssen wir handeln. Wir müssen klarmachen, dass die zivilisierte Welt dies nicht erlauben wird. Wenn die Iraner nicht glauben, dass die Welt sie ernsthaft aufhalten wird, werden sie schnell zur Bombe greifen.“

Man ziehe es zwar vor, gemeinsam mit Verbündeten zu handeln, „aber wenn nötig, werden wir auch alleine vorgehen“, sagte Lapid im Dezember vor dem Außen- und Verteidigungsausschuss des israelischen Parlaments, der Knesset. Israel sei nicht grundsätzlich gegen eine neuerliche Vereinbarung, „aber gegen jedes Abkommen, das keine wirkliche Aufsicht über das iranische Atomprogramm, das iranische Geld oder das iranische Terrornetzwerk ermöglicht“.

Die neue israelische Regierung unter Premierminister Naftali Bennett hält sich prinzipiell zurück und vermeidet Kritik an den USA sowie den anderen an den Verhandlungen in Wien beteiligten Staaten. Gleichzeitig arbeitet der jüdischen Staat an der Festlegung roter Linien, und die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) sowie die israelische Luftwaffe setzen ihre Vorbereitungen für eine militärische Option fort. Israel weiß, dass es sich im Zweifelsfall nur auf sich selbst verlassen kann.

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