Unter dem Deckmantel seines Stellvertreterkriegs gegen Israel treibt der Iran sein Atomprogramm voran.
Yaakov Lappin
Der Iran scheint den anhaltenden Zermürbungskrieg seiner Stellvertreter Hamas und Hisbollah gegen Israel auszunutzen, um sein Atomprogramm rasch voranzutreiben. »Es besteht kein Zweifel daran, dass der Iran die Aufmerksamkeit Israels, der USA und der gesamten internationalen Gemeinschaft auf den Krieg im Gazastreifen und die Nordgrenze zum Libanon ausnutzt, um sein Atomprogramm so weit wie möglich voranzutreiben«, so der Vizerektor der Universität Tel Aviv, Eyal Zisser. Teherans Ziel sei es dabei, »einen Schwellenwert zu erreichen, ohne tatsächlich die Grenze zu überschreiten und einen Atomtest durchzuführen«.
Auf die Frage, ob eine Zweifrontenkonfrontation mit einem gleichzeitigen Angriff auf die iranischen Atomanlagen und die strategischen Raketenlager der Hisbollah eine Option für Israel sein könnte, sagte Zisser, Jerusalem habe möglicherweise keine andere Wahl. »Die Politik der Regierung besteht im Moment darin, sich auf den Gazastreifen zu konzentrieren und die nördliche Grenze auf kleiner Flamme zu halten.«
Ein Zweifrontenkonflikt würde »die Mobilisierung der Gesellschaft und des Militärs sowie internationale Unterstützung erfordern, und diese Dinge sind derzeit nicht vorhanden« meinte Zisser, wobei die »Option eines militärischen Vorgehens auf dem Tisch liegen« sollte. »Und in jedem Fall ist es wahrscheinlich, dass sich die Hisbollah [dem offenen Krieg] ebenfalls anschließen wird, wenn Israel den Iran angreift.«
Auf die Frage, ob Israel sich zu sehr auf die internationale Gemeinschaft verlasse, um die nuklearen Ambitionen des Irans zu bremsen, widersprach Zisser. »Ich glaube nicht, dass sich irgendjemand auf die internationale Gemeinschaft verlassen hat, um etwas zu tun. Es gab Erwartungen an die Vereinigten Staaten, aber Trump ging und Biden kam, und es schien von Anfang an klar zu sein, dass Biden nicht bis zum Äußersten gegen den Iran gehen würde. Die Frage ist, ob Trump dies tun würde, sollte er gewählt werden«, analysierte er die Lage.
Die Unterstützung der USA wäre bei einer Konfrontation mit dem Iran von entscheidender Bedeutung, sagte er und fügte hinzu, dass sich sowohl Biden als auch Trump »in dieser Frage für Israel einsetzen, aber bei der Frage zögern werden, ob sie wegen Israel zu einem energischen Manöver gegen den Iran übergehen sollen. Es ist also nicht klar, ob die US-Wahlen etwas ändern werden.«
Um ein Vielfaches gestiegen
Der ehemalige hohe Beamter der israelischen Atomenergiekommission und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), Ephraim Asculai, hat kürzlich eine detaillierte Analyse der Fortschritte des Irans bei der Urananreicherung vorgelegt. In einem Gespräch mit Journalisten, das am 3. Juli vom Jerusalemer Presseclub organisiert worden war, erklärte er: »Ich kann in aller Kürze sagen, dass die Fähigkeit des Irans, Uran auf Waffenqualität anzureichern, um ein Vielfaches gestiegen ist.«
Asculai fügte hinzu, dass der Iran nach Angaben des in Washington ansässigen Institute for Science and International Security heute über die Fähigkeit verfügt, Uran innerhalb weniger Wochen auf Waffenqualität anzureichern, und zwar in Mengen, die für mehrere Atomsprengköpfe ausreichen würden.
Er merkte an, dass die Anreicherung zwar der schwierigste, aber nicht der einzige Aspekt bei der Herstellung von Atomwaffen sei: »Die Entwicklung von Atomwaffen besteht aus zwei weiteren Teilen. Der zweite ist die Entwicklung und Herstellung des nuklearen Sprengmechanismus und der dritte ist das Trägersystem. Und beide haben ihre eigenen Probleme.« Die meisten Komponenten dieser beiden Phasen können jedoch parallel zum Anreicherungsprozess durchgeführt werden.
Ausgehend von den Erkenntnissen, die der Mossad mit der Entwendung des Atomarchivs im Jahr 2018 über das iranische Atomprogramm bis zum Jahr 2003 gewinnen konnte, war der Iran zu diesem Zeitpunkt in Bezug auf den Mechanismus zur Herstellung von Nuklearsprengstoff bereits »ziemlich weit fortgeschritten«. Abschließend meinte Asculai, »man muss davon ausgehen, dass die Iraner das Design eines nuklearen Sprengsatzes von dem verstorbenen Arzt Abdul Qadir Khan aus Pakistan erhalten haben und somit wissen, was zu tun ist.«
Yaakov Lappin ist Korrespondent und Analyst für militärische Angelegenheiten in Israel. Er ist hausinterner Analyst am MirYam-Institut, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alma-Forschungs- und Bildungszentrum und am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität sowie Autor von Virtual Caliphate – Exposing the Islamist State on the Internet. (Der Artikel erschien