Auch wenn US-Präsident Biden die Atomverhandlungen offiziell für tot erklärt hat, zeigen die jüngsten iranischen Aussagen, dass die Gespräche weitergehen.
Das iranische Außenministerium bestätigte am Montag, weiterhin einen »Nachrichtenaustausch« mit den USA über eine mögliche Rückkehr zum Atomabkommen zu führen. Auf einer Pressekonferenz sagte der Sprecher des Außenministeriums in Teheran, Nasser Kanaani, die indirekten diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und dem Iran würden weiterhin über als Vermittler auftretende Dritte abgewickelt und dankte insbesondere dem Oman für seine dementsprechende Rolle.
Kanaani wies im Zuge seiner Erklärung auch Gerüchte darüber zurück, der Iran würde eine Alternative oder ein Interimsabkommen anstelle der vollständigen Wiederherstellung des als Atomdeal bekannten Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplans (JCPOA) von 2015 in Betracht ziehen. Ein Bericht des Medienunternehmens Middle East Eye (MEE) vom Donnerstag hatte unter Berufung auf zwei ungenannte Quellen gemeldet, die USA und der Iran zögen ein solches Interimsabkommen in Erwägung. Nachdem der MEE-Bericht bereits unmittelbar nach Erscheinen vom Weißen Haus dementiert worden war, zog nun also auch der Iran nach, indem er diesen als »Medienspekulation« bezeichnete.
Gerüchte über die Möglichkeit eines neuen Atomabkommens haben auch in Israel Alarm ausgelöst, wie sich in Meldungen über ein Telefongespräch zwischen dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und US-Außenminister Antony Blinken am Donnerstag zeigte. »Premierminister Netanjahu wiederholte seine konsequente Position, eine Rückkehr zum Atomabkommen mit dem Iran würde dessen Atomprogramm nicht stoppen«, erklärte Netanjahus Büro. »Keine Vereinbarung mit dem Iran wird Israel irgendeine Verpflichtung auferlegen, das vielmehr alles unternehmen wird, um sich zu verteidigen.« Bereits am 1. Juni veröffentlichte Netanjahu ein Video, in dem er erklärte, Israel werde »alles Notwendige tun, um den Iran daran zu hindern, Atomwaffen zu erlangen«.
Kanaanis Ablehnung eines möglichen Interimsabkommens entspricht der Position des Obersten Führers des Irans, Ayatollah Ali Khamenei, der am Sonntag bei einer Versammlung iranischer Atomexperten erklärte, er würde eine Rückkehr zum ursprünglichen JCPOA von 2015 akzeptieren. »An dem Abkommen ist nichts auszusetzen, aber die Infrastruktur unserer Atomindustrie wird nicht angetastet werden«, sagte Khamenei.
Baldiger Gefangenenaustausch?
Auf der Pressekonferenz am Montag äußerte der iranische Sprecher auch die Hoffnung, dass »in naher Zukunft« ein Gefangenenaustausch zwischen dem Iran und den USA erreicht werden könne. Der Iran hält derzeit mehrere amerikanische Staatsbürger in Haft, darunter einen Bürger, der im Februar wegen Terrorismus zum Tode verurteilt wurde. Obwohl diese Häftlinge technisch gesehen kein Teil des Atomdeals sind, wurden schon 2016 nach dem Inkrafttreten des JCPOA fünf Amerikaner als Resultat langwieriger Nebenverhandlungen aus iranischer Gefangenschaft entlassen.
Im Jahr 2022 erklärte ein hochrangiger Beamter des Außenministeriums, die vier vom Iran festgehaltenen Bürger stellten weiterhin ein erhebliches Hindernis für die Rückkehr zum Abkommen dar. »Wir verhandeln über die Freilassung der Gefangenen unabhängig vom JCPOA, aber wie wir bereits gesagt haben, ist es für uns sehr schwierig, uns eine Rückkehr zum JCPOA vorzustellen, solange vier unschuldige Amerikaner hinter Gittern sitzen oder im Iran festgehalten werden«, hieß es damals.
Während US-Präsident Joe Biden die JCPOA-Verhandlungen zuvor als »tot« bezeichnet und Beamte des amerikanischen Außenministeriums erklärt hatten, solche Gespräche stünden angesichts der gewaltsamen Unterdrückung der iranischen Proteste und der Teheraner Unterstützung für die russische Invasion in der Ukraine »nicht auf der Tagesordnung«, bestätigt Kanaanis Presseerklärung vom Montag, dass die Regierung Biden weiterhin eine diplomatische Rückkehr zum JCPOA mit der Islamischen Republik anstrebt.
In einer Rede vor dem American Israel Public Affairs Committee am 5. Juni erläuterte Außenminister Antony Blinken, was er als einen dreigleisigen Ansatz aus Diplomatie, wirtschaftlichem Druck und militärischer Abschreckung im Umgang mit dem Iran bezeichnete. »Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Diplomatie der beste Weg ist, um den Iran nachweislich, effektiv und nachhaltig daran zu hindern, sich eine Atomwaffe zu beschaffen«, so Blinken. »Parallel dazu verstärken wir unsere Diplomatie durch wirtschaftlichen Druck und Abschreckung. Wenn der Iran den Weg der Diplomatie ablehnt, dann liegen, wie Präsident Biden wiederholt deutlich gemacht hat, alle Optionen auf dem Tisch, um sicherzustellen, dass der Iran keine Atomwaffe erhält.«