Die Vision des Irans, Syrien in einen Teil seines »Feuerrings« um Israel zu verwandeln, ist gescheitert – nicht zuletzt durch die schweren Schläge, die Israel der Hisbollah und der Hamas versetzt hatte.
Yaakov Lappin
Der Zusammenbruch des Regimes des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad schafft neue Unsicherheiten, stellt jedoch aus israelischer Sicherheitsperspektive auch einen strategischen Nettogewinn dar. Denn die iranischen Anstrengungen, zig Milliarden Dollar und über ein Jahrzehnt an Bemühungen in den Schmuggel fortschrittlicher Waffen und den Einsatz von Zehntausenden schiitischen Milizionären in Syrien zu investieren, waren nun umsonst.
Nachdem der Iran bereits seinen Einfluss im Gazastreifen und im Libanon durch die militärischen Erfolge Israels gegen die Hamas und die Hisbollah verlor, hat der Zusammenbruch in Syrien den regionalen Bestrebungen des Irans nun eine weitere schwere Niederlage beschert.
Das Assad-Regime war eine der zentralen Säulen des iranischen Plans, die regionale Hegemonie zu erlangen und seine »Achse des Widerstands« so zu positionieren, um den Zusammenbruch Israels herbeizuführen. Die Brücke, die der Iran gebaut hat, um sich mit dem Mittelmeer und der nördlichen Grenze Israels zu verbinden, ist eingestürzt. Der Umfang des Verlusts, den der Iran in Syrien in Bezug auf Geld, Waffen, Zeit und Aufwand erlitten hat, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die regionale Position des Irans, die sich in den vergangenen Monaten bereits zusehends verschlechtert hat, ist nun weiter geschwächt.
Iranische Bemühungen gescheitert
Das Assad-Regime war ein integraler Bestandteil eines iranischen »Feuerrings«, der den jüdischen Staat mit schwer bewaffneten Stellvertreter-Terrorarmeen umzingeln sollte. Diese Vision eines »Feuerrings« wurde vom verstorbenen Kommandeur der iranischen Quds-Truppe, Qassem Soleimani, ins Leben gerufen und war einer der Faktoren, der die vom Iran angeführte schiitische Achse zum fähigsten und gefährlichsten Gegner Israels machten.
Assads Sturz ist eine direkte Folge der verheerenden Schläge, die der wichtigste regionale Stellvertreter des Irans, die Hisbollah, im benachbarten Libanon erlitten hat. Durch israelische Luft- und Bodenoperationen wurde die Hisbollah stark geschwächt. Die sunnitischen Rebellen im benachbarten Syrien sahen ihre Chance und ergriffen sie. Assad fehlten fähige Verbündete: Die Hisbollah konnte keine Bodentruppen aus dem Libanon entsenden, wie sie es während des Bürgerkriegs getan hatte, Russland ist mit seiner Invasion in der Ukraine beschäftigt und der Iran sieht sich einer zunehmenden regionalen Isolation gegenüber.
Vor Ort sind die mit den USA verbündeten kurdischen Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) in Deir ez-Zor im Osten Syriens nahe der irakischen Grenze einmarschiert, während die israelische Luftwaffe wiederholt wichtige Grenzübergänge zwischen Syrien und dem Libanon angriff. Dies bedeutet, dass der Landkorridor, der den nahtlosen Durchgang von Waffen und Personal aus dem Iran und dem Irak von Osten nach Syrien und in den Libanon ermöglichen sollte, zusammengebrochen ist.
Marco Moreno, ehemaliger leitender Offizier der Human Intelligence Unit 504 der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) meinte am 1. Dezember gegenüber dem Jewish News Syndicate: »Das Assad-Regime hat Syrien erlaubt, der Philadelphi-Korridor [das an den Sinai angrenzende Gebiet im Gazastreifen, das zum Waffenschmuggel genutzt wird] auf Steroiden zu sein.«
Viele der von der Hisbollah im jüngsten Krieg gegen Israel eingesetzten Waffen stammten aus Syrien, wobei die syrische Route für die iranischen Waffenlieferungen an die Hisbollah von entscheidender Bedeutung war. Aber Teherans Verankerung in Assads Reich beinhaltete auch die Einrichtung von Waffenproduktionszentren auf syrischem Boden, die nicht nur die Hisbollah, sondern auch Zehntausende in Syrien stationierte schiitische Milizionäre versorgten.
Darüber hinaus versuchte der Iran, sich in Syrien zivil, religiös und kulturell zu verankern, indem er die ethnische Säuberung sunnitischer Gemeinden förderte und gleichzeitig darauf abzielte, eine loyale demografische Basis unter den Alawiten und Schiiten zu schaffen. Mit dem Sturz von Bashar al-Assad sind diese umfangreichen und kostspieligen Bemühungen gescheitert.
Geringere Gefahr
Das bedeutet jedoch nicht, dass an der syrischen Front nun alles ruhig ist. Die syrische Fraktion Hayat Tahrir al-Sham (HTS) unter der Führung von Abu Mohammed al-Julani, die früher unter dem Namen Jabhat al-Nusra mit al-Qaida verbunden war, hat sich als die dominierende sunnitische Truppe unter den Aufständischen etabliert. Die Syrische Nationalarmee (SNA), eine von der Türkei unterstützte national-islamistische Rebellenkoalition, ist ein weiterer wichtiger Akteur vor Ort.
Auch wenn Israel ihre Aktivitäten genau beobachten muss, stellen diese sunnitischen Rebellen im Vergleich zu den Ressourcen der vom Iran geführten schiitischen Achse jedoch eine weitaus schwächere Kraft dar, mit weniger fortgeschrittenen Fähigkeiten und einem begrenzten Fokus, der zumindest in naher Zukunft weitgehend auf syrisches Territorium beschränkt bleiben wird.
Laut mehreren internationalen Medienberichten hat Jerusalem allerdings schon jetzt nicht darauf gewartet, dass strategische Waffen in Syrien in ungewisse Hände fallen. Am 5. Dezember berichtete der israelische Sender Army Radio unter Berufung auf Berichte aus Syrien, Israel habe Luftangriffe südöstlich von Aleppo durchgeführt, während das Gebiet noch unter Assads Kontrolle stand. Diese Angriffe zielten wahrscheinlich auf Lenkraketen- oder Chemiewaffenproduktionsstätten ab, die mit dem syrischen Zentrum für wissenschaftliche Studien und Forschung verbunden sind, welches der Iran für die Entwicklung fortschrittlicher Munition auf syrischem Boden genutzt hatte.
Indem Israel diese strategischen Bedrohungen Berichten zufolge präventiv neutralisierte, stellte es sicher, dass der Zusammenbruch des Assad-Regimes zu keiner Verbreitung gefährlicher Waffen führen würde.
Und auch entlang der Grenze zu Syrien haben die israelischen Streitkräfte angemessene Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit zu gewährleisten. Wie die IDF am Sonntag erklärten, hätten sie »gemäß der Lagebeurteilung nach den jüngsten Ereignissen in Syrien, einschließlich des Eindringens bewaffneter Kämpfer in die Pufferzone, Streitkräfte in der Pufferzone und an mehreren anderen Orten, die für ihre Verteidigung notwendig sind, eingesetzt, um die Sicherheit der Gemeinden auf den Golanhöhen und der Bürger Israels zu gewährleisten«.
Zugleich betonte Israel explizit, »dass die IDF nicht in die internen Ereignisse in Syrien eingreift. Die IDF werden solange wie nötig weiter operieren, um die Pufferzone zu erhalten und Israel und seine Zivilbevölkerung zu verteidigen.«
Yaakov Lappin ist Korrespondent und Analyst für militärische Angelegenheiten in Israel. Er ist hausinterner Analyst am MirYam-Institut, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alma-Forschungs- und Bildungszentrum und am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität sowie Autor von Virtual Caliphate – Exposing the Islamist State on the Internet. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)