Sehr geehrter Herr Fleischhacker,
Dann gab es noch den Russland-Experten Gerhard Mangott, der zwar weiß, „dass Assad Hunderttausende getötet hat, mit Fassbomben, mit Bombardements auf zivile Ziele, auf Hospitäler, auf Schulen Kriegsverbrechen“ begangen hat, aber zu einem späteren Zeitpunkt in der Diskussion dann trotzdem Folgendes beisteuerte:
„Natürlich könnte man sich hinstellen und sagen, gesinnungsethisch muss al-Assad weg. Ja, er ist ein Schlächter, er ist ein Mörder, ein Kriegsverbrecher. Aber man muss sich verantwortungsethisch fragen, wenn man ihn jetzt beseitigt, bedeutet das nicht die Fortsetzung des Leides der Zivilbevölkerung für viele weitere Jahre auf einer anderen Ebene? Dass sich jetzt Gruppen, die gemeinsam gegen al-Assad kämpfen, untereinander bekämpfen, oder dass jetzt die syrischen Christen, die Drusen, die Alawiten, die durch Assad geschützt werden, dass die dann zum Opfer ethnischer oder religiöser Säuberungen werden, wenn al-Assad weg ist?“
Assad, der in Zusammenarbeit mit seinen Verbündeten für den überwältigenden Großteil der Hunderttausenden im Krieg Getöteten verantwortlich ist, dessen Krieg gegen die eigene Bevölkerung rund zehn Millionen Menschen in die Flucht getrieben hat und der strategisch wichtige Regionen des Landes gezielt von der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung säubert, ausgerechnet dieser Mann wurde von Mangott als Retter der Zivilbevölkerung präsentiert. Assad, gewissermaßen der einzige Beschützer der Witwen und Waisen, zu denen er die Menschen erst gemacht hat – kein Wort des Widerspruchs regte sich in Ihrer Runde, um dieser zynischen Darstellung entgegen zu treten. In Damaskus muss man aus Freude über diesen Propagandaerfolg die eine oder andere Träne verdrückt haben.
Als Sie vor einiger Zeit einem Ex-Neonazi und nach-wie-vor-Rechtsextremen in Ihrer Sendung eine Bühne boten, beriefen Sie sich auf den Anspruch, mit Ihrer Einladungspolitik „die ganze Bandbreite des Denkbaren abzubilden“, weil sie an die Fähigkeit Ihres Publikums glaubten, „sich auf dieser Grundlage eine eigene Meinung zu bilden“. Dank der Zusammensetzung der gestrigen Diskussionsrunde blieben sowohl die von Kneissl vorgebrachte Verschwörungstheorie, als auch der auf die Spitze getriebene Zynismus Mangotts völlig ohne Widerspruch. Was ist bloß mit der „Bandbreite des Denkbaren“ geschehen, als Sie sich daran machten, die Teilnehmer für Ihre Sendung auszuwählen?
Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Florian Markl
Mena Watch – der unabhängige Nahost-Thinktank